Die Coronavirus-Lage in Deutschland hat sich entspannt, die Gefahr ist aber keineswegs gebannt. Christian Drosten appelliert deshalb in der neuen Folge des NDR-Podcasts "Coronavirus Update", weiter die Abstandsregeln einzuhalten und sich bei Symptomen zu melden. Ausserdem spricht er über die Wirksamkeit der BCG-Impfung gegen SARS-CoV-2 und die Probleme des Medikaments Remdesivir.

Mehr Informationen zum Coronavirus finden Sie hier

Ende März war die Lage in Deutschland düster. Das Robert-Koch-Institut stufte die Gefahr für die Bevölkerung durch die COVID-19-Pandemie als "sehr hoch" ein, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verkündete als erster Landeschef Ausgangsbeschränkungen.

Nun, etwas mehr als zwei Monate später, hat sich die Situation deutlich verbessert. Der Lockdown war wirksam, die Zahl der aktuell an COVID-19 erkrankten Personen ist unter 10.000 gefallen.

Die Sonne scheint, die Rückkehr ins normale Leben hat begonnen. Doch die Gefahr ist nicht gebannt. Es gibt nach wie vor keine speziellen Medikamente oder Impfungen gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2, die Infektionsgefahr besteht nach wie vor.

Drosten im NDR-Podcast: "Wir haben sehr weit runtergebremst"

"Nach all den Lockerungen erwarten wir natürlich intuitiv, dass direkt die Fälle zunehmen müssten", sagte Christian Drosten in der neuen Ausgabe des NDR-Podcasts "Coronavirus Update" am Dienstag.

Gründe, dass dies nicht passiert, gebe es aber mehrere, erläuterte der Virologe im Gespräch mit Wissenschaftsjournalistin Korinna Hennig. Zum einen ist hier das Tragen von Masken zu nennen, das von grossen Teilen der Bevölkerung umgesetzt wird.

Auch dass die Wissenschaftler immer mehr über das Virus wissen, hilft bei der Eindämmung der Infektionszahlen. Ein wichtiger Faktor ist natürlich auch, dass durch die getroffenen Massnahmen und die Kooperation der Bevölkerung die Fallzahlen stark abgesunken sind und weniger kranke Menschen natürlich auch wieder weniger Menschen anstecken können.

"Wir haben sehr weit runtergebremst. Das ist hervorragend, dass uns das gelungen ist", sagte Drosten. Damit das auch so bleibt, gilt es vor allem, Cluster und Superspreading-Events zu verhindern, die für die Verbreitung des Virus nach neuesten Erkenntnissen eine zentrale Rolle spielen.

Situationen also, in denen wenige Personen sehr viele andere anstecken, wie es beispielsweise zuletzt bei Gottesdiensten, Chorproben oder grossen Familienfeiern beobachtet wurde. "Wenn man jemanden erkannt hat, der Teil eines Clusters sein könnte, muss man dieses Cluster sofort isolieren", erklärte Drosten. Schlaue, proaktive Diagnostik beispielsweise durch die Gesundheitsämter könne bei der Verfolgung dieser Fälle helfen.

Abstandsregeln müssen auch unter freiem Himmel eingehalten werden

Der wichtigste Faktor im Kampf die Corona-Pandemie bleibt aber nach wie vor die Mithilfe jedes Einzelnen. "Es ist wichtig, dass wir alle - nicht nur die Gesundheitsämter und Behörden, sondern wir alle - uns sofort melden, wenn wir Symptome kriegen", appellierte Drosten: "Und wenn ich weiss, dass ich Symptome bekomme und in einer Cluster-Situation war in den letzten Tagen, dass ich mich dann umso aktiver melde und wirklich sage, dass das so war."

Mittlerweile ist auch bekannt, dass das Infektionsrisiko unter freiem Himmel deutlich geringer ist als in geschlossen Räumen. Trotzdem ist es wichtig, auch draussen die Abstandsregeln von mindesten 1,5 Metern zu Mitmenschen einzuhalten. "Es ist natürlich so, dass das Abstandsgebot immer ernst genommen worden muss, wo es umsetzbar ist. Selbst draussen soll man es ernstnehmen", sagte Drosten.

Schützt die BCG-Impfung vor COVID-19?

Der Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité äusserte sich auch zum Stand bei der Suche nach Medikamenten und Impfstoffen. Als Zwischenlösung, bis ein spezifischer Impfstoff gegen SARS-CoV-2 gefunden wird, wurde zuletzt immer wieder die BCG-Impfung (Bacille Calmette-Guérin) gehandelt, ein alter Wirkstoff gegen Tuberkulose.

Die BCG-Impfung ist in vielen Ländern nach wie vor flächendeckend verbreitet, wird in Deutschland aber seit 1998 nicht mehr empfohlen. Zu Beginn der Pandemie sah es so aus, als ob es in Ländern, in noch regelmässig mit BCG geimpft wird, weniger Fälle von COVID-19 geben würde. Sicher ist die Interpretation der statistischen Daten aber noch nicht. "Die Diskussion dazu ist alles andere als abgeschlossen. Es ist vollkommen kontrovers, wie es damit weitergeht", sagte Drosten.

Remdesivir ist nur eingeschränkt verfügbar

Ähnlich ist die Lage bei Remdesivir. Das Medikament wirkt gegen COVID-19, wurde auch schon eingesetzt und kann schwere Verläufe abmildern. Aber viele Fragen sind noch nicht geklärt. Etwa wie das Medikament bei einem leichten Verlauf der Krankheit wirkt.

Da Remdesivir nicht einfach herzustellen und entsprechend auch nicht im grossen Masse verfügbar ist, wurde es bisher noch nicht bei der Behandlung von nur leicht erkrankten Patienten ausprobiert. Auch das Remdesivir als Infusion verabreicht werden muss, spricht gegen den massenhaften Einsatz bei nur leicht erkrankten Patienten.

Bis es also ein überall verfügbares, leicht einzusetzendes Medikament gegen COVID-19 gibt, wird noch Zeit vergehen. Bis ein Impfstoff verfügbar ist, wird es vermutlich noch länger dauern. Umso wichtiger ist es also, mit den bisher erfolgreichen Massnahmen wie Abstand halten und dem Tragen von Masken die Infektionszahlen auf einem niedrigen Niveau zu halten.

Professor Dr. Christian Drosten ist Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité und einer der führenden Virus-Forscher Deutschlands. Der 48-Jährige gilt als Mitentdecker des SARS-Virus. Unmittelbar nach dem Ausbruch SARS-Pandemie 2003 entwickelte er einen Test auf das neu entdeckte Virus, wofür er 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. In der aktuellen Corona-Krise ist der gebürtige Emsländer ein gefragter Gesprächspartner, im "Coronavirus Update" gibt er zweimal die Woche Auskunft zur aktuellen Lage.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.