• Karl Lauterbach ist das Corona-Gewissen der Nation.
  • Der SPD-Politiker ist omnipräsent in den Talk-Shows auf allen Kanälen. Dadurch hat er sich gleichermassen Respekt wie Ablehnung erarbeitet.
  • Wie tickt Lauterbach? Was treibt ihn an? Ein Porträt.

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Von Ex-Aussenminister Hans-Dietrich Genscher gab es eine berühmte Anekdote: "Treffen sich zwei Flugzeuge über dem Atlantik. In beiden sitzt Genscher." Der Witz lässt sich – leicht abgewandelt – auf Karl Lauterbach münzen. Denn sind wir ehrlich: Würde man sich noch wundern, Lauterbach in zwei Live-Shows gleichzeitig zu sehen?

Von "Anne Will" bis "Maybrit Illner", von "Maischberger" bis "Hart aber fair" – seit Beginn der Pandemie verzichtet kaum eine Talk-Show auf die Expertise Karl Lauterbachs. Bei Markus Lanz ist er regelmässig zu Gast. Dazu kommen Streamingformate, Podcasts und sogar Auftritte in der "heute-show".

Dass der SPD-Politiker so oft eingeladen wird, ist kein Zufall. Er ist der perfekte Erklärer der Coronakrise. Denn Lauterbach verbindet Fachwissen mit Medienerfahrung. Er ist nicht nur Bundestagsabgeordneter, sondern auch Gesundheitsökonom und Professor. Und vor allem ist er ein Freund der klaren Worte.

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Karl Lauterbach: Studienjunkie und unermüdlicher Warner

Dabei scheut er sich nicht, auch unangenehme Wahrheiten zu äussern. Während sich fast ganz Deutschland im Sommer in trügerischer Ruhe wähnte, warnte Lauterbach unermüdlich vor einer zweiten Welle. Panikmache warfen ihm die einen vor, Alarmismus die anderen. Am Ende behielt Lauterbach recht.

Das mag auch daran liegen, dass der Gesundheitsexperte Fachliteratur geradezu verschlingt. Als "Studienjunkie", bezeichnet er sich in Gregor Gysis Gesprächsreihe "Missverstehen Sie mich richtig!". Und auch mit der praktischen Medizin kenne er sich ausreichend aus, "um auch den versierten Kollegen immer wieder ins Handwerk zu pfuschen und Ratschläge zu geben", ergänzt er mit leiser Selbstironie.

Schon vor Jahren hatte sich Lauterbach durch seine Dauerpräsenz den Spitznamen "Karlchen Überall" verdient. "Ein mieser Lobbyist hat das damals geschrieben", erklärt er in Gysis Show. Er sagt das mit einem Augenzwinkern. Und doch hat man das Gefühl, da schwingt auch ein wenig echte Wut auf den Urheber des Begriffs mit.

Von Corona bis Rente – Karl Lauterbach mischt sich gerne ein

Lauterbach kann halt nicht anders. "Ich äussere mich bei Gesundheit, Rente und Fragen der sozialen Gerechtigkeit zu vielen Themen", gibt er zu. "Das lässt sich natürlich leicht diffamieren, nach dem Motto der mischt sich in alles ein."

Allerdings kommen Lauterbachs Solo-Einlagen selbst in den eigenen Reihen nicht immer gut an. Denn seine Auftritte spricht er nicht mit seiner Fraktion ab. Auch dürfte Lauterbachs alarmierte Grundtonart all jenen missfallen, die besorgt auf die Umfragewerte der SPD blicken.

Zumal zu Lauterbachs Repertoire auch kontroverse Aussagen gehören. Im Oktober hatte er mit seiner Forderung für Aufsehen gesorgt, die Unverletzbarkeit der Wohnung dürfe kein Argument mehr für ausbleibende Kontrollen sein.

Der Satz war aus dem Zusammenhang gerissen, die Aussage bezog sich auf ganz normale Kontrollen. Doch das verzerrte Zitat zog übelste Beschimpfungen in den sozialen Medien und sogar Morddrohungen nach sich, die Lauterbach auf Twitter publik machte.

Kritik an Karl Lauterbach berechtigt?

Lauterbach eckt an. Und man hat den Eindruck, er tut es gerne. Weil er schon immer der etwas andere Politiker war. Er lebte zehn Jahre in den USA, studierte in Harvard. Dort hat er auch heute noch eine Gastprofessur inne. Sein Amt als Leiter des Instituts für klinische Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der Uniklinik in Köln ruht dagegen, solange Lauterbach politisch aktiv ist.

Kurios: Lauterbach war ursprünglich in der CDU. Erst 2001 trat er in die SPD ein. Bis 2013 war er Sprecher der Arbeitsgruppe Gesundheit, bis 2019 stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, zuständig für Gesundheit, Bildung und Forschung. Höhere Weihen, gar ein Ministeramt waren ihm bisher nicht vergönnt.

Dass er nun als wissenschaftliche Instanz wahrgenommen wird, kritisiert der Arzt und Autor Gunter Frank. Im Politblog "Achse des Guten" hinterfragt er die Doktorarbeit des SPD-Manns. Die sei von der Universität in Harvard über Jahrzehnte unter Verschluss gehalten worden. Die Arbeit habe zudem ein philosophisches Thema – im Fachbereich Medizin wohlgemerkt.

Karl Lauterbach könnte ein Gewinner der Corona-Pandemie sein

Auch Lauterbachs Ex-Frau Angela Spelsberg schoss einst scharf. Es gehe ihrem Ex-Mann nur um Geld und Karriere, behauptete sie bereits 2013 in einem Interview mit dem Magazin "Bunte".

Karl Lauterbach dürfte es nicht kümmern. Noch im September 2019 war er krachend im Rennen um den SPD-Vorsitz gescheitert. Nun ist er zum obersten Corona-Erklärer der Republik aufgestiegen. Seine Präsenz könnte ihm auch politisch zu neuem Schwung verhelfen.

Damit wäre er ein grosser Gewinner der Pandemie, vor der er stets so eindringlich warnt.

Verwendete Quellen:

  • Zeit.de: Der Besser-Wisser
  • Missverstehen Sie mich richtig: Nervensäge und Teamplayer - Gregor Gysi & Prof. Dr. Karl Lauterbach (YouTube)
  • Karl Lauterbach (SPD) – Jung & Naiv: Folge 483 (YouTube)
  • Achse des Guten: Bericht zur Coronalage 16.6.2020: Der seltsame Professor
  • Twitteraccount von Karl Lauterbach


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