Im Tönnies-Werk im Kreis Gütersloh hat es einen Corona-Ausbruch gegeben. 1.550 der etwa 7.000 Beschäftigten wurden positiv auf das Virus getestet. Ein Team um den Bonner Infektiologe Martin Exner hat sich den Schlachthof angeschaut – und dabei einen gänzlich neuen Risikofaktor ausgemacht.
Das Werk des Fleischverarbeiters Tönnies im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück ist der Ausgangspunkt eines massiven Coronavirus-Ausbruchs. Im gesamten Kreis Gütersloh hat es bis Mittwoch mehr als 2.000 positive Befunde gegeben, der Grossteil der Infizierten arbeitete in dem Schlachtbetrieb.
Im Auftrag des örtlichen Kreisgesundheitsamtes hat sich der Hygeniker und Infektiologe Martin Exner die Verhältnisse in dem Unternehmen angeschaut. Exner ist Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit und Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Infektiologie und Infektionsschutz der Universität Bonn.
"Epidemiologisch war bekannt, dass in bestimmten Bereichen des Betriebes, hauptsächlich im Zerlegebereich, die Rate an Infektionen besonders hoch war", erklärte Exner auf einer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag. Aus diesem Grund hätten er und sein Team sich "intensiv" mit diesem Bereich des Werkes befasst – und dabei einen gänzlich neuen Risikofaktor ausgemacht.
Exner: "Luft zirkuliert ohne aufbereitet zu werden"
Neben zu geringen Abständen seien Exner zufolge auch technische Gegebenheiten Grund für den Corona-Massenausbruch gewesen. Im Zerlegebereich müssten die Mitarbeiter körperlich stark arbeiten, wobei wegen der verarbeiteten Lebensmittel die Temperatur in den Räumlichkeiten heruntergesetzt und die Luft getrocknet wird.
"Die Raumluft im Zerlegebereich wird heruntergefahren auf sechs bis zehn Grad", bemerkte Exner. Das Problem: Die Luft werde immer wieder aus dem Raum in ein Kühlsystem gebracht und zurückgegeben – sie "zirkuliert ohne aufbereitet zu werden". Arbeitet dort ein infizierter Mitarbeiter, kann die Umluft Aerosol mit dem Virus enthalten. Das sei ein weiterer, "bislang übersehener Risikofaktor", betonte Exner.
Er präsentierte zugleich Lösungen: Neben den klassischen Massnahmen – Abstandswahrung, Tragen von Mundschutz oder regelmässige Untersuchungen der Mitarbeiter – seien ihm zufolge technische Systeme notwendig. Zum einen könnten Hochleistungsfilter eingesetzt werden. Diese bereiten die Luft thermisch auf und werden etwa in OP-Sälen verwendet. Zum anderen könne man die Luft mit Hilfe von UV-Licht behandeln.
Fakt sei, erläuterte Exner, dieser Faktor sei bislang "nicht reguliert" gewesen. "Bisher war das überhaupt nicht als Problem angesehen worden", sagte Exner. Er erwarte nun, dass dies in den kommenden Monaten ein zentraler Diskussionspunkt werde, da er alle Schlachthöfe betreffe.
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(mf)
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