In sozialen Netzwerken wurde das Risiko einer Thrombose nach einer Impfung mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca mit dem Thromboserisiko durch die Anti-Baby-Pille verglichen. Der Vergleich ist jedoch irreführend, wie ein Faktencheck zeigt.

Verschiedene Meldungen über Thrombosen bei Patientinnen und Patienten, die zuvor den Impfstoff von Astrazeneca erhalten hatte, sorgten in den vergangenen Tagen für Verwirrung. Nachdem Dänemark die Impfungen mit Astrazeneca vorsorglich gestoppt hatte, kündigte die europäische Arzneimittelagentur EMA am 11. März eine Untersuchung an. Sie sprach von 30 Fällen bei etwa fünf Millionen Geimpften in Europa. In Deutschland gab es laut PEI damals elf Fälle bei 1,2 Millionen Impfungen.

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Die Berichte verunsicherten viele Menschen. Am Vormittag des 15. März machte dann in sozialen Netzwerken wie Twitter und Instagram und in Medienberichten ein schiefer Vergleich die Runde: Die Zahl der gemeldeten Fälle von Thrombosen nach der Impfung sei viel niedriger als die durch die Anti-Baby-Pille. Bei der Pille gebe es acht bis zehn Fälle auf 10.000 Frauen, heisst es auf Twitter.

Die Botschaft: Vor der Pille werde nicht gewarnt, dabei sei das Thromboserisiko durch sie viel höher.

Nur wenige Stunden später, noch am selben Tag stoppte auch die Bundesregierung die Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff. Das Paul-Ehrlich-Institut erklärte in einer Pressemitteilung am 15. März, es seien mehrere Fälle einer seltenen Form von Hirnvenenthrombosen in Verbindung mit einem Blutplättchenmangel aufgetreten. Das wolle man untersuchen.

Hier liegt der Hauptgrund, weshalb der Vergleich der Fälle, die bei einigen Menschen nach der Impfung auftraten, mit Thrombosen durch die Pille irreführend ist: Es handelt sich nach Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck um völlig unterschiedliche Krankheitsbilder. Die Daten sind nicht direkt vergleichbar.

Paul-Ehrlich-Institut: Untersuchung wegen seltener Fälle von Hirnvenenthrombosen

Eine Thrombose ist die krankhafte Bildung eines Blutpfropfes (Thrombus) in einem Blutgefäss. Geschieht dies in einer Schlagader (Arterie), spricht man von einer arteriellen Thrombose, die zum Beispiel zum Herzinfarkt führen kann. Bildet sich ein Thrombus in einer Vene, spricht man von einer venösen Thrombose. Sie treten am häufigsten in den Venen der Beine oder des Beckens auf.

Wie das PEI am 16. März erklärte, traten in Deutschland insgesamt sieben sehr ungewöhnliche Fälle auf: Die Menschen erlitten eine "schwerwiegende Hirnvenenthrombose", drei Personen starben. In sechs Fällen handelte es sich laut PEI um Sinusvenenthrombosen bei Frauen. "Es ist richtig, dass für Anti-Baby-Pillen Thrombosen, auch mit tödlichem Verlauf, als sehr seltene Nebenwirkung bekannt sind", schreibt das PEI. "Sie sind in der Patienteninformation aufgeführt. (...) Für die Astrazeneca-Covid-19-Impfung besteht aktuell ein Verdacht auf die sehr seltene Nebenwirkung einer Sinusvenenthrombose mit begleitendem Blutplättchenmangel mit teils tödlichem Verlauf. Sie ist nicht in der Patienteninformation aufgeführt."

Der Mangel an Blutplättchen, der offenbar gleichzeitig bei einigen der gegen Covid-19 geimpften Menschen auftrat, wird auch als Thrombozytopenie bezeichnet. Bei einer Thrombozytopenie kommt es zu einer Verminderung der Gerinnungsplättchen im Blut, die normalerweise zum Beispiel bei Menschen auftritt, die sehr viel Blut verloren haben. Der Organismus versucht in diesen Fällen, die Blutgerinnung maximal zu aktivieren, dabei verbrauchen sich die Gerinnungsplättchen. Das kann zu schweren Blutungen führen. Die Folge können Thrombosen und Lungenembolien sein.

Worin liegt der Unterschied der Thrombosen?

Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) ist schon länger bekannt, dass "venöse Thromboembolien" eine seltene Nebenwirkung hormoneller Verhütungsmittel wie der Pille sind. Solche Thrombosen treten vor allem in den Venen der Beine und des Beckens auf. Laut dem "Pillenreport 2015" der Techniker Krankenkasse variiert die Häufigkeit je nach der Zusammensetzung der Pille. Studien zeigten Raten von 9 bis 12, 5 bis 7 oder 6 bis 12 Fällen pro 10.000 Frauen.

Gerd Glaeske von der Universität Bremen hat den "Pillenreport" mitverfasst. Zu den Social-Media-Beiträgen, in denen die Studie zur Anti-Baby-Pille zitiert wird, schreibt er per E-Mail: "Diese Daten sind keineswegs vergleichbar, weil sie wesentliche Informationen übersehen. Die sehr speziellen Hirnthrombosen, die in Zusammenhang mit der Astrazeneca-Impfung gebracht werden, treten offenbar nach einer einzigen Impfung auf, sie waren auch nicht in den Fach- und Patienteninformationen zu dieser Impfung erwähnt, waren also bisher als Risiko unbekannt." Im Gegensatz dazu sei Thrombose als Nebenwirkung bei Verhütungspillen längst bekannt, schreibt Glaeske. Mediziner müssen Anwendende über Risiken ausführlich aufklären.

Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte und niedergelassener Frauenarzt in Hannover, teilte CORRECTIV.Faktencheck per E-Mail mit: "Dass eine Thrombose zuerst in einer Hirnvene auftritt und nicht in den Beinen, ist extrem selten. (...) Eine ähnliche Anzahl von Sinusvenenthrombosen, wie nach der AZ-Impfung, also nach 1,6 Mio. Impfungen 7 Sinusvenenthrombosen, ist bei Verwendung der hormonellen Verhütung mit der kombinierten Antibabypille nicht bekannt."

Die Angaben zur kombinierten Anti-Baby-Pille würden sich dagegen immer auf Beinvenenthrombosen und selten Lungenembolien beziehen. "Frauen haben grundsätzlich ein höheres Thromboserisiko als Männer, auch ohne die Pille", schreibt Albring.

Astrazeneca

Forscher finden mögliche Ursache für Thrombosen bei Astrazeneca-Imfpung

Wissenschaftler haben einen Verdacht, warum der Astrazeneca-Impfstoff in seltenen Fällen Thrombosen auslösen könnte. Es geht dabei um einen vom Impfstoff ausgelösten Mechanismus.

Sehr unterschiedliche statistische Häufigkeit

Insgesamt treten venöse Thrombosen ohne Pille bei etwa zwei bis vier pro 10.000 Frauen pro Jahr auf, mit Pille erkranken daran zwischen vier bis zehn von 10.000 Frauen, so Albring. Die Daten des Bfarm weichen von dieser Schätzung leicht ab, sind aber ähnlich.

Sinusvenenthrombosen treten dagegen in Deutschland jedes Jahr nur bei etwa fünf von einer Million Personen auf, schreibt uns Hans Christoph Diener, Direktor der Abteilung für Neuroepidemiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).

Das Paul-Ehrlich-Institut schreibt, da diese Gerinnungsstörung so selten sei, trat sie "unter den Geimpften häufiger auf, als es zahlenmässig aufgrund der Seltenheit dieser Gerinnungsstörung ohne Impfung zu erwarten wäre."

Über kausalen Zusammenhang zur Astrazeneca-Impfung herrscht kein Konsens

In der Pressemitteilung der DGN vom 16. März zu Astrazeneca heisst es: "Selbst wenn die Impfung wesentliche Ursache für die Thrombosen bzw. die Gerinnungsstörung sein sollte, handelt es sich dennoch um eine extrem seltene Nebenwirkung, die durch die Vorteile der Impfung bei weitem aufgewogen wird."

Die EMA hat am 18. März eine Entwarnung für den Astrazeneca-Impfstoff herausgegeben: Die Vorteile würden die Nachteile weiterhin überwiegen, und das generelle Risiko für "thromboembolische Ereignisse" sei nicht erhöht. Allerdings gebe es die Möglichkeit, dass die Impfung in Verbindung stehe mit sehr seltenen Thrombosen, inklusive Hirnvenenthrombosen, in Verbindung mit Blutplättchenmangel.

In Deutschland werden die Impfungen fortgesetzt.
Forscher der Universitätsmedizin Greifswald haben am Freitag mitgeteilt, dass sie die Ursache für die Thrombosen gefunden hätten. Auf Nachfrage teilte ein Sprecher per E-Mail mit, dass man durchaus einen Zusammenhang zur Impfung sehe. Auch ein Wissenschaftler aus Norwegen sieht laut einem Medienbericht offenbar eine Verbindung. Das PEI weist in seiner Mitteilung vom 19. März jedoch darauf hin, dass die Verbindung der Thrombosen zur Impfung bisher nicht belegt sei.

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