Laut einer Studie könnte das Coronavirus in Italien viel stärker verbreitet sein als bisher angenommen. Bei einer Studie wurde festgestellt, dass 1,5 Millionen Menschen Antikörper gegen COVID-19 entwickelt hätten. Regional gibt es dabei grosse Unterschiede.
In Italien haben sich in den vergangenen Monaten sechsmal so viele Menschen mit dem Coronavirus angesteckt wie offiziell registriert. Das ergab eine repräsentative Studie des Gesundheitsministeriums und des Statistikinstituts Istat. Bei 2,5 Prozent der Bevölkerung wurden demnach in dem Studienzeitraum vom 25. Mai bis 15. Juli Antikörper entdeckt. Das entspricht umgerechnet knapp 1,5 Millionen Infizierten in Italien.
Offiziell zählt Italien aktuell nur knapp 250.000 Corona-Fälle. Auch in vielen anderen Ländern gehen Fachleute von einer hohen Dunkelziffer aus, die die registrierten Fälle ebenfalls stark übertrifft.
Corona-Abstrich für Meldung nötig
Zahlreiche Experten hatten etwa in Italien schon in den vergangenen Monaten erläutert, dass die reale Zahl der Infizierten deutlich über den gemeldeten Werten liegen dürfte. Denn für die Meldung ist ein Corona-Abstrich nötig. Manche Infizierte merken aber gar nichts von ihrer Ansteckung. Zugleich schätzten einige Fachleute in der Vergangenheit die Infizierten-Zahl in Italien noch deutlich höher.
Das Imperial College in London etwa errechnete Anfang April, dass zehn Prozent der Italiener infiziert sein könnten. Eine solche Durchseuchungsrate wurde nach der jüngsten Studie deutlich verfehlt: Selbst in der am heftigsten betroffenen Region Lombardei, in der mehr als die Hälfte aller italienischen Infizierten leben, wiesen nur 7,5 Prozent der Testpersonen Antikörper gegen das Coronavirus auf, wie am Montagabend bekanntgegeben wurde.
In Süditalien hatte weniger als ein Prozent der Menschen Antikörper im Blut, wie die neuen Tests ergaben. Allerdings ist noch unklar, ob und wie schnell die vom Immunsystem gegen das Coronavirus gebildeten Antikörper wieder verschwinden.
Weniger Neuinfektionen in Italien als in Deutschland
Italien registrierte am Montag 159 Neu-Infektionen innerhalb eines Tages. Das waren deutlich weniger als in Deutschland, wo das Robert Koch-Institut (RKI) 879 neue Coronafälle registriert hatte. Deutschland hat mit 83 Millionen Einwohnern nur etwas mehr als Italien mit rund 60 Millionen.
Nach ersten Ergebnissen einer RKI-Untersuchung bei Blutspendern in Deutschland hatten rund 1,3 Prozent der Spender Antikörper gegen das Coronavirus im Blut. Die Zahlen sind aufgrund der ausgewählten Gruppe zwar nicht repräsentativ. Doch registriert sind in Deutschland insgesamt gut 211.000 Infizierte, das sind rund 0,25 Prozent der Bevölkerung.
Zu Hochzeiten der Krise wurden in Italien Ende März phasenweise bis zu 6.000 Neu-Infektionen pro Tag gezählt. Das südeuropäische Land registrierte bislang etwas mehr als 35.000 Corona-Tote.
"Der Wert von 2,5 Prozent (der Menschen) mit Antikörpern erscheint gering, aber kann sich zu etwas Problematischem wandeln, wenn wir nicht mehr vorsichtig sind", sagte Istat-Chef Carlo Blangiardo. Gesundheitsminister Roberto Speranza unterstrich, dass die Massnahmen wichtig waren und dass die Regierung an ihrer "umsichtigen und strengen" Linie festhalten werde.
Viele Menschen erkrankt, aber keine Symptome
Die italienische Studie an 64.660 Personen zeigt, dass viele Menschen das Virus hatten, ohne es zu merken. 27,3 Prozent, also gut jede vierte Testperson, hat die Infektion ohne Symptome überstanden. Männer und Frauen waren in gleichem Masse betroffen.
Abgesehen von Kindern bis zu fünf Jahren und Senioren ab 85 Jahren, die während der Pandemie jeweils besonders geschützt wurden, verteilten sich die Infektionen laut Studie relativ gleichmässig auf alle Altersklassen.
Die grösste Infektionsgefahr lag laut Studie innerhalb von Familien: 41,7 Prozent der Testpersonen, die mit einem Corona-Patienten zusammenlebten, entwickelten demnach Antikörper. (awa/dpa)
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