- Wissenschaftler aus Berlin und Mannheim haben die Auswirkungen zweier "Querdenker"-Demonstrationen auf die Verbreitung des Coronavirus untersucht.
- Sie stellten fest, dass die Kundgebungen in Leipzig und Berlin deutlich zur Steigerung der Sieben-Tage-Inzidenz beigetragen haben.
- Damit liefern sie erstmals eine quantifizierte Analyse zum Streitpunkt, inwieweit individuelle Freiheitsrechte dem allgemeinen Gesundheitsschutz entgegenstehen.
Etwa 45.000 "Querdenker" kamen bei der Demonstration in Leipzig am 7. November zusammen und rund 7.000 in Berlin am 18. November.
Viele Teilnehmer hielten sich dabei weder an die Masken- noch an die Abstandspflicht. Echte Superspreader-Ereignisse, vermuteten damals Experten wie Laien.
Inzwischen gibt es dafür auch eine wissenschaftliche Bestätigung, die eine quantifizierte Antwort liefert auf die Frage, inwieweit individuelle Freiheitsrechte den gesundheitspolitischen Massnahmen zum Gesundheitsschutz entgegenstehen.
Forscher untersuchen Busreisen nach Berlin und Leipzig
Wie eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim und der Humboldt-Universität zu Berlin (PDF-Datei, ca. 1,8 MB) zeigt, haben die beiden Demonstrationen deutlich zu einer starken Verbreitung des Coronavirus innerhalb Deutschlands beigetragen, sich auf die Sieben-Tage-Inzidenz bis Ende Dezember ausgewirkt und damit grosse Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit gehabt.
Die Forscher untersuchten das Infektionsgeschehen in den Landkreisen, aus denen Zehntausende Demonstrierende nach Leipzig und Berlin gereist waren. Um das Reisegeschehen nachzuvollziehen, bezogen sich die Wissenschaftler auf Informationen über das Angebot von Busreisen eines Netzwerks von Busunternehmen, das sich seit Sommer 2020 auf die Beförderung von Teilnehmern zu den "Querdenker"-Kundgebungen spezialisiert hat.
Die wesentliche Erkenntnis: Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg im Anschluss an die Demonstrationen deutlich stärker in denjenigen Landkreisen an, deren Städte eine solche Busverbindung angeboten hatten, als in Landkreisen ohne solche Busverbindungen.
Bis Weihnachten verzeichneten die Autoren der Studie in den betroffenen Landkreisen einen Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz, der durchschnittlich um die Zahl 40 höher lag, als in den nicht betroffenen Landkreisen.*
"Querdenker"-Demos: Bis zu 21.000 Infektionen hätten vermieden werden können
Damit, so die Schlussfolgerung der Forscher, hätten bis Weihnachten zwischen 16.000 und 21.000 COVID-19-Infektionen verhindert werden können – wenn die Kundgebungen in Leipzig und Berlin abgesagt worden wären.
"Eine mobile Minderheit, die sich nicht an geltende Hygieneregeln hält, kann so ein erhebliches Risiko für andere Personen darstellen", betont Martin Lange, ZEW-Wissenschaftler und Co-Autor der Studie.
*In einer ersten Version war der Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz um 40 missverständlich angegeben, nach Rücksprache mit der ZEW Mannheim wurde der Satz korrigiert.
Verwendete Quellen:
- Pressemitteilung des ZEW Mannheim
- "Durchgezählt" - Forschungsgruppe von der Universität Leipzig, die sich mit der Erhebung von Zahlen bei Demonstrationsgeschehen befasst
- Angaben der Berliner Polizei
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