Mit den ersten Lockerungen kamen die Befürchtungen vor neuen Infektionsherden. Am Wochenende wurde dann bekannt: Nach einem Restaurantbesuch und einem Gottesdienst haben sich Dutzende Menschen angesteckt. Lag es am laxen Umgang mit den Corona-Regeln?
Sicherheitsabstand beim Restaurantbesuch und Desinfektionsspender im Gottesdienst: In der Theorie klingen die Verhaltensregeln nach den Corona-Lockerungen klar und eindeutig. Doch wie werden sie in der Praxis umgesetzt? Nach zwei Zusammenkünften haben sich in Hessen und Niedersachsen Dutzende Menschen infiziert. Im Kreis Leer nach dem Besuch einer Gaststätte, in Frankfurt am Main nach einem Gottesdienst.
Nach Angaben von Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) infizierten sich nach dem Gottesdienst in einer Kirchengemeinde der Baptisten in Frankfurt mindestens 107 Menschen mit dem Coronavirus. Die Menschen lebten ersten Erkenntnissen zufolge in Frankfurt und drei hessischen Landkreisen. Der Gottesdienst war bereits vor rund zwei Wochen. Die meisten hätten sich nicht bei sondern nach dem Gottesdienst zu Hause angesteckt, sagte Frankfurts Leiter des Gesundheitsamts, René Gottschalk, zu den Fällen in seiner Stadt. Mehr als 40 der 107 Infizierten lebten in der grössten hessischen Stadt.
Wie viele Besucher zu dem Gottesdienst gekommen waren, war zunächst nicht bekannt. Es seien aber alle Regeln eingehalten worden, hiess es von der Gemeinde. Es habe Desinfektionsmittel gegeben, der vorgeschriebene Abstand sei beachtet worden. Minister Klose betonte: "Diese Situation zeigt, wie wichtig es ist, dass wir alle - gerade während der Lockerungen, die jetzt wieder möglich gemacht werden - wachsam bleiben und nicht leichtsinnig werden." Denn: "Das Virus ist weiterhin da und will sich verbreiten."
Mindestens 18 Infizierte nach Restaurantbesuch
Ebenfalls am Wochenende war bekannt geworden, dass sich in Niedersachsen mindestens 18 Menschen im Zusammenhang mit dem Besuch eines Restaurants am 15. Mai im Landkreis Leer infiziert hatten. Für 118 Menschen wurde häusliche Quarantäne angeordnet.
Eine Befragung der Gäste habe zudem "Indizien geliefert, dass an dem Abend möglicherweise gegen Corona-Auflagen verstossen wurde", hiess es vom Landkreis. Diesen Hinweisen werde in einem Ordnungswidrigkeiten-Verfahren nachgegangen, einschliesslich einer Anhörung des Betreibers.
Der Inhaber des betroffenen Restaurants in Moormerland hatte am Samstag gesagt, er wisse nicht, ob sich das Virus beim Eröffnungsabend seines Lokals verbreitet habe. Es sei auch möglich, dass sich die Menschen vor oder nach dem Abend infiziert hätten.
Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann sah noch am Samstag keine Notwendigkeit, vom Lockerungskurs abzurücken.
Wurde eine private Party gefeiert?
"Nach ersten Erkenntnissen ist das Infektionsgeschehen nicht auf einen normalen Restaurantbesuch zurückzuführen, stattdessen wurde dort offenbar eine private Party gefeiert", sagte die SPD-Politikerin. Der Hotel- und Gaststättenverband Niedersachsen forderte den Kreis Leer auf, für Klarheit zu sorgen.
In Berlin sieht man das Infektionsrisiko für Mitarbeiter und Gäste in der Gastronomie derweil mit Sorge. "Darum ist es gut, dass wir am Dienstag im Senat ein Hygienekonzept für die Gastronomie beraten", sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Samstag auf dpa-Anfrage.
Drosten: "Wenn möglich nur Aussenbereich nutzen"
Derweil blieb die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, weiter unter 1: Nach aktuellsten Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Samstag lag der Wert bei 0,83. Das bedeutet, dass jeder Infizierte im Mittel etwas weniger als eine weitere Person ansteckt. Bundesweit wurden bis Sonntagnachmittag mehr als 178 500 Infektionen mit dem Coronavirus registriert - rund 500 mehr als am Vortag. Das geht aus einer Auswertung der Deutschen Presse-Agentur hervor, die die neuesten Zahlen der Bundesländer berücksichtigt.
Nach Ansicht des Chefvirologen der Berliner Charité, Christian Drosten, sollten Gäste wenn möglich nur den Aussenbereich eines Lokales nutzen, notfalls mit Decken. Ansonsten: "Fenster aufreissen, gerade im Sommer, dann kann man wahrscheinlich auch drinnen sitzen. Aber drinnen sollte man eher mit einer Abstandsregel arbeiten", sagte er in einem NDR-Podcast Mitte Mai. (dpa/fra)
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