Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande haben einen Vertrag mit einem Pharmakonzern geschlossen: So soll AstraZeneca etwa 300 Millionen Dosen eines Impfstoffs an die EU liefern. Während der Vertrag schon abgeschlossen ist, befindet sich der Impfstoff noch nicht in der Produktion - sondern noch mitten in der Forschung.
Die Bundesregierung hat sich Millionen Dosen eines möglichen Impfstoffs gegen das Coronavirus gesichert, der noch in diesem Jahr zur Verfügung stehen könnte. Deutschland und drei weitere europäische Länder schlossen mit dem Pharmakonzern AstraZeneca einen Vertrag über die EU-weite Lieferung von mindestens 300 Millionen Dosen des Impfstoffs ab, der derzeit an der Universität Oxford entwickelt wird, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Samstag mitteilte.
Die ersten Lieferungen sollten noch vor Ende des Jahres erfolgen, kündigte sein französischer Kollege Olivier Véran in Paris an. Sobald der Impfstoff geliefert werde, solle er EU-weit verteilt werden, erklärte
Die Dosen "sollen relativ zur Bevölkerungsgrösse an alle Mitgliedstaaten, die dabei sein wollen, aufgeteilt werden". Vertragspartner sind der schwedisch-britische Konzern AstraZeneca und eine Impfallianz, zu der sich Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande zusammengeschlossen haben.
Pharmakonzern verpflichtet sich zum Aufbau europäischer Lieferkette
Das Unternehmen selbst sprach von bis zu 400 Millionen Dosen, die an die europäische Impfallianz geliefert werden könnten. AstraZeneca könne "bald" mit der Produktion des Impfstoffs beginnen und hoffe darauf, "ihn breit und schnell verfügbar zu machen", erklärte eine Sprecherin.
"Viele Länder der Welt haben sich schon Impfstoffe gesichert, Europa noch nicht", erklärte Spahn. Das "zügige koordinierte Agieren einer Gruppe von Mitgliedsstaaten" habe nun einen "Mehrwert für alle EU-Bürger" geschaffen.
Der französische Minister Véran teilte mit, AstraZeneca habe sich in dem Vertrag auch zum Aufbau europäischer Lieferketten für den Impfstoff verpflichtet.
Angaben zum finanziellen Volumen des Vertrags wurden nicht gemacht. AstraZeneca habe sich aber bei Vertragsabschluss bereit erklärt, "keinerlei Profite" daraus zu machen, erklärte Véran.
Klinische Tests bereits gestartet
Am Freitag hatte AstraZeneca-Chef Pascal Soriot in einem BBC-Interview gesagt, er rechne bis September mit Ergebnissen zur Wirksamkeit des in der Entwicklung befindlichen Corona-Impfstoffs. AstraZeneca entwickelt das Mittel in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford.
Die klinischen Tests des Mittels am Menschen hatten Ende April in Grossbritannien begonnen. Soriot sagte, ausserdem fänden Tests in Brasilien statt. Rund 10.000 Probanden beteiligen sich demnach daran.
Wie lange die britische Studie braucht, um belastbare Resultate zu erbringen, hängt auch vom Verlauf der Pandemie ab: "Wenn die Übertragungsrate hoch bleibt, könnten wir in einigen Monaten genug Daten haben, um zu beurteilen, ob die Impfung funktioniert", schrieb die Universität Oxford. "Aber wenn die Übertragung abfällt, könnte dies bis zu sechs Monate dauern."
Daher würden in der Studie vor allem Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko wie etwa Mitarbeiter im Gesundheitswesen getestet. Möglicherweise, so Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie der Universität Marburg, sei es sinnvoll, Teile der Studie in Regionen auszulagern, in denen die Epidemie noch akut sei.
AZD1222 soll die Lösung sein
Der Impfstoff AZD1222 wird von der britischen Universität Oxford entwickelt und beruht auf einer abgeschwächten Version eines Erkältungsvirus von Schimpansen. Es enthält genetisches Material eines Oberflächenproteins, mit dem das Virus SARS-CoV-2 an menschliche Zellen andockt.
Die Impfung soll das Immunsystem auf Trab bringen, damit es den Erreger im Falle einer Infektion unschädlich machen kann.
Becker, der selbst einen ähnlichen Impfstoff erforscht, meint: "Die bisherigen Daten zeigen, dass AZD1222 eine Immunantwort auslöst. Ob der Impfstoff tatsächlich vor SARS-CoV-2 schützt, kann man noch nicht genau sagen."
Der Haken: Impfstoff funktioniert möglicherweise nicht
Eine Sprecherin von AstraZeneca betonte am Samstag, dass es bei der Entwicklung noch Rückschläge geben könnte: "AstraZeneca ist sich bewusst, dass der Impfstoff möglicherweise nicht funktioniert, hat sich jedoch trotz dieses Risikos verpflichtet, das klinische Programm sowie die Herstellung zügig voranzutreiben."
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es weltweit schon mehr als hundert Projekte zur Entwicklung eines Corona-Impfstoffes. Die vielen Forschungsprojekte nähren die Hoffnung, dass die Pandemie bald mit einer Impfung gebremst werden könnte. (awa/afp/dpa)
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