- Je schlechter es mit der Corona-Impfkampagne läuft, desto mehr Finger zeigen auf Brüssel.
- EU-Kommissionschefin von der Leyen muss sich Kritik anhören.
- Die Gründe für die Verzögerungen sind vielfältig
Markus Söder konnte sich den Seitenhieb nicht verkneifen. Es sei gut, sagte der CSU-Chef am Montagabend nach dem Corona-"Impfgipfel", dass
Zu wenig Impfstoff, zu spät bestellt, zu schlecht verhandelt, zu sehr geknausert - nicht nur
Und jetzt leistete sich die Kommission auch noch eine schwere Panne bei der hektisch aufgelegten Impfstoff-Exportbremse. Läuft also etwas grundsätzlich schief bei der Pandemiebekämpfung in der EU? Stünde Deutschland allein besser da? Und hat es
Von der Leyen: "Wir sind gut vorangekommen"
Die Kommissionschefin wirkte fahrig, als sie am Sonntagabend im ZDF ihre Linie verteidigen sollte. 18 Millionen Impfdosen seien bereits an die EU geliefert worden und zwölf Millionen der 450 Millionen EU-Bürger geimpft, sagte sie. Das sei "eine stattliche Zahl". Nur hatte da allein Grossbritannien schon etwa neun von knapp 67 Millionen Einwohnern geimpft.
"Wir sind gut vorangekommen", beharrte von der Leyen. Im Februar und März werde es nochmal schwierig. Aber im zweiten Quartal werde es dann deutlich mehr Impfstoff geben. EU-Ziel sei, bis Ende des Sommers 70 Prozent der Erwachsenen zu impfen. "Wenn wir das geschafft haben, dann ist das eine gewaltige Leistung", sagte die Kommissionschefin.
Tatsächlich ist dieses Ziel gar nicht so abwegig, wie es derzeit klingt. Zumindest der Impfstoff dürfte irgendwann reichen. Es gibt 380 Millionen Erwachsene in den 27 EU-Staaten, 70 Prozent wären 266 Millionen. Bei zwei Impfdosen pro Person bräuchte man dafür 532 Millionen Einheiten. Allein im ersten und zweiten Quartal erwartet die Kommission zusammen mehr als 400 Millionen Dosen. Und das nur von den bereits zugelassenen Impfstoffen von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca.
Zwei weitere Impfstoff-Hersteller stehen in den Startlöchern
Zwei weitere Hersteller - Johnson&Johnson und Novavax - stehen in den Startlöchern und könnten eine EU-Zulassung bekommen. Dem in Deutschland gerne wiederholten Argument, man hätte mehr von Biontech/Pfizer und Moderna bestellen sollen, hält die EU-Kommission entgegen: Damit wäre die Produktion jetzt auch nicht grösser. Man hätte nur später mehr, wenn ohnehin kein Mangel mehr herrsche.
Der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange sieht das nicht ganz so. Er wies am Montag im WDR darauf hin, dass Impfweltmeister Israel sich eben bewusst anders entschieden habe: Das Land habe voll auf Biontech/Pfizer gesetzt und auch tiefer in die Tasche gegriffen. Statt zwölf Euro pro Dosis habe Israel 20 Euro bezahlt.
Beides habe sich "inzwischen als die bessere Strategie erwiesen", meinte Lange. Im Zweifel hätte man von jedem Impfstoff ausreichende Mengen bestellen können. Zusätzliche Milliardenkosten wären billiger als der Lockdown, rechnet auch das Münchner Ifo-Institut vor.
Noch einen Kritikpunkt muss sich die EU-Kommission anhören: Die Impfstoffverträge seien zu spät abgeschlossen worden. So begründete der Pharmakonzern Astrazeneca eine Lieferkürzung für die EU im ersten Quartal zum Teil damit, dass Grossbritannien mit dem Vertrag früher dran war. Doch unterschrieb auch die EU immerhin schon im August, lange vor der Zulassung. Und das Unternehmen war offenbar sicher, die Vertragspflichten erfüllen zu können.
EU liess sich bei Impfstoff-Zulassung mehr Zeit
Später dran war die EU tatsächlich mit der Zulassung der Vakzine. Zuerst Biontech/Pfizer am 21. Dezember - drei Wochen nach Grossbritannien. Bei Astrazeneca liess sich die EU sogar vier Wochen mehr Zeit.
Die EU-Strategie lautet: Marktzulassung statt Notfallzulassung, um so die Herstellerhaftung zu klären und mit gründlicher Prüfung auch Impfskeptiker von der Sicherheit und Wirksamkeit zu überzeugen.
Kanzlerin Merkel sieht dafür gute Gründe. "Es geht hier nämlich auch um Vertrauen", sagte die CDU-Politikerin am Montagabend. Auch von der Leyen meint: "Diese drei, vier Wochen muss man sich dann Zeit nehmen." Nur bedeutet der späte Impfstart jetzt eben nicht nur viel Konkurrenz um wenig Impfstoff, sondern auch ein Wettrennen gegen die Zeit wegen der Ausbreitung neuer Virusvarianten.
Vorige Woche kam für von der Leyen und ihre Kommission alles zusammen - Hiobsbotschaften der Hersteller, Frust der pandemiemüden Bürger, Kritik der Mitgliedsstaaten.
Von der Leyen muss erneut verbale Prügel einstecken
Und dann auch noch die Aufregung über die von der EU-Kommission eingeführten Auflagen für Impfstoffexporte. Kurz sah es so aus, als könnte diese Exportbremse zu Kontrollen an der Grenze zwischen Irland und Nordirland führen - eine Horrorvision nach dem britischen EU-Austritt. Nach wütendem Protest aus Irland und Grossbritannien musste von der Leyen die gefürchtete Klausel korrigieren - und nochmals verbale Prügel einstecken.
Ob das die schlimmste Woche der Präsidentin gewesen sei, wurde die Kommission am Montag gefragt. "Wir glauben, dass wir seit Beginn der Pandemie genau auf der richtigen Linie waren, um eine so stringente und wirksame europäische Antwort wie möglich zu geben", behauptete Sprecher Eric Mamer tapfer.
Man arbeite unter Volldampf, da könnten Fehler passieren. Wichtig sei, sie rasch zu entdecken und zu korrigieren. Unfehlbar sei nur der Papst. (dpa/lh)
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