- Der Grossteil der produzierten Corona-Impfstoffe ist in wohlhabenden Ländern gelandet, ärmere Staaten werden nur zu einem Bruchteil mit Impfstoffen versorgt.
- Die begrenzte Haltbarkeit und die abgenommene Impfbereitschaft in westlichen Ländern führen dazu, dass dort Millionen Impfdosen weggeworfen werden müssen.
- Gespendete Impfdosen in Entwicklungsländern schnell zu verabreichen, stellt die Systeme in den jeweiligen Ländern vor Herausforderungen.
Erst waren es zu wenig, jetzt haben wir zu viel: In Deutschland und auch anderen Ländern bleiben viele Impfstoffdosen liegen. Zweifel an der Sicherheit der Impfstoffe und die Angst vor Nebenwirkungen haben zu einer sinkenden Nachfrage geführt.
Gleichzeit müssen die Länder aber trotzdem ausreichend Impfstoff für Impfwillige bereithalten. Grosses Problem ist die Haltbarkeit der bereits eingekauften Impfstoffe, denn die ist begrenzt.
Sowohl die Astrazeneca-, als auch die Biontech-Dosen haben eine Haltbarkeit von sechs Monaten. Werden sie in den nächsten Wochen nicht verabreicht, landen sie im Müll.
Haltbarkeit der Impfdosen läuft ab
Eine globale Dokumentation zu noch haltbaren, ungenutzten oder abgelaufenen Impfdosen gibt es zwar nicht, die Daten einzelner Ländern und internationale Schätzungen sind aber erschreckend. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnten bis Ende August 2021 weltweit mehr als eine Million Astrazeneca-Dosen unbrauchbar geworden sein, weil ihre Haltbarkeit abgelaufen ist.
Im US-Bundesstaat Georgia sollen laut Angaben des staatlichen Gesundheitsministeriums in diesem Jahr bereits knapp 700.000 Dosen an Corona-Impfstoffen weggeworfen worden sein. In einem Artikel der "Washington Post" warnen Experten davor, dass in den USA bald Impfdosen verfallen, mit denen 13 Millionen Menschen geimpft werden könnten.
In Deutschland bleibt momentan etwa jeder zehnte Impfstoff in den Praxen liegen. Das ergab eine Umfrage des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland. Man geht davon aus, dass konkret 1,1 Millionen Dosen Astrazeneca, 400.000 Dosen Johnson & Johnson und etwa 1,7 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs bald nicht mehr nutzbar sind.
Insgesamt könnten 50 Prozent der in den Arztpraxen lagernden COVID-19-Impfstoffe verfallen. Hauptgrund für die Impfzurückhaltung in der Bevölkerung sind Zweifel an der Sicherheit der Impfstoffe, aber auch eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung der Patientinnen und Patienten führen zum Impfrückgang, sagen die an der Umfrage teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte.
Wohlhabende Länder horten Impfstoffe
Ein internationales System zu etablieren, anhand dessen die Impfstoffe weltweit fair verteilt werden, ist bisher nicht ideal gelungen. Die Initiative "Covax", die unter der Führung der WHO entstanden ist, hatte sich das zur Aufgabe gemacht.
Fast alle Staaten sind der Initiative beigetreten, aber statt Impfstoffe über Kaufverbünde einzukaufen, verhandelten viele reiche Länder direkt mit den Herstellern, um sich möglichst grosse Mengen an Impfdosen zu sichern. Einige Länder, die genug Geld investieren konnten, sitzen nun auf riesigen Mengen an Impfdosen, die für ihr jeweiliges Land gar nicht nötig sind.
Von aktuell weltweit etwa 5,2 Milliarden (Stand: 30.08.2021) verabreichten Impfdosen fällt der Grossteil auf wohlhabende Staaten. Gerade in ärmeren Ländern mit schlechtem Gesundheitssystem wurden bisher nur wenige Menschen gegen COVID-19 geimpft.
In Afrika und Mittelamerika ist die Impfquote in vielen Ländern mit unter 5 Prozent sehr gering. "Covax" lieferte bisher gute 218 Millionen Impfdosen an 138 bedürftige Länder (Stand 20. August 2021), längst nicht ausreichend, um bessere Impfquoten zu erreichen.
Impfstoffe weltweit gerechter zu verteilen, würde dazu beitragen, die Pandemie schneller eindämmen zu können und das Risiko weiterer Mutation zu verringern, sagen Experten.
Bürokratie erschwert Weitergabe von Impfstoffen ans Ausland
Rechtliche und logistische Probleme verzögern oder verhindern die Verteilung ungenutzter Impfstoffe an Länder, die auf Spenden warten. Die Arztpraxen in Deutschland können zum Beispiel im Gegensatz zu den Impfzentren keine noch haltbaren, aber ungenutzten Impfdosen an den Bund zurückgeben.
Auch enthalten die Kaufverträge mit den Herstellern häufig Klauseln, die es nicht erlauben, überflüssigen Impfstoff ins Ausland weiterzugeben. Die Weitergabe noch brauchbarer Impfstoffe ist also nicht einfach, scheint aber trotzdem nicht unmöglich zu sein.
Deutschland spendet Impfstoffe
Immer mehr Länder setzen sich mittlerweile für eine faire Verteilung der Impfstoffe ein und versuchen, mögliche Vertragsklauseln zu umgehen. Deutschland kündigte an, die Pandemiebekämpfung weltweit mit 2,2 Milliarden Euro zu unterstützen. Aufgrund der Deckung des Impfstoffbedarfs in Deutschland stellt die Bundesregierung nun Schwellen- und Entwicklungsländern Impfstoffspenden zur Verfügung.
Bis Ende des Jahres sollen diese Länder mindestens 30 Millionen Dosen erreichen, die Verteilung erfolgt zum Teil über "Covax", zum Teil über andere Abkommen. Am 21. August 2021 kam bereits eine Lieferung von 1,5 Millionen Dosen in der Ukraine an.
Auch Grossbritannien hat begonnen, neun Millionen Impfstoffdosen an ärmere Länder zu spenden. Die USA wollen sogar 500 Millionen Dosen von Impfstoffen an andere Länder vergeben, sie sollen über das "Covax"-Programm verteilt werden.
Auch in Afrika müssen Dosen weggeworfen werden
Doch gerade die schnelle und effiziente Verteilung der Impfstoffe vor Ort stellt die Systeme der jeweiligen Entwicklungsländer vor grosse Herausforderungen. Auch hier spielt die begrenzte Haltbarkeit wieder eine Rolle: Denn den meisten Ländern bleiben oft nur wenige Wochen, um die gespendeten Dosen innerhalb ihres Landes zu verteilen und zu verabreichen.
Die Koordination der Lieferungen zum Beispiel innerhalb Afrikas muss deshalb gut geplant sein. Viele Lieferungen kommen aber spontan und die entsprechenden Verteilungen der Dosen in die Regionen ist dann schlecht organisiert.
Erschwerend kommt hinzu, dass gerade in Afrika Verschwörungstheorien rund um die Impfstoffe weit verbreitet sind. Die Bevölkerung also zur Impfung zu mobilisieren und Aufklärungsarbeit zu leisten, dauert - es ist also ein Wettlauf gegen die Zeit.
Bereits im Mai musste Malawi 20.000 Astrazeneca-Dosen verbrennen, weil deren Haltbarkeit abgelaufen war, im Sudan wurden sogar 59.000 abgelaufene Impfstoffdosen vernichtet.
Verwendete Quellen:
- WSB-TV Atlanta: Hundreds of thousands of expired COVID-19 vaccine doses thrown out in Georgia this year
- Washington Post: Millions of vaccines are about to expire. The U.S. might just let them go to waste.
- Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland: Rund 50 Prozent der in Arztpraxen lagernden COVID-19-Impfstoffe droht zu verfallen – "Politik sollte zügig Rahmenbedingungen für internationale Impfstoffspenden schaffen"
- Gavi: Covax Vaccine Roll-Out
- Auswärtiges Amt: Corona gemeinsam und solidarisch bekämpfen: Deutschland spendet Impfstoffe
- BBC News: Covid: UK sends nine million vaccines to vulnerable countries
- The Telegraph: 'Trojan horse': bulk of UK vaccine donations to poor countries set to expire in September
- The BMJ: Covid-19: Countries dump vaccines as demand slumps and sharing proves difficult
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