Auf dem Weg nach São Paulo ist eine Passagiermaschine abgestürzt. Alle 61 Insassen sind dabei ums Leben gekommen.

Mehr Panorama-News

Nach dem Absturz eines Passagierflugzeugs mit 61 Toten in einem Wohngebiet in Brasilien beginnen die Ermittlungen zur Unfallursache. "Alles ist noch sehr verfrüht", schränkte der Leiter des Zentrums für die Untersuchung und Vorbeugung von Luftfahrtunfällen (Cenipa), Marcelo Moreno, auf einer Pressekonferenz ein. Es werden demnach umweltbedingte und technische Faktoren genauso untersucht wie mögliches menschliches Versagen, um zu klären, wie es zu dem Absturz in der Stadt Vinhedo im Bundesstaat São Paulo kam.

Flugzeug stürzt auf ein Grundstück in einer Wohnanlage

Die Maschine der Fluggesellschaft VoePass war am Freitag mit 57 Passagieren und vier Besatzungsmitgliedern an Bord von der Stadt Cascavel im Bundesstaat Paraná in Richtung des Flughafens Guarulhos bei São Paulo unterwegs.

Auf Bildern und Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie das Flugzeug in der Luft ins Trudeln geriet und vom Himmel fiel. Dichter Rauch stieg anschliessend auf. Daten der Plattform Flightradar 24 legen nahe, dass das Flugzeug in weniger als einer Minute um fast 4.000 Höhenmeter absackte.

Es sei in einer Wohnsiedlung in der Nähe eines Hauses abgestürzt, in dem sich Bewohner befanden, berichtete das Nachrichtenportal "G1" unter Berufung auf Behörden in Vinhedo. Am Boden sei aber niemand verletzt worden.

Augenzeugen waren geschockt

Die Menschen in Vinhedo waren geschockt. Der Fernfahrer Martins Barbosa arbeitete, als sich das Unglück rund 150 Meter von seiner Wohnung entfernt ereignete: "Ich habe gedacht, es ist womöglich auf mein Haus gefallen, mit meinem Sohn drin", sagte der 49-Jährige. Erst später erfuhr er, dass es seiner Familie gut geht. In dem Wohngebiet gab es zum Glück keine weiteren Opfer.

"Das war schrecklich, wir haben das Flugzeug sich mehrmals um sich selbst drehen und abstürzen sehen. Gott hat uns gerettet, es fehlte nur wenig, dann wäre es (das Flugzeug) auf mein Haus gestürzt. Ich kann gar nicht aufhören, zu zittern", berichtete Edna Barbosa im Fernsehsender SBT.

Die Anwohnerin Nathalie Cicari sagte dem Fernsehsender CNN Brasil: "Ich habe gegessen, als ich ein lautes Geräusch sehr nahe hörte, wie von einer Drohne, aber viel lauter." Sie sei dann auf den Balkon gerannt und habe das sich drehende Flugzeug gesehen. "Ich hatte gerade noch Zeit, mich zu ducken und zu beten, wie sie es in den Filmen tun, dann hörte ich das gewaltige Krachen des Absturzes." Videoaufnahmen in lokalen Medien zeigten schwarzen Rauch, der von der Absturzstelle in dem Wohngebiet aufstieg. Cicari wurde nicht verletzt, musste aber ihr Haus räumen, das voller Rauch war.

Guilherme Derrite von der staatlichen Sicherheitsbehörde von São Paulo sagte vor Journalisten am Unglücksort, die Blackbox des Flugzeugs vom Typ ATR 72-500 sei "bereits gefunden" worden. Sie ist demnach "offenbar intakt".

Turbulenzen, Gewitter und Vereisung

Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Er unterbrach seine Rede, die er im Süden des Landes gehalten hatte und rief zu einer Schweigeminute auf. Lula sprach den Angehörigen sein Beileid aus, es soll ein Krisenstab eingerichtet werden. Der Gouverneur von São Paulo, Tarcísio de Freitas, versprach alle notwendige Unterstützung.

Der Plattform Flightradar 24 zufolge deuten meteorologische Berichte für den Zeitraum rund um den Unfall auf Turbulenzen, Gewitter und Vereisung in der Umgebung hin.

Die Theorie mit den Vereisungen unterstützt auch der Experte für Aeroneutik von der Universität Sao Paulo, James Waterhouse. Er sagt "Tagesschau.de", dass es zu einer Vereisung der Tragflächen gekommen sein könnte. Das könnte dazu geführt haben, dass die Maschine nicht mehr steuerbar gewesen sei.

"Wenn es sich tatsächlich um eine Eisbildung handelte, was wir noch nicht bestätigen können, dann könnte es irgendwann zu einem Versagen des Enteisungssystems des Flugzeugs gekommen sein", erklärte er. Oder die Eisbildung könnte so schnell aufgetreten sein, dass der Pilot letztendlich nicht genug Zeit gehabt haben könnte, um alle erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. "Mit anderen Worten: Es gibt viel zu untersuchen."

Der Geschäftsführer von VoePass, Eduardo Busch, schloss nicht aus, dass sich Eis auf den Tragflächen angesammelt haben könnte. Die Piloten seien allerdings erfahren gewesen und das Flugzeug sei mit funktionierenden Systemen gestartet. "Das Flugzeug war zum Zeitpunkt des Starts zu 100 Prozent einsatzbereit", sagte Busch.

Einer der tödlichsten Unfälle in der brasilianischen Luftfahrt-Geschichte

Der Unfall gehört Medienberichten zufolge zu den tödlichsten in der Geschichte der brasilianischen Luftfahrt. In Erinnerung ist vielen ein Absturz vom 28. November 2016, als das Flugzeug des brasilianischen Fussball-Clubs Chapecoense auf dem Weg nach Medellín zum Final-Hinspiel um die Copa Sudamericana, dem Südamerika-Pokal, in Kolumbien verunglückte. Damals starben 71 Menschen, darunter fast alle Spieler sowie Betreuer, Trainer und mitreisende Journalisten. Sechs Passagiere überlebten.

Die Unglücksmaschine vom Freitag war ein Turboprop-Passagierflugzeug vom Typ ATR 72. Das Modell ist ein Schulterdecker des französisch-italienischen Konsortiums Avions de Transport Régional. Im Januar 2023 kamen beim Absturz einer ATR 72-500, die sich in Nepal im Landeanflug auf den Flughafen der Stadt Pokhara befand, 72 Insassen ums Leben, darunter vier Besatzungsmitglieder. (dpa/afp/bearbeitet von jst, ari und the)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © dpa / Andre Penner/AP/dpa