Knapp vier Jahre nach dem Tod von 71 Flüchtlingen in einem Kühllaster in Ungarn ist erneut ein Urteil gefallen: Der Fahrer und drei Komplizen müssen lebenslang hinter Gitter. Das Berufungsgericht verschärfte die ursprünglichen Urteile.
Das Berufungsgericht in der südungarischen Stadt Szeged verschärfte am Donnerstag die Urteile erster Instanz aus dem Juni 2018, mit denen die vier Schlepper wegen Mordes zu jeweils 25 Jahren Zuchthaus verurteilt worden waren.
Die nunmehr rechtskräftigen Urteile des Gerichtes in Szeged besagen ausserdem, dass der Fahrer des Todes-Lkw, ein Bulgare, sowie die beiden Organisatoren der Todesfahrt, ein Afghane und ein Bulgare, keine Aussicht auf vorzeitige Entlassung haben.
Der Lenker des Begleitfahrzeuges, gleichfalls ein Bulgare, kann bei guter Führung frühestens nach 30 Jahren freigelassen werden.
Kühllaster mit 71 Leichen sorgte 2015 international für Erschütterung
Der tragische Fall im August 2015 hatte international für Erschütterung gesorgt. Den Kühllaster mit den Leichen der 71 erstickte Menschen, unter ihnen vier Kinder, hatten österreichische Polizisten abgestellt in einer Autobahnbucht bei der Ortschaft Parndorf nahe der Grenze zu Ungarn gefunden. Der Fahrer hatte sich zuvor im Begleitfahrzeug abgesetzt.
Der Lastwagen hätte die Flüchtlinge - auf dem Höhepunkt der damaligen Flüchtlingsströme aus Nahost in die Mitte Europas - von der ungarisch-serbischen Grenze nach Österreich bringen sollen. Sie waren, wie Untersuchungen ergaben, noch auf ungarischem Gebiet qualvoll erstickt.
Die Schlepper wurden als Mitglieder einer internationalen Bande in Ungarn ermittelt, verhaftet und vor Gericht gestellt.
Der Vorsitzende Richter Erik Mezölaki begründete am Donnerstag die Verschärfung der erstinstanzlichen Urteile mit der Schwere der Tat. "Es war ein äusserst hervorstechendes Verbrechen, mit tragischen Folgen", erklärte er in der mündlichen Urteilsbegründung. "71 Menschen starben einen schrecklichen, qualvollen Tod, den die Täter zwar nicht wollten, mit dem sie sich aber abfanden."
"Schlepper hielten Anweisungen für wichtiger als Leben von 71 Menschen"
Die Menschen trommelten bereits kurz nach der Abfahrt in Südungarn an die Wände des Laderaums, weil sie keine Luft bekamen. Der Fahrer hielt zwar gelegentlich an, wagte es aber nicht, die Ladetür zu öffnen. Die anderen drei Schlepper befahlen ihm, möglichst nicht anzuhalten und in keinem Fall die Ladetür zu öffnen, um ein Auffliegen zu vermeiden.
"Die Schlepper hielten dies für wichtiger als das Leben von 71 Menschen. Sie haben sich gegenüber dem Tod der Opfer gleichgültig verhalten", sagte der Richter.
Im Zusammenhang mit der Todesfahrt des Kühllasters hatten die ungarische und die bulgarische Polizei neun weitere Mitglieder der Schlepperbande - acht Bulgaren und einen Libanesen - verhaftet. In dem komplexen Verfahren erster Instanz vor einem Jahr in Kecskemet, 100 Kilometer südlich von Budapest, wurden auch diese Männer zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Sie waren an insgesamt 25 Schlepperfahrten von Südungarn nach Österreich und Deutschland beteiligt.
Gegen ein 14. Bandenmitglied, einen zur Tatzeit in Serbien tätigen Afghanen, wurde in Abwesenheit verhandelt. Das Berufungsgericht in Szeged änderte diese Urteile geringfügig ab. Wegen Menschenschmuggels im Rahmen einer kriminellen Vereinigung erhielten sie Gefängnisstrafen zwischen vier und zwölf Jahren. (pak/dpa)
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