- Der Lockdown hat den österreichischen Wintertourismus zum Erliegen gebracht.
- Die Gefahr einer Infektion ist zu gross.
- Doch findige Unternehmer umgehen die Regeln und werben mit Urlaub ohne Mundschutz. Droht ein neues Ischgl?
Wer sich als Testperson in den Dienst der Wissenschaft stellt, muss dafür in der Regel nichts zahlen. Manche Institute vergüten sogar die Zeit, die ihre Studienobjekte zur Verfügung stellen. Dass man als Teilnehmerin oder Teilnehmer Geld zahlen muss, ist eher unüblich.
So wie bei dem Gesundheitspflege-Forschungsprojekt "Aktiv sein & Alpenluft schnuppern" in Vorarlberg. Wer hier mitmachen möchte, muss tief ins Portemonnaie greifen: 760 Euro für vier Tage. Dafür schläft man in einem geräumigen Doppelzimmer mit Balkon und Blick auf die Skipiste.
Im Prinzip ist das der Preis von vier Übernachtungen in einem gehobenen Vorarlberger Alpenhotel. Aber das ist in Zeiten von Corona ja nicht möglich. Denn die österreichische Bundesregierung hat einen Lockdown verhängt. Hotelübernachtungen sind aufgrund der Ansteckungsgefahr nur in dringenden geschäftlichen Ausnahmesituationen möglich. Der klassische Wintertourismus ist untersagt.
Hotelübernachtung im Dienste der Wissenschaft
Aber das Vorarlberger "Almhotel Hochhäderich" hat gemeinsam mit dem "Gesundheitsinstitut Alpenarena" einen findigen Weg gefunden, um seine Dienstleistungen trotzdem anzubieten. Wer für 20 Euro pro Jahr Mitglied der örtlichen "Sportakademie" wird, kann "Forschungsnächte" in einem Nobelhotel buchen – sozusagen im Dienste der Wissenschaft.
Es gehe darum, "die Eigenverantwortung zu fördern und herauszufinden, wie glaubwürdig und sinnvoll die Massnahmen der Behörden seien", heisst es auf der Website des Hotels, das nun ein "Vereinshaus" sein will.
Die zahlenden Teilnehmer können sich frei bewegen, weitgehend ohne Einschränkungen: "Wer Mitglied eines der beiden Vereine ist und beim Projekt mitmacht, muss im ganzen Vereinshaus keine Maske tragen."
Auch die Pisten ausserhalb des Hotels stehen den Vereinsmitgliedern zur Verfügung. Denn für den österreichischen Nationalsport Skifahren hat die Regierung in Wien eine Lockdown-Ausnahme gemacht. Die meisten Lifte bleiben trotz Corona in Betrieb.
Erinnerungen an Corona-Hotspot Ischgl werden wach
Die Causa Hochhäderich sorgt nun im Tourismusland Österreich für Diskussion. Denn man war bereits im Frühjahr 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie in die internationalen Schlagzeilen geraten.
Damals blieben im Tiroler Wintersport Ischgl trotz zahlreicher Warnungen Pisten und Après-Ski-Bars geöffnet. Ischgl wurde zu einem europäischen Corona-Hotspot, hunderte Touristen infizierten sich und verteilten das Virus in ganz Europa. Das zögerliche Durchgreifen der Behörden machte Tirol zu einem der grössten Infektionsherde des Kontinents.
Wiederholt sich die Geschichte nun? Die Regierung ist jedenfalls alarmiert. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte ein hartes Vorgehen an: "Niemand hat Verständnis dafür, wenn einzelne Unternehmer auf dem Rücken tausender anderer Betriebe die strengen Regeln des Lockdowns nicht einhalten wollen", erklärte er am Donnerstag.
Gegen die Betreiber seien zahlreiche Verwaltungsstrafverfahren anhängig, es habe schon Kontrollen der Finanzpolizei gegeben.
Hochhäderich ist kein Einzelfall
Hochhäderich scheint allerdings kein Einzelfall zu sein. Das ergeben Recherchen des ORF Tirol. Demnach war es problemlos möglich, auf verschiedenen Onlineplattformen Hotelzimmer für einen Urlaub zu buchen.
Die Redaktion kontaktierte insgesamt acht Hotels: In drei Fällen war das ohne Rückfrage möglich, vier Hotelbetreiber verlangten "etwas Schriftliches", um eine Buchung vornehmen zu können.
Nur ein einziges Hotel lehnte die Buchung ab. Und das obwohl die Sanktionen für illegale Beherbergungen saftig sind: Betriebe riskieren eine Strafe von bis zu 30.000 Euro, Gäste können von den österreichischen Behörden mit bis zu 1.450 Euro bestraft werden.
Die Vereinigung der österreichischen Hotelbetreiber distanziert sich von solchen Geschäftsmodellen, insbesondere jenem in Hochhäderich. "So etwas geht aus unserer Sicht gar nicht. Wir sind dafür, dass Regeln eingehalten werden", sagt Oliver Schenk, Sprecher der Hoteliersvereinigung im Gespräch mit unserer Redaktion. "Das wirft ein sehr schlechtes Bild auf unserer Branche, wir distanzieren uns davon", sagt er.
Doch auch wenn die Behörden ein hartes Durchgreifen angekündigt haben: Noch sind die Webseiten online: Das Gesundheitspflege-Forschungsprojekt "Aktiv sein & Alpenluft schnuppern" wirbt weiterhin um finanzkräftige Teilnehmer an ihrer Studie.
Telefonisch waren die Betreiber auf eine Anfrage der Redaktion bisher nicht erreichbar. Stattdessen wirbt am anderen Ende der Leitung eine Tonbandstimme mit "kulinarischen Gaumenfreuden" im "modernen Familienhotel". Von einem Forschungsprojekt ist jedenfalls keine Rede.
Verwendete Quellen:
- Telefoninterview mit dem Sprecher der Österreichischen Hoteliersvereinigung
- Neue Zürcher Zeitung: "In einem österreichischen Skiort infizierten sich Hunderte von Gästen aus ganz Europa mit dem Coronavirus"
- ORF Tirol: "Hotelbuchung im Lockdown: Politik verärgert"
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