Im NDR-Podcast "Coronavirus-Update" spricht Christian Drosten über die Bedeutung der Nase bei der Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der Erkrankung an COVID-19. Ausserdem erläutert der Virologe, wie das Virus mutieren könnte und warum das auch Hoffnung machen kann.

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Man sieht sie immer wieder: Menschen, die zwar einen Mund-Nasen-Schutz tragen, aber die Maske lediglich über den Mund geschoben haben, während die Nase darüber hinausschaut. Dass das nicht der Sinn einer Maske ist, besagt schon der Name Mund-Nasen-Schutz.

Gerade in der aktuellen Phase der Corona-Pandemie könnte das ein verhängnisvoller Fehler sein, wie am Dienstag in der neuesten Ausgabe des NDR-Podcasts "Coronavirus-Update" mit Virologe Christian Drosten besprochen wurde.

Denn die Nase rückt immer mehr in den Fokus der Wissenschaftler, sowohl was die Rolle des Riechorgans bei der Ansteckung, als auch bei der Verbreitung von SARS-CoV-2 angeht. Mit der Wissenschaftsjournalistin Korinna Hennig ging Drosten am Dienstag eine Studie durch, für die - stark vereinfacht gesagt - Gewebeproben mit SARS-CoV-2 in Verbindung gebracht wurden.

Die Nase als gutes Zielorgan

Dabei zeigte sich, dass sich das Coronavirus SARS-CoV-2 sehr gut in den Gewebeproben aus der Nase vermehrte. "Die Nase ist also anscheinend ein sehr gutes Zielorgan für das SARS-2-Virus", sagte Drosten.

"Dieses Raushängenlassen der Nase aus dem Mund-Nasen-Schutz ist natürlich nicht gut, das soll man nicht machen. Dafür brauchen wir diese Studie auch nicht unbedingt", erklärte der Virologe und konnte sich dabei ein Schmunzeln nicht verkneifen: "Denn egal, ob jetzt das Virus ganz tief aus der Lunge kommt oder aus dem Hals oder aus der Nase: Es ist nicht gut, wenn die Nase frei liegt. Denn der Mund-Nasen-Schutz soll alles abfangen, was man ausatmet."

Da die Studienergebnisse darauf hindeuten, dass sich das Virus in der Nase besonders gut replizieren kann, scheint also die aus der Nase ausgeatmete Luft bei der Übertragung der Krankheit eine grössere Rolle zu spielen. "Ich denke schon, dass beim Ausatmen aus der Nase ordentlich Virus ausgeschieden wird", fasste der Viren-Experte zusammen.

COVID-19-Medikamente als Nasenspray?

Die Nase könnte also bei der Verbreitung von SARS-CoV-2 eine grössere Rolle spielen, aber auch bei der Behandlung von COVID-19. Substanzen, die ihre Wirksamkeit gegen die Vervielfältigung des Virus im Körper bereits nachgewiesen haben, wie etwa Remdesivir, könnten theoretisch bereits in einer frühen Phase der Erkrankung über die Nase zugeführt werden.

"Es ist lohnenswert zu überlegen, inhalative Wege der Therapie, später vielleicht sogar der Impfung zu gehen", erklärte Drosten. Ein Nasenspray wäre beispielsweise denkbar, oder ein Inhalator für die Lunge. Der Vorteil: Die Substanz könnte direkt dort wirken, wo sich das Virus ausbreitet und müsste nicht den Umweg über das Blut oder den Darm in das betroffene Gewebe nehmen. "Pharmafirmen arbeiten da gerade dran, das umzuformulieren", berichtete der Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité.

Einen solchen Ansatz für Medikamente bezeichnete Drosten als "tatsächlich vielversprechend".

Mutationen können auch ein Hoffnungsschimmer sein

Im weiteren Verlauf des Podcasts äusserte sich der Virologie ausführlich zu möglichen Mutationen des Virus. "Eine phänotypische Veränderung, die dabei entstehen könnte, wäre, dass das Virus noch besser in der Nase repliziert und besser übertragen wird, aber in der Nase werden wir nicht allzu krank davon. Das heisst, das Ganze wird auf lange Sicht zu einem Schnupfen, der sich für die Lunge gar nicht mehr interessiert. So etwas könnte passieren", nannte Drosten eine der Optionen.

Möglich wäre aber auch, dass es in Zukunft zu schwereren Erkrankungen kommt. Aus Sicht des Virus wäre ein harmloser Verlauf aber von Vorteil, da leicht erkrankte Patienten in der Regel mehr andere Menschen anstecken und zur Verbreitung und somit auch zum Überleben des Virus beitragen. "Ich glaube, dass das einer der Treiber ist, der erfahrungsgemäss dazu führt, dass Virus-Epidemien über die Zeit harmloser werden", sagte Drosten.

Sollte dieser Effekt auch bei SARS-CoV-2 eintreten, wäre das in Verbindung mit der wachsenden Populationsimmunität ein weiterer Hoffnungsschimmer. "Wie wir es drehen und wenden, das Virus wird in jedem Fall harmloser werden. Schon alleine durch die Bevölkerungsimmunität. Aber vielleicht spielt auch die Evolution noch eine Rolle dabei", hoffte Drosten.

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Über den Experten: Professor Dr. Christian Drosten ist Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité und einer der führenden Virus-Forscher Deutschlands. Der 48-Jährige gilt als Mitentdecker des SARS-Virus. Unmittelbar nach dem Ausbruch SARS-Pandemie 2003 entwickelte er einen Test auf das neu entdeckte Virus, wofür er 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. In der aktuellen Coronakrise ist der gebürtige Emsländer ein gefragter Gesprächspartner, im "Coronavirus Update" gibt er zweimal die Woche Auskunft zur aktuellen Lage.
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