Das neue Jahr hat gerade erst begonnen, da ereignet sich das erste schlimme Bootsunglück mit Migranten. Das zeigt: Viele Menschen riskieren nach wie vor alles, um nach Europa zu gelangen. Und Hilfe war sogar schon unterwegs.

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Bei einem Schiffsunglück vor Libyen sind möglicherweise 117 Migranten gestorben. Nach Angaben von drei geborgenen Überlebenden waren insgesamt 120 Menschen auf ihrem in Seenot geratenen Schlauchboot, um nach Europa überzusetzen, wie der Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Flavio Di Giacomo, am Samstag auf Twitter erklärte. Die drei hatte die italienische Marine am Freitag gerettet und auf die Insel Lampedusa gebracht. Unter den 117 Vermissten seien auch zehn Frauen und zwei Kinder, eines davon erst zwei Monate alt.

Die Marine hatte zunächst erklärt, dass das Schlauchboot rund 50 Seemeilen (knapp 93 Kilometer) nordöstlich der libyschen Hauptstadt Tripolis zu Kentern drohte und dass rund 20 Menschen an Bord waren.

Westafrikaner und Sudanesen

Laut IOM-Sprecher könnte das Unglück aber weitaus schlimmer gewesen sein. "Sie haben uns gesagt, dass auf dem Schlauchboot, das in Libyen Donnerstagnacht abgelegt hat, 120 Personen waren. Nach zehn bis elf Stunden Fahrt begann dem Boot die Luft auszugehen, und es fing an zu sinken. Die Menschen sind ins Meer gefallen und ertrunken", sagte Di Giacomo der Nachrichtenagentur Adnkronos. An Bord seien demnach vor allem Westafrikaner und etwa 40 Sudanesen gewesen.

Dabei habe sich bereits ein Rettungsboot der libyschen Küstenwache auf dem Weg zur Unglücksstelle befunden, sagte deren Sprecher Ajub Kasim. Unterwegs habe das Boot der Küstenwache jedoch eine Panne erlitten. Nach Einschätzungen des Marine-Sprechers werden noch rund 50 Migranten vermisst. Am Samstag habe die Küstenwache zudem zwei Boote mit insgesamt 87 Menschen an Bord in der Nähe von Tripolis abgefangen, sagte Kasim.

Seit die populistische Regierung in Italien die Häfen des Landes für Migranten weitgehend geschlossen hat, kommen immer weniger Migranten an, die zumeist in Libyen ablegen. Italien und die EU unterstützen die libysche Küstenwache darin, die Menschen wieder in das Bürgerkriegsland zurück zu bringen.

Europa streitet seit Jahren über eine gleichmässigere Verteilung von Bootsflüchtlingen. Ein grosser Teil reist bislang nach Deutschland.

2017 registrierte Deutschland laut Eurostat 198 000 Asylbewerber, was 31 Prozent aller Erstantragsteller in der EU ausmachte. Es folgten Italien (127 000), Frankreich (91 000) und Griechenland (57 000).

Mittelmeer bleibt ein Friedhof

"Ohne sichere und legale Wege für Menschen, die Sicherheit in Europa suchen (...), bleibt das Mittelmeer ein Friedhof", twitterte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Seit Beginn des Jahres waren - das letzte Unglück nicht eingerechnet - laut IOM im Mittelmeer 83 Menschen umgekommen. Im Vorjahreszeitraum waren es 199.

"Solange Europas Häfen offen bleiben, solange jemand den Schleppern hilft, machen die Schlepper leider weiter Geschäfte und töten weiter", erklärte Italiens rechter Innenminister Matteo Salvini. In den letzten Monaten wurden mehrere Rettungsschiffe mit Migranten tagelang auf dem Meer blockiert. Darunter waren zuletzt zwei Schiffe der deutschen Hilfsorganisationen Sea-Watch und Sea-Eye, die erst nach wochenlangem Gezerre die Migranten an Malta abgeben durften, wo sie dann auf andere Länder verteilt werden sollten.

Sea-Watch nahm jetzt erneut an anderer Stelle im Mittelmeer Migranten auf. Die Berliner NGO erklärte, dass sie 47 Menschen aus Seenot gerettet hätten. Die Menschen von einem Schlauchboot seien nun sicher und versorgt. Wohin die "Sea-Watch 3" allerdings fahren kann, ist unklar. Salvini erklärte umgehend, nach Italien dürften sie nicht. Die nächste Hängepartie zeichnet sich somit ab.

(dpa/af)

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