Kann Schutz gegen das Coronavirus so einfach sein? Derzeit scheinen Nasensprays sowohl im Handel als auch Wissenschaftlern sehr gefragt, weil sie gegen SARS-CoV-2 helfen sollen. Facharzt Ulrich Lauer vom Universitätsklinikum Tübingen ordnet den aktuellen Wissens- und Forschungsstand ein.

Ein Interview

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Die Nachfrage ist enorm, der Druck auf die Wissenschaftler steigt: Weltweit forschen sie zu Nasensprays, die Coronaviren in den Atemwegen bekämpfen sollen. Manche Sprays sollen dabei einen Schutz für Stunden, andere sogar eine Art Impfstoff bieten.

Klar ist derzeit nur: Ein wirksamer Schutz gegen SARS-CoV-2 existiert derzeit nicht. Doch die Forschungen seit bereits weit. So haben etwa Wissenschaftler der University of California in San Francisco gerade ihre Forschungsergebnisse über das Medikament AeroNabs veröffentlicht.

Der Berliner Biochemiker Peter Walter war an den Untersuchungen beteiligt ist. Er erklärte der ARD: "Der Name ist entstanden, weil wir Moleküle zu einem Aerosol gemacht haben und einen Nebel herstellen konnten. Wird dieser eingeatmet, gelangt er tief in die Lunge. Dort kann er das Virus angreifen, bevor dieses in die Körperzellen eindringt."

Das Produkt könne ihm zufolge für einen 24-Stunden-Schutz sorgen. Allerdings gibt es dazu bereits kritische Stimmen: "Bevor dieser Ansatz verfügbar ist, ist die Pandemie vorbei", sagte Mathias Pletz vom Uniklinikum Jena der Deutschen Presse-Agentur.

Neue Medikamente in der Entwicklung

Die Wiener Biotechfirma Marinomed ist da schon weiter. Sie hat laut MedMedia, einem Verlag für medizinische Fachzeitschriften, die Zulassung eines neuen Nasensprays in Österreich beantragt. Die darin enthaltene Carragelose – ein Wirkstoff aus Rotalgen – sei im Reagenzglas erfolgreich gegen Schnupfen-, Grippe- und Coronaviren, darunter SARS-CoV-2, getestet worden. Das Arzneimittel soll rezeptfrei 2021/22 auf den Markt kommen.

Auch in Deutschland wird geforscht. Ulrich Lauer vom Universitätsklinikum Tübingen entwickelt derzeit einen Impfstoff als Nasenspray. Im Interview erklärt er, wie Forscher arbeiten und welche Vorteile ein gesprayter gegenüber einem gespritzten Impfstoff hätte.

Handelsübliche Nasensprays helfen nicht

Im Handel sind derzeit gängige Nasensprays sehr gefragt, weil sie angeblich gegen das Coronavirus helfen sollen. Was halten Sie davon?

Ulrich Lauer: Nichts, denn diese abschwellenden Nasensprays werden üblicherweise nur bei Schnupfen oder Allergien angewendet und enthalten dementsprechend keinerlei Impf- oder Wirkstoffe, die gegen SARS-CoV-2 gerichtet sind.

Sie helfen also nicht gegen Corona. Es gibt keine Daten, die eine antivirale Wirksamkeit zeigen. Sie könnten also gewissermassen auch jeden Tag einmal auf die Uhr schauen und hoffen, dass das gegen Corona hilft.

Wie ist die Forschung zu Nasensprays gegen SARS-CoV-2 einzuordnen?

Die allermeisten Impfungen werden derzeit immer noch mit einer Spritze unter die Haut oder in den Muskel verabreicht. Anwendungen über die Nase sind noch in der Minderheit, weil Forschung und Entwicklung hierzu aufwändiger sind.

Aber letztendlich gehört Impfungen über die Nase die Zukunft, insbesondere bei Infektionen der Atemwege. Man tut sich mit einem Nasenspray sehr viel einfacher, als wenn man mit Nadeln hantieren und immer wieder desinfizieren muss.

Forscher arbeiten nie alleine

Stehen Sie im Austausch mit anderen Forschern?

Natürlich, hinter der Entwicklung von Impfstoffen steht ja nie nur ein einziges Forscher-Team; es sind auch die vielen anderen Forschergruppen. Gerade hier in der Universitätsstadt Tübingen gibt es zahl­reiche Impfstoff­entwickler, wie die inzwischen weltbekannte Firma CureVac. Alle Forschergruppen müssen eine gute Balance finden zwischen Schnelligkeit und Gründlichkeit.

Wie funktioniert Ihr Nasenspray?

Unser Nasenspray enthält Impfviren, die selber unschädlich für Menschen sind. Unsere Impfviren bewirken, dass unsere Atemwegszellen einen wichtigen Bestandteil von SARS-CoV-2, das soge­nann­te S(PIKE)-Protein, herstellen. Dagegen produziert dann unser Immunsystem schützende Anti­körper und Abwehrzellen.

Wenn ein Geimpfter dann irgendwann in der Folge SARS-CoV-2-Viren ein­atmet, warten in seinen Atemwegen schon die passenden Antikörper, welche die eindringenden Viren unmittelbar unschädlich machen. Entsprechend kann eine Infektion mit SARS-CoV-2 nicht mehr stattfinden.

Impfstoffe sind unterschiedlich wirksam

Ist das eine Impfung durch die Nase?

In der Tat; wie bei einem herkömmlichen Nasenspray wird das Impfvirus ganz einfach nacheinander in beide Nasen­löcher gespritzt. Auch gegen Influenza-Viren gibt es derartige Nasensprays schon.

Insofern ist es naheliegend, diese Technik auch für das neue Coronavirus zu nutzen. Das macht die Impfung angenehmer für Kleinkinder, Senioren und speziell für Menschen, die Angst vor Nadeln haben. Die so wichtige Akzeptanz gegenüber der Corona-Impfung steigt.

Wann soll Ihre neue Impfung auf den Markt kommen?

Wir entwickeln einen Impfstoff der zweiten Generation, der uns zusätzlich im Bereich der Atemwege schützt, nicht nur im Körper­inneren. Die Entwicklung eines solchen "kompletten" Impf­stoffes be­nötigt mehr Zeit; wir rechnen mit etwa 3 Jahren, bis wir auf den Markt kommen werden.

Die Impf­­stoffe, die hingegen bereits in den nächsten Monaten zugelassen werden, schützen sehr wahr­schein­lich unsere Atemwege nicht zusätzlich mit. So kann sich ein Geimpfter immer noch mit SARS-CoV-2 infizieren. Das Schlimme ist, dass er dann trotz Impfung in seinen Atemwegszellen neue Viren produziert und diese auf andere Menschen überträgt, die noch nicht geimpft sind.

Impfstoffe der zweiten Generation hingegen bieten die Chance, solche Infektionsketten unmöglich zu machen. Somit können wir das SARS-CoV-2 Virus sogar wieder komplett loswerden; vorausgesetzt, es lassen sich ausreichend viele Menschen impfen.

Unterschiedliche Impfstoffe werden gebraucht

Gibt’s denn SARS-CoV-2 in drei Jahren noch?

Mit Sicherheit! Wir müssen realistisch sein. Im Moment wissen wir ja nicht, ob die momentan getesteten Impfstoffe effizient und sicher sind. Und wenn ja, wissen wir nicht, wie viele der Geimpften damit wirklich geschützt sind. Bei keiner Impfung sind 100 Prozent geschützt; der tatsächliche Prozent­satz liegt in aller Regel deutlich niedriger.

Wie lange hält ein Impfschutz gegen das Coronavirus an?

Das wissen wir bislang nicht; das muss für jeden einzelnen Impfstoff sehr sorgfältig untersucht werden. Im Moment sieht es eher so aus, dass der Impfschutz vielleicht nur für einige wenige Monate bestehen könnte. Dann muss erneut geimpft werden. Bei der Influenza müssen wir ja auch jedes Jahr neu impfen. Das bedeutet, dass wir unterschiedliche Impfstoffe benötigen werden.

Über den Experten: Ulrich Lauer forscht an der Universität Tübingen. Er ist Leiter der Forschergruppe "Virotherapie" am Tübinger Virotherapie Zentrum . Zudem ist er stellvertretender Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin VIII am Universitätsklinikum Tübingen.

Verwendete Quellen:

  • "Pharmazeutische Zeitung": "Schneller verfügbar als ein Impfstoff?"
  • MedMedia: "Gleich zwei Sprays sollen gegen Corona-Viren helfen"
  • "Tagesschau.de": "Schützt Nasenspray vor Infektion?"

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