Der Virologe Alexander Kekulé kritisiert die Studie des Forscherteams um seinen Kollegen Christian Drosten zur Ansteckungsgefahr von mit dem Coronavirus infizierten Kindern. Kekulé argumentiert, dass die Arbeit zurückgezogen werden sollte - worauf Drosten ungewohnt persönlich reagiert.
Die Debatte um die Studie einer Forschergruppe um den Berliner Virologen
Drosten warf dem Virologen
Kekulé, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle, hatte am Donnerstag in einem Gastbeitrag im "Tagesspiegel" erklärt, Drosten und sein Team hätten ihre Arbeit zurückziehen müssen. Die Unsicherheit der Daten sei zu gross und das Verfahren für die statistische Auswertung ungeeignet.
Der Angegriffene wollte das so nicht unkommentiert lassen.
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Streit um Vorstudie
Der Streit dreht sich um eine von der Forschergruppe um Drosten Mitte April veröffentlichte Vorstudie, nach der Kinder vermutlich genauso ansteckend sind wie Erwachsene. Dies ist für die Frage relevant, in welchem Umfang Schulen und Kindergärten wieder öffnen können.
Kekulé wirft Drosten nun methodische Fehler vor: Zum einen seien "die mit Tupfern abgenommenen Probenmengen nicht miteinander vergleichbar". Zum anderen seien "die Proben zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Krankheitsverlauf abgenommen" worden.
Kekulé führt zudem den Züricher Biostatistiker Leonhard Held an. Dieser habe ebenfalls "gleich mehrere methodische Fehler" der Studie nachgewiesen. Weitere Statistiker hätten diese Kritik bestätigt. Sein abschliessendes Urteil: "Dem behaupteten Ergebnis (fehlt) die wissenschaftliche Grundlage."
Drosten: Kekulés Darstellung ist "tendenziös"
Drosten konterte via Twitter und wurde dabei auch persönlich. Kekulés Darstellung sei "tendenziös". "Er kennt unsere Daten nicht und zitiert falsch. Kekulé selbst könnte man nicht kritisieren, dazu müsste er erstmal etwas publizieren", erklärte Drosten.
Tatsächlich führt beispielsweise die US-amerikanische National Library of Medicine für Kekulé nur zehn Publikationen seit 2010 auf, die letzte stammt aus dem Jahr 2017. Für Drosten gibt es hingegen 253 Resultate – davon allein 24 aus dem laufenden Jahr, fast alle zu SARS-CoV-2 und zu der von dem Virus verursachten Lungenkrankheit COVID-19.
Mit Blick auf den von Kekulé angeführten Züricher Statistiker Held bemerkte Drosten: Dessen statistische Nachanalyse der Corona-Studie sei "nicht konklusiv", wie Held selbst schreibt. Das heisst, seine Untersuchung allein ist nicht beweiskräftig.
Held schreibt in seinem Fazit: Die Re-Analyse zusammenfassender Daten von Drostens Team deute darauf hin, "dass es moderate, aber nicht überwältigende Beweise für eine mit zunehmendem Alter zunehmende Viruslast gibt".
"Kekulé ist das egal, er feuert trotzdem", kritisiert Drosten mit Blick auf Helds Urteil. Und schiebt nach: "Danke dafür." Drosten kündigt nun ein Update der Daten und der Statistik an. Das hatte auch Held empfohlen.
Forscher distanzierten sich von "Bild"-Bericht
In den vergangenen Tagen hatte auch die "Bild"-Zeitung eine Reihe Statistiker mit Kritik an der Studie zitiert. Die Forscher distanzierten sich allerdings später allesamt von der Berichterstattung.
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, verteidigte Drosten am Mittwochabend im RBB. Er sprach von einer "schmierigen" und "schmutzigen Kampagne" gegen den Virologen.
Drosten wiederum hatte vor Längerem in seinem Podcast mit dem NDR erklärt, für die Vorstudie bewusst mit groben statistischen Werkzeugen gearbeitet zu haben. Am Ergebnis der Studie, dass Kinder das Coronavirus ähnlich verbreiten, ändere dies aber nichts – genauso wenig wie die angekündigten Änderungen. Auch andere Studien zeigten dies, unter anderem eine aktuelle Publikation aus Schweden.
Verwendete Quellen:
- Material der Nachrichtenagentur AFP
- Tagesspiegel: "Warum Drosten und sein Team ihre Arbeit hätten zurückziehen müssen"
- Tweets von Christian Drosten
- Leonhard Held: "A discussion and reanalysis of the resultsreported in Jones et al. (2020)"
- Onlinesuche der National Library of Medicine (PubMed.gov)
- RBB: "Talk aus Berlin" vom 27. Mai 2020
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