Manche COVID-19 Patienten merken nicht einmal, dass sie das Coronavirus in sich tragen - andere kämpfen mit dem Tod. Warum die Krankheit Menschen so unterschiedlich schwer trifft, ist bislang nicht klar. Doch laut einer Studie lässt sich die Schwere einer COVID-19 Erkrankung vorhersagen. Das Resultat könnte die Therapie beeinflussen.

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Bei einer COVID-19-Erkrankung lässt sich anhand von zwei Typen von Abwehrzellen im Blut vorhersagen, ob ein Patient einen schweren Verlauf oder nur milde Symptome entwickelt.

Dies ergibt eine Studie an 40 COVID-19-Patienten im chinesischen Wuhan. Die Befunde seien in Deutschland bei mehreren Patienten bestätigt worden, sagt Ko-Autor Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Essen und Vizepräsident der Gesellschaft für Virologie.

Bei einem der beiden Immunzell-Typen handelt es sich laut Dittmer um sogenannte Killer-T-Zellen mit einem bestimmten Oberflächenmarker (CD8). Sie töten virusinfizierte Körperzellen ab und unterbrechen damit die Vermehrung des Coronavirus SARS-CoV-2.

"Wenn die Patienten nur wenige von diesen Zellen haben, haben sie ein hohes Risiko, schwere Symptome wie etwa eine Lungenentzündung oder Gerinnungsstörungen zu entwickeln", erläutert Dittmer.

Gestörte T-Zellen können schweren Verlauf auslösen

Der andere Zelltyp sind sogenannte Neutrophile. "Die sind eigentlich dafür da, Bakterien abzuwehren. Sie können aber auch T-Zellen in ihrer Funktion unterdrücken." Demnach wurden in Blutproben mit vielen Neutrophilen nur wenige T-Zellen gefunden, was mit einem schwereren Krankheitsverlauf verbunden war.

"Besonders betroffen hat das Patienten mit Vorerkrankungen, die dazu führen, dass die Anzahl der T-Zellen abnimmt, etwa Patienten nach Transplantationen, die Medikamente zur Unterdrückung von Abstossungsreaktionen erhalten", sagt Dittmer.

Betroffen seien auch Krebspatienten unter einer Chemotherapie, ältere Menschen, bei denen die Zahl der T-Zellen altersbedingt abnehme, oder fettleibige Patienten.

"Man weiss, dass übergewichtige Personen schwächere und weniger T-Zellen haben." An der Uniklinik Essen habe es sich bei mehr als 70 Prozent der schweren COVID-19-Verläufe um übergewichtige Männer gehandelt.

Für eine COVID-19-Therapie folge daraus, dass man zu Anfang einer Infektion versuchen könnte, die Killer-T-Zellen zu stimulieren - das könnten etwa bestimmte Impfstoffe.

Auch die Vitamine A und C könnten die Funktion der T-Zellen verbessern. Bei Transplantierten könne man die Dosis der Medikamente zur Abwehrunterdrückung senken, bei Krebspatienten müsste man im Fall einer SARS-CoV-2-Infektion die Chemotherapie unterbrechen.

Risikopatienten könnten künftig leichter ausfindig gemacht werden

Dittmer betonte, dass eine eingehendere Studie dazu in Deutschland mittlerweile schwierig sei, da es zum Glück nicht mehr genügend Patienten gebe. So habe es etwa in der letzten Maiwoche an der Uniklinik Essen keine einzige COVID-19-Neuaufnahme gegeben, in der ersten Juniwoche nur eine.

Der Immunologe Michael Lohoff, der an der Studie nicht beteiligt war, sieht den Befund positiv. "Ein sicherer Test, der eine prognostische Aussage über die zu erwartende Schwere einer COVID-19-Erkrankung zulässt, wäre sehr hilfreich", betont der Direktor am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Universität Marburg.

Man könne dann Risiko-Patienten frühzeitig stationär aufnehmen und bei Bedarf intensivmedizinisch therapieren. "Der in der Studie erarbeitete Befund ist hier durchaus attraktiv."

Allerdings sei die untersuchte Patientenzahl sehr gering, sagt Lohoff. "Man sollte diesen Befund unbedingt an weiteren Patienten, bevorzugt in einem anderen Erdteil, bestätigen - auch um so einen etwaigen Beitrag der Genetik der Patienten auszuschliessen." (dpa/thp)

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