Eine junge Frau, die trotz Corona-Infektion angeblich durch die Lokale tingelt. Schnell wurden die steigenden Corona-Zahlen in Garmisch-Partenkirchen auf die 26-Jährige geschoben. Doch nun zeigt sich: Behörden, Medien und Politik lagen mit ihrer Schuldzuweisung auf eine Superspreaderin wohl falsch.
Es ist ein Fall gewesen, der bundesweit für Aufregung gesorgt hat. "Reiserückkehrerin als Superspreaderin in Garmisch", hatte auch unsere Redaktion am vergangenen Samstag getitelt. Ähnlich berichteten weitere regionale und überregionale Medien: "Corona-Ausbruch durch Superspreaderin in GAP" ("Münchner Merkur"), "„Superspreaderin“ in Garmisch-Partenkirchen" (FAZ) oder "Viele Corona-Fälle nach Partynacht in Garmisch-Partenkirchen" (BR).
Tatsächlich war die Zahl der Neuinfektionen in Garmisch-Partenkirchen innerhalb kurzer Zeit gestiegen. Schnell war auch die Ursache ausgemacht: Eine 26-jährige US-Amerikanerin, die aus dem Urlaub kam und trotz Quarantäneempfehlung in dem oberbayerischen Ferienort feiern gewesen sein soll. Die Frau arbeitet als zivile Mitarbeiterin der US-Armee in der Gastronomie.
Ihr Etikett bekam sie schnell verpasst: "Superspreaderin". Zuerst sprach davon das zuständige Landratsamt. Medien und schliesslich die Politik übernahmen die Erzählung, ohne sie zu hinterfragen.
Die bayerische Regierung kritisierte das Verhalten der Frau scharf: Für Ministerpräsident Markus Söder war Garmisch-Patenkirchen ein "Musterfall für Unvernunft", er forderte Konsequenzen "für den Leichtsinn" der Frau. Ähnlich äusserste sich auch Innenminister Joachim Herrmann. Demnach habe die Frau "besonders rücksichtslos gehandelt", sagte der CSU-Politiker.
Doch so einfach ist es wohl nicht, wie sich nun herausstellt.
Superspreaderin, die keine war: Schwierige juristische Aufarbeitung
Fakt ist: Die junge Frau war ausgegangen, bevor sie das positive Testergebnis erhalten hatte. Unklar ist, ob ihr nur empfohlen wurde zu Hause zu bleiben oder ob dies angeordnet wurde. Laut dem Bayerischen Rundfunk konnte das Landratsamt das bisher nicht aufklären: Das sei "aus Kapazitätsgründen bei Teststationen und Ämtern derzeit auch schwer nachzuvollziehen".
Dieser kleine, aber wesentliche Unterschied ist entscheidend für die juristische Aufarbeitung – und damit auch für eine mögliche Strafe. Der Frau droht ein Bussgeld wegen Verstosses gegen Quarantäneauflagen. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Anders als berichtet, ging die 26-Jährige nicht auf eine "Kneipentour". Dem ARD-"Faktenfinder" zufolge soll die Frau nach ihrem Test – aber noch vor Bekanntgabe des Ergebnisses – nur eine einzige Lokalität aufgesucht haben. Einen weiteren Betrieb hatte sie vor der Abgabe ihres Tests und damit auch vor der Quarantäneverfügung besucht, wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt.
"Keine Infektion nachweislich auf die Frau zurückzuführen"
Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen waren am Donnerstag zwar noch 56 Personen Corona-positiv. Dennoch: Ein weiterer Anstieg blieb bislang aber aus – trotz grossangelegter Tests aufgrund des Vorfalls. Am Donnerstag erklärte der Landkreis, dass sich die Corona-Lage "im Hinblick auf das möglichen Infektionsgeschehen im Garmisch-Partenkirchner Nachtleben" entspannt habe.
Wohl auch, weil die am vergangenen Wochenende und am Montag vorgenommenen zusätzlichen etwa 1.040 Corona-Tests nur drei neue positive Tests ergeben hätten, wie Landrat Anton Speer (Freie Wähler) erklärte.
Fast alle der mehr als zwei Dutzend Corona-Fälle, die der Frau zugerechnet werden, sind Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz und nicht Gäste der zwei Lokale. Dazu kommt: Es ist laut einem Sprecher des Landratsamtes, auf den sich "Focus Online" beruft, zufolge gar nicht klar, ob die junge Frau ihre Kollegen angesteckt hat – oder ob sie von diesen selbst angesteckt wurde.
Das Fazit des ARD-"Faktenfinders" ist deshalb eindeutig: "Somit ist bislang keine Infektion in Garmisch-Partenkirchen nachweislich auf die Frau zurückzuführen, die von Behörden, Politik und Medien seit Tagen 'Superspreaderin' genannt wird." (dpa/afp/mf)
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