Im Dezember 1993 kommt eine 13-Jährige nicht nach Hause. Bald darauf wird ihre Leiche gefunden, versteckt in einer Güllegrube. Jetzt – über 30 Jahre später – glaubt die Staatsanwaltschaft, einen Täter überführen zu können.
Sabine B. ist 13 Jahre alt und versorgt regelmässig Pferde auf einem Hof in ihrem Dorf in Franken. Kurz vor Weihnachten 1993 kommt sie vom Stall nicht nach Hause.
Zwei Tage lang suchen zahlreiche Menschen nach der Schülerin. Schliesslich wird die Leiche des Mädchens in einer verschlossenen Güllegrube entdeckt. Schnell ist klar: B. wurde vor ihrer Tötung sexuell missbraucht.
Jahrelang laufen die Ermittlungen ins Leere. Mehr als 30 Jahre später ist immer noch kein Täter überführt. Aber die Staatsanwaltschaft Würzburg glaubt nach neuerlichen Untersuchungen der damals gesicherten Beweise, nun den Schuldigen gefunden zu haben.
Richter an Angeklagten: "Sie sind der Einzige, der Licht in diese Sache bringen kann"
Der mutmassliche Mörder – damals erst 17 Jahre alt – will mit der Tat nichts zu tun gehabt haben. Immer wieder schüttelt der Deutsche beim Prozessauftakt vor dem Landgericht Würzburg den Kopf, will zunächst nichts zu den Vorwürfen sagen.
Der Vorsitzende Richter Thomas Schuster appelliert ruhig, aber bestimmt an den heute 47-Jährigen: "Es gibt Spuren, die es für sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich erachten lassen, dass Sie mit der Sache gar nichts zu tun haben." Der Familie von Sabine B. sei es sicher wichtiger zu wissen, was vorgefallen ist, als dass er im Gefängnis lande. "Sie sind der Einzige, der Licht in diese Sache bringen kann."
Alle Delikte bis auf Mord sind bereits verjährt
Weil die Tat schon so lange zurückliegt, sind alle Delikte ausser Mord bereits verjährt. Wie Schuster erklärt, gibt es drei Szenarien, wie das Verfahren ausgehen kann.
Entweder ist dem Angeklagten nichts nachzuweisen und er wird freigesprochen. Oder man kann seine Beteiligung an der Tat belegen, aber keinen Mord - dann wird der Prozess wegen Verjährung eingestellt. Sollte dem 47-Jährigen allerdings ein Mord nachgewiesen werden, werde es auch ein Urteil geben, kündigte der Vorsitzende Richter der Grossen Strafkammer an.
Allein bis Jahresende sind 81 Zeugen sowie vier Sachverständige geladen, bis Mitte 2025 wurden 60 Prozesstermine angesetzt. Das Ziel ist laut Schuster allerdings, "in diesem Jahr fertigzuwerden".
Sabine B. starb im Dezember 1993 in Wiesenfeld, einem Ortsteil von Karlstadt im Landkreis Main-Spessart. Am späten Nachmittag des Tattags sollen sich Täter und Opfer auf dem Reiterhof begegnet sein. Der damals 17-Jährige soll die Jugendliche in den Stall gelockt haben. Gegen die sexuellen Handlungen soll sich das Mädchen gewehrt und laut um Hilfe gerufen haben.
Verteidiger erwartet ein zähes Verfahren
Daraufhin soll der Angeklagte Sabine B. angegriffen haben, sodass sie zu Boden fiel und sich den Kopf aufschlug. Anschliessend soll er die 13-Jährige auf nicht genau feststellbare Weise von hinten gewürgt und ihren Tod in Kauf genommen haben. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe sie unumkehrbare Hirnschäden erlitten.
Nach Worten von Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach tötete der Angeklagte das ihm bekannte Mädchen zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs, unter anderem durch Würgen. Dann soll der damals 17-Jährige zu Hause gebadet und sich umgezogen haben und das Opfer am späten Abend des 15. Dezember schliesslich in die Güllegrube geworfen haben. "Die übrigen Kleidungsstücke, Jeansjacke sowie Schuhe der Sabine entsorgte der Angeklagte in einer zweiten Güllegrube auf dem Reiterhof", sagt Seebach.
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Für Verteidiger Hans-Jochen Schrepfer ist der Fall längst nicht so eindeutig wie von der Anklage beschrieben. Er erwartet ein zähes Verfahren. "Das ist ein klassischer Indizienprozess, der uns bevorsteht." Er sehe nicht, dass ein Mord nachgewiesen werden kann, die Beweisaufnahme werde schwierig.
DNA des Angeklagten befand sich an Kleidung von Sabine B.
Eine Polizistin berichtet der Kammer allerdings, dass es "auffällig viele Indizien" gebe, die für eine Beteiligung des Angeklagten an der Tat sprechen. So sei die Erbsubstanz des 47-Jährigen im Zuge der neuerlichen Ermittlungen an der Kleidung des Opfers gefunden worden, unter anderem Spermaspuren am Slip von Sabine. "Der DNA-Treffer war eindeutig. Es gibt keine weitere unbekannte DNA. Wir können das ausschliessen, dass da ein zweiter Täter mit dran war."
Seit die Polizei in dem Fall wieder intensiver ermittelt, seien 240 Zeugen gehört worden, schildert die Beamtin. Demnach hatte sich der Angeklagte nach dem Verbrechen Alibis gesucht und gelogen. Viele Befragte hätten zudem angegeben, dass sich der Mann nach Sabines Tod verändert habe.
Weil der Angeklagte zur Tatzeit Jugendlicher war, findet das Verfahren ohne Öffentlichkeit statt. Lediglich fünf Pressevertreter sind zugelassen. Für Jugendliche beträgt bei Mord das Höchstmass der Jugendstrafe zehn Jahre. (Angelika Resenhoeft, dpa/AFP/bearbeitet von ank)
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