• Die Corona-Lage in Portugal spitzt sich immer weiter zu, inzwischen hat das Land die höchste Infektionsquote in der EU.
  • Lange galt Portugal hinsichtlich der Zahlen und Massnahmenpolitik als Vorzeigeland.
  • Nun soll die deutsche Bundeswehr dem Land, dessen Gesundheitssystem vor dem Kollaps steht, aushelfen.
  • Im Video oben sehen Sie die Ankunft der Bundeswehrsoldaten in Portugal.

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Portugal war bis zum Herbst relativ glimpflich durch die Pandemie gekommen: Von Mitte März bis Anfang Oktober 2020 lag die 14-Tage-Ansteckungsrate pro 100.000 Einwohner kontinuierlich stabil bei etwa 150 - ohne krasse Ausreisser.

In puncto Corona-Massnahmen galt es als eines der Vorzeigeländer: Während über die Sommermonate viele Länder die Schliessungen von sämtlichen Kultur- sowie Freizeiteinrichtungen, Restaurants, Geschäften und Schulen aufhoben, hielt Portugal in der Zeit weiterhin daran fest.

Auch bei den Beschränkungen für private sowie öffentliche Versammlungen war man hier deutlich strikter. Es war zudem eines der wenigen Länder, wo teils zusätzlich der öffentliche Nahverkehr eingestellt wurde.

Portugal hat höchste Infektionsquote in der EU

Mittlerweile hat sich die Lage allerdings immer mehr zugespitzt: Seit dem 8. November 2020 gilt das Land laut Robert-Koch-Institut als Risikogebiet, seit dem 24. Januar 2021 als Hochinzidenzgebiet.

Drei Tage später wurde das Land am Südwestzipfel Europas aufgrund der in Grossbritannien entdeckten Virusmutation B.1.1.7 als Virusvarianten-Gebiet eingestuft. Laut den jüngsten Daten des "Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten" (ECDC) steckten sich zuletzt innerhalb von 14 Tagen rund 1.429 Menschen je 100.000 Einwohner mit dem Virus an.

Somit hat Portugal derzeit vor Spanien (1.026) die höchste Infektionsquote in der EU. Zum Vergleich: Deutschland liegt bei etwa 266. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung hat die deutsche Bundesregierung am 29. Januar 2021 eine Einreisesperre (unter anderem) aus Portugal verhängt, welche seit dem 30. Januar 2021 vorerst bis zum 17. Februar 2021 gilt.

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An der Landgrenze Portugals zum Nachbarn Spanien wurden am Sonntag - wie bereits im Frühjahr 2020 - wieder Kontrollen eingeführt.

Ministerpräsident Antonio Costa: Pandemie-Lage ist "sehr schlimm"

Die Lage in Portugal ist demnach äussert dramatisch - Ministerpräsident Antonio Costa bezeichnete sie zuletzt als "sehr schlimm": Das Gesundheitssystem wird kontinuierlich in die Knie gezwungen.

So werden die Schlangen der Krankenwagen mit COVID-19-Patienten vor den Krankenhäusern immer länger. Teils werden Intensivpatienten auf die Inseln verlegt, da am Freitag nur noch 44 freie Intensivbetten auf dem Festland zur Verfügung standen.

Sanitäter, Betten, Beatmungsgeräte: Deutsche Soldaten sollen helfen

Nun soll in drei Rotationen die deutsche Bundeswehr in Portugal helfen. Mit Soldaten und Beatmungsgeräten will sie von Mittwoch an dem weitgehend abgeriegelten Portugal in der Corona-Pandemie beistehen.

Es sei geplant, dem EU-Partner zunächst 26 Sanitätskräfte sowie 150 Feldkrankenbetten und insgesamt 50 Beatmungsgeräte zu stellen, teilte das Verteidigungsministerium am Montag den Obleuten im Bundestag mit. Die Hilfe solle in einem Krankenhaus erfolgen, zivil oder militärisch.

"Wenn unsere europäischen Verbündeten grosse Not leiden, helfen wir ihnen selbstverständlich. Ich bin unseren Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz dankbar", sagte der FDP-Verteidigungspolitiker Alexander Müller am Montag.

"Sie leisten grossartige Unterstützung im Inland und Ausland, mit erheblichem Risiko für die eigene Gesundheit, dazu kommt noch die anschliessende Quarantäne." Es sollte selbstverständlich sein, dass die Soldaten nur mit bester Ausstattung in solche Einsätze entsendet würden. Hier müsse die Bundesregierung "noch einiges nachbessern".

Linken-Verteidigungspolitiker Alexander Neu kritisiert portugiesische Privatkliniken

Kritik kam von der Linken. "Die Bitte der portugiesischen Regierung um Unterstützung durch die Bundeswehr ist so lange nicht nachvollziehbar, solange nicht die Kapazitäten in Portugal selber ausgelastet sind", sagte der Linken-Verteidigungspolitiker Alexander Neu.

"Und dazu gehören die Privatkliniken, die sich bislang verweigern. Es kann nicht sein, dass portugiesische Privatkliniken sich einen schlanken Fuss machen und der Steuerzahler in Deutschland zahlt für den Einsatz in Portugal."

Wurden die Lockerungen zu Weihnachten dem Land nun zum Verhängnis?

Portugal hatte über die Feiertage viele seiner Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie gelockert beziehungsweise aufgehoben. "Da haben die Portugiesen gefeiert, wie sie wollten", sagte der in Lissabon lebende Journalist Tilo Wagner am Dienstagabend bei Markus Lanz.

Hinzu komme die enge Verbindung zu Grossbritannien: Infolge der Eurokrise vor knapp zehn Jahren sind viele Portugiesen nach Grossbritannien ausgewandert - viele davon arbeiteten dort im Gesundheitssektor.

"In Verbindung mit dieser offenen Politik, die Weihnachten anbetrifft, hat das eben zu einem exponentiellen Wachstum geführt", sagte Wagner. Die Theorie mit anderen Worten: Die damals ausgewanderten Portugiesen konnten problemlos über Weihnachten in ihr Heimatland reisen und die in Grossbritannien entdeckte Virusmutation einschleppen.

Karl Lauterbach: "Müssen versuchen, einen katastrophalen Verlauf wie in Portugal zu verhindern"

Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach spricht in Bezug auf die Corona-Lage in Portugal von einer "komplett dramatischen Situation". Dort sei genau das passiert, was man in Deutschland versuche zu verhindern. "Da haben die Mutationsvarianten sehr schnell um sich gegriffen", sagte Lauterbach am Dienstagabend bei Markus Lanz.

Aber man müsse auch sagen: "Sie machen nur ungefähr 30 bis 50 Prozent aus, in Lissabon selbst 50 Prozent und im Rest des Landes in vielen Bereichen nur 30 Prozent. Aber das hat eine solche Dynamik."

Wenn man diese Varianten erstmal habe, dann seien die Zahlen "nur sehr schwer in den Griff zu bekommen". Deshalb warnt der Gesundheitsexperte: "Wir müssen versuchen, in der Zeit, die wir noch haben, einen katastrophalen Verlauf wie in Portugal zu verhindern."

Spahn sieht noch "harte Wochen der Knappheit" beim Corona-Impfstoff

Trotz des angekündigten Nachschubs der Hersteller sieht Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) keine schnelle Entspannung bei den Corona-Impfstoffen. Beim "Impfstoff-Gipfel" sei allen Teilnehmern klargeworden, dass es in diesem ersten Quartal bis in den April hinein noch «harte Wochen der Knappheit» geben werde, sagte Spahn am Montagabend in den ARD-"Tagesthemen". "Das lässt sich nicht schneller beschleunigen, übrigens auch mit Geld nicht", hätten die Hersteller klargemacht.

Verwendete Quellen:

  • Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC): COVID-19 situation update for the EU/EEA, as of week 3, updated 28 January 2021
  • Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC): Weekly COVID-19 country overview
  • Robert-Koch-Institut (RKI): RKI - Coronavirus SARS-CoV-2 - Informationen zur Ausweisung internationaler Risikogebiete durch das Auswärtige Amt, BMG und BMI
  • ZDF: Markus Lanz vom 2. Februar 2021
  • Deutsche Presse-Agentur (dpa)
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