- Virologe Christian Drosten hat bei der Herkunft des Coronavirus einen klaren Verdacht.
- Unter den bestehenden Hypothesen zur Quelle des Virus sieht er den Weg über Chinas Pelzindustrie als die plausibelste.
Der Berliner Virologe
In den Jahren 2002 und 2003 hatte eine von China ausgehende Infektionswelle weltweit zu etwa 800 Todesopfern geführt. Die Erkrankung wurde Schweres Akutes Atemwegssyndrom (SARS) genannt. Der Ende 2019 erstmals nachgewiesene Erreger SARS-CoV-2 ist mit dem damaligen Virus sehr eng verwandt.
Beim ersten SARS-Virus seien die Übergangswirte Marderhunde und Schleichkatzen gewesen, sagte Drosten. "Das ist gesichert." In China würden Marderhunde nach wie vor in grossem Stil in der Pelzindustrie verwendet. Dabei würden immer wieder auch wilde Marderhunde in die Zuchtbetriebe gebracht, die zuvor Fledermäuse - die als wahrscheinlichster Ursprung von SARS-CoV-2 gelten - gefressen haben können.
Übertragung vom Tier auf den Menschen durch Aerosole
"Marderhunden und Schleichkatzen wird lebendig das Fell über die Ohren gezogen", erklärte der Charité-Virologe. Die stossen Todesschreie aus und brüllen, und dabei kommen Aerosole zustande. Dabei kann sich dann der Mensch mit dem Virus anstecken."
Für ihn sei überraschend gewesen, dass diese Zucht überhaupt noch einmal als möglicher Ausgangspunkt einer Pandemie infrage kommen würde - bis vor kurzem habe er "in der naiven Vorstellung" gelebt, dass Schleichkatzen und Marderhunde als bekannte potenzielle Übergangswirte inzwischen kontrolliert würden. "Für mich war das eine abgeschlossene Geschichte. Ich dachte, dass diese Art von Tierhandel unterbunden worden sei und dass das nie wieder kommen würde. Und jetzt ist Sars zurückgekommen."
Konkrete Hinweise, dass der Übergang auf den Menschen über Pelztierfarmen ablief, gebe es nicht - es gebe überhaupt keine Studien in diesem Bereich, zumindest seien keine öffentlich geworden. Darum sei vollkommen unklar, ob Marderhunde in chinesischen Farmen oder auch andere Karnivoren in solchen Zuchten - etwa Nerze - SARS-CoV-2 tragen. "2003 und 2004 gab es grosse Studien, die in China gemacht wurden und die für SARS-1 die Verbindung zu Marderhunden und Schleichkatzen belegten." Diesmal sei das - zumindest bisher - offenbar nicht passiert.
Coronavirus-Entstehung in Labor laut Drosten unwahrscheinlich
Jetzt dort noch genauer hinzusehen, habe möglicherweise keinen Sinn: "Was man sich natürlich klarmachen muss: Wenn man jetzt solche Bestände untersuchen würde, würde man vielleicht nicht mehr das Virus finden, das da - möglicherweise - vor anderthalb oder zwei Jahren gewesen ist. Wenn zwischendurch gekeult wurde. Oder wenn sich das Virus auf eine andere Art totgelaufen hat.»
Zu der These, das Virus sei versehentlich oder absichtlich in einem Labor erzeugt worden, sagte Drosten, dies liege zwar rein technisch betrachtet im Rahmen des Möglichen, aber: "Wenn jemand auf diese Weise SARS-2 entwickelt hätte, dann würde ich sagen, der hat das ziemlich umständlich gemacht." Mit dem ersten SARS-Virus als Grundlage hätte man zu Forschungszwecken am ehesten nur ganz bestimmte Bereiche verändert - SARS-CoV-2 aber sei voller Abweichungen zum ersten Virus.
"Lassen Sie es mich mit einem Bild erklären: Um etwa zu überprüfen, ob Anpassungen das Virus ansteckender machen, würde ich ein bestehendes System nehmen, da die Änderung einbauen und das dann vergleichen mit dem alten System", erklärte der Virologe. "Wenn ich wissen will, ob ein neues Autoradio den Klang verbessert, dann nehme ich ein bestehendes Auto und tausche da das Radio aus. Dann vergleiche ich. Ich baue dafür nicht ein komplett neues Auto. Genau so war das aber bei SARS-2: Das ganze Auto ist anders."
Darum sei die Idee eines Forschungsunfalls für ihn "ausgesprochen unwahrscheinlich". Zur Idee eines böswilligen Einsatzes irgendeines Geheimdienstlabors müsse man letztlich Geheimdienste fragen: "Wenn überhaupt, dann käme so etwas wohl nicht aus dem Wuhan-Virologie-Institut. Das ist ein seriöses akademisches Institut." (dpa/lh)
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