• Die Delta-Variante kann in Deutschland auf viele Menschen ohne vollen Impfschutz treffen.
  • Die Mutation besorgt die Behörden und die Kanzlerin - denn sie wird sich wohl zügig weiter ausbreiten.

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Angesichts der Ausbreitung der ansteckenderen Delta-Variante des Coronavirus in Teilen Europas hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor Rückschlägen gewarnt. "Wir dürfen jetzt das, was wir gemeinsam erreicht haben, nicht leichtfertig riskieren", sagte Merkel am Mittwoch bei ihrem letzten Auftritt bei der Regierungsbefragung im Bundestag. Den vollen Impfschutz, der für die ansteckendere Delta-Variante als nötig gilt, hat mittlerweile knapp jeder Dritte in Deutschland. Die zunächst in Indien aufgetretene Variante wird sich nach Einschätzung der EU-Gesundheitsbehörde ECDC im Laufe des Sommers deutlich in Europa ausbreiten.

"Auch wenn die dritte Welle eindrucksvoll gebrochen ist - vorbei ist die Pandemie noch nicht", sagte Merkel. "Wir bewegen uns immer noch auf dünnem Eis." Das geringe Infektionsgeschehen sei ermutigend und lasse Öffnungen zu. Es gelte aber, dabei mit Augenmass vorzugehen. So gebe es etwa in Portugal und Russland stark steigende Neuinfektionen mit der Delta-Variante. "Das sollte uns Warnung und Auftrag zugleich sein, denn auch bei uns steigt der Anteil der Delta-Mutation an den Infektionen." Merkel bedauerte, dass nicht alle europäischen Länder dieselben Reiseregeln vorsähen, etwa mit Quarantäne bei Einreise aus Virusvariantengebieten. Wenn man nun vorsichtig und aufmerksam bleibe und die vergleichsweise erträglichen Schutzregeln beachte, werde die Pandemie "ihren Schrecken verlieren und endgültig überwunden werden".

32,4 Prozent der Deutschen sind vollständig geimpft

Laut Robert Koch-Institut haben inzwischen 43 Millionen Menschen mindestens eine Impfung bekommen - 51,6 Prozent. 26,9 Millionen oder 32,4 Prozent sind vollständig geimpft. Merkel bekräftigte die Zusage, allen Bürgern bis Ende des Sommers ein Impfangebot zu machen. Wenn die Lieferungen der Hersteller gut liefen, gebe es sogar "einen kleinen Puffer". Impfzentren würden aber im Herbst weiter gebraucht. Die mobilen Impfteams, die dort oft gebildet würden, müssten dann wieder zum Einsatz kommen - etwa für Nachimpfungen in Pflegeheimen.

Die Direktorin der EU-Gesundheitsbehörde ECDC, Andrea Ammon, sagte: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Delta-Variante während des Sommers stark zirkulieren wird." Dies gelte ganz besonders für Jüngere, die nicht zu den Zielgruppen der Impfkampagnen gehörten. Dies könne ein Risiko verursachen, dass sich gefährdetere Personen anstecken und einen schwerwiegenden Krankheitsverlauf erleben oder sterben könnten, wenn sie nicht vollständig geimpft seien.

EU-Gesundheitsbehörde rechnet mit rasantem Anstieg der Delta-Variante

Den verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge sei die Delta-Variante (B.1.617.2) um 40 bis 60 Prozent übertragbarer als die zunächst in England aufgetretene Alpha-Variante (B.1.1.7), erklärte die in Stockholm ansässige Behörde. Sie rechnet damit, dass schon Anfang August 70 Prozent aller Neuinfektionen in der Europäischen Union und den mit ihr verbundenen Ländern Norwegen, Island und Liechtenstein auf Delta zurückzuführen sein werden. Ende August dürften es dann bereits 90 Prozent sein.

Vorläufige Daten zeigten, dass sich auch Menschen mit der Delta-Variante anstecken könnten, die erst eine Dosis der derzeit verfügbaren Impfstoffe erhalten hätten, erklärte Ammon. Zwei Impfdosen böten hohen Schutz gegen diese Variante und ihre Folgen.

Vor diesem Hintergrund rief die SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar Urlauber zu besonderer Wachsamkeit auf. "Gerade mit Blick auf die Sommerferien ist es extrem wichtig, darauf zu achten, dass durch Reiserückkehrende keine Infektionen eingetragen werden", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion der Deutschen Presse-Agentur. "Wir alle haben uns einen Urlaub verdient, allerdings rate ich davon ab, in Hochinzidenz- und Virusvariantengebiete zu reisen."

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus zeigte sich optimistisch, dass Schulen in Deutschland nicht erneut wegen der Corona-Pandemie schliessen müssen. Jedoch sagte er RTL/ntv auch: "Jemand, der jetzt definitive Versprechen abgibt, der wagt sich da weit aus dem Fenster raus, weil das Geschehen natürlich noch weiter dynamisch ist." Man wisse nicht, welche Virusvarianten noch auftauchten.

Drosten betont Wichtigkeit der Impfung bei Eltern von Schulkindern

Der Virologe Christian Drosten plädierte dafür, das Bewusstsein für die Bedeutung der Impfung zu stärken. "Das ist wirklich das, was wir jetzt machen müssen", sagte der Experte der Berliner Charité im Podcast "Coronavirus-Update" (NDR-Info). Er legte sich nicht fest, ob es wegen der Ausbreitung der Delta-Variante bereits im Sommer oder erst im Herbst zu einer Trendumkehr kommen könnte. Im Herbst werde die Inzidenz auf jeden Fall wieder steigen, sagte Drosten und betonte die Wichtigkeit der Impfung bei Eltern von Schulkindern.

"Wir müssen einfach schnell impfen", lautet sein Appell. Reiche dies nicht, müsse man erneut mit Kontaktbeschränkungen gegensteuern. "Aber es gibt auch gute Gründe zu denken, dass das in Deutschland nicht notwendig wird." In England, wo sich die Corona-Lage wegen der Delta-Variante wieder verschlechtert hat, sei die Inzidenz nicht so heruntergebremst gewesen wie jetzt in Deutschland.

Delta-Variante hat sich in Deutschland fast verdoppelt

In Deutschland wächst der Anteil der Delta-Variante deutlich. Er verdoppelte sich in einer Stichprobe im Vergleich zur Vorwoche fast auf nun 15,1 Prozent, wie aus einem Bericht des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Mittwochabend hervorgeht. Die Angabe bezieht sich auf die Woche vom 7. bis 13. Juni. Die Werte für die Woche zuvor wurden wegen Nachmeldungen rückwirkend von etwa sechs auf acht Prozent korrigiert. In den Daten ist damit nun in der dritten Woche in Folge eine ungefähre Verdopplung des Delta-Anteils abzulesen: von 4 auf 8 auf 15 Prozent. Dieses Tempo hatten Fachleute befürchtet. Noch dominiert die in Grossbritannien entdeckte Variante Alpha (B.1.1.7) das Infektionsgeschehen, der Anteil an den positiven Fällen in der Stichprobe ist nun jedoch nach Wochen mit Werten von um 90 Prozent auf 74 Prozent geschrumpft. (dpa/fra)

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