• Die Corona-Infektionszahlen steigen und ziehen eine Debatte um mögliche Einschränkungen für ungeimpfte Menschen nach sich.
  • Während Bundesinnenminister Seehofer oder der Vorsitzende des Weltärztebundes, Montgomery, diese befürworten, sind andere Politiker dagegen.
  • CDU-Kanzlerkandidat Laschet, Linken-Chefin Wissler oder Bundestags-Vizepräsident Kubicki von der FDP lehnen entsprechende Massnahmen ab.

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Die weiter steigenden Corona-Infektionszahlen fachen eine Debatte um mehr Einschränkungen für Ungeimpfte an. "Das ist keine Diskriminierung der Nicht-Geimpften", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Interview mit RTL/ntv. Er achte es, wenn jemand sich aus persönlichen Gründen gegen eine Impfung entscheide. "Aber die nicht geimpfte Person muss auch einsehen, dass wir die Gesamtgesellschaft schützen müssen und deshalb nur die Geimpften zu grösseren Gemeinschaftsveranstaltungen zulassen können."

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Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, befürwortet, Geimpften mehr Freiheiten im Alltag zuzugestehen. Es gebe keinen Grund, Geimpften und Immunen ihre Grundrechte weiter vorzuenthalten, "nur weil ein paar ewige Skeptiker sich der Impfung entziehen", sagte Montgomery den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Es gehe nicht um Privilegien für Geimpfte, sondern um Grundrechtseinschränkungen.

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) hatte am Wochenende mögliche Beschränkungen für Nicht-Geimpfte ins Gespräch gebracht, falls Deutschland eine hohe vierte Welle drohe. "Das kann auch bedeuten, dass gewisse Angebote wie Restaurant-, Kino- und Stadionbesuche selbst für getestete Ungeimpfte nicht mehr möglich wären, weil das Restrisiko zu hoch ist", sagte er der "Bild am Sonntag".

Laschet hält nichts von "indirektem Druck" - Kubicki nennt Vorschlag von Helge Braun "verfassungswidrig"

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet sprach sich am Sonntag gegen Brauns Vorschlag aus. "Ich halte nichts von Impfpflicht und halte auch nichts davon, auf Menschen indirekt Druck zu machen, dass sie sich impfen lassen sollen", sagte er im ZDF-Sommerinterview.

Auch die Linken-Chefin Janine Wissler wandte sich gegen den Vorstoss Brauns. Menschen, die sich noch nicht haben impfen lassen, mit Benachteiligungen zu drohen, sei der falsche Weg, sagte sie der "Welt". Zumal es für viele Menschen auch noch keine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gebe, wie etwa für Kinder unter zwölf Jahren und Schwangere.

Kritik kam unter anderem auch aus der FDP. Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki bezeichnete Brauns Vorschlag am Sonntag als "Einführung der Impfpflicht durch die Hintertür" und "klar verfassungswidrig".

Montgomery kritisierte die Einwände scharf. Wer wie die FDP eine Impfpflicht durch die Hintertür vermute und mehr Rechte für Geimpfte ablehne, bediene "einen primitiven Populismus" und verstehe den Begriff der Freiheit nicht richtig. "Nur durch Impfen können wir alle unsere Freiheiten wiedergewinnen. Das sollte auch die FDP - die angebliche Freiheitspartei - endlich einmal begreifen", sagte Montgomery.

SPD-Fraktionschef Mützenich fordert mehr Impfmobile

FDP-Generalsekretär Volker Wissing forderte derweil mehr Tempo beim Impfen. "Anstatt mit Impfpflichten oder erneuten Kontaktbeschränkungen zu drohen, sollten die Verantwortlichen lieber alle Hebel in Bewegung setzen, damit die eingeschlafene Impfkampagne wieder Fahrt aufnimmt", sagte Wissing der "Rheinischen Post" (Montag). Es brauche mehr niederschwellige Angebote.

Der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich schlägt vor, den Einsatz von Impfmobilen auszuweiten. "Wenn die Menschen nicht zur Impfung kommen, dann muss die Impfung zu den Menschen kommen", sagte Mützenich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag). Die bisherigen Erfahrungen damit, Impfmobile in bestimmte Stadtviertel zu schicken, seien gut. "Diese Möglichkeiten müssen wir komplett ausreizen." Auch für jüngere Menschen brauche es zielgenauere Angebote.

Statt Inzidenzzahlen: Hotel-Verband fordert neue Bewertungskriterien

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) forderte die Bundesregierung derweil auf, neue Entscheidungskriterien für die Beurteilung der Infektionslage zu entwickeln. "Massive Einschränkungen für die Gesellschaft wie auch für die Wirtschaft sind allein mit hohen Inzidenzen nicht mehr zu rechtfertigen", sagte die Hauptgeschäftsführerin, Ingrid Hartges, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Es müssten weitere Faktoren wie zum Beispiel die Impfquote, die Entwicklung der Krankheitsverläufe, der Hospitalisierungsgrad sowie die Sterberate berücksichtigt werden. Im Idealfall sollten diese Kriterien bundesweit festgelegt werden.

Mehrere Bundesländer signalisierten am Wochenende ihre Bereitschaft für eine vorgezogene Bund-Länder-Konferenz. Laut Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) müsse ein Bund-Länder-Treffen möglichst bald stattfinden. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sieht aktuell einen kurzfristigen Abstimmungsbedarf.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder knüpfte seine Bereitschaft an Bedingungen, etwa den Beschluss eines Schüler-Impfprogramms. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Donnerstag in Aussicht gestellt, die nächste, eigentlich erst für Ende August vorgesehene Ministerpräsidentenkonferenz zur Corona-Pandemie vorzuziehen. (dpa/dh)

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