- Die erste Woche der neuen Taliban-Herrschaft in Kabul ist vorbei.
- Dass die militanten Islamisten in nur wenigen Tagen die Macht im ganzen Land übernommen haben, hat weltweit für Erschütterungen gesorgt.
Der 20-jährige Militäreinsatz der USA und ihrer Verbündeten ist auf ganzer Linie gescheitert, überall müssen Geheimdienste und Spitzenpolitiker folgenschwere Fehleinschätzungen eingestehen. "Ich weiss nicht, ob man das überhaupt heilen kann", sagt Aussenminister
23. März: "Wir wollen nicht durch einen zu frühzeitigen Abzug aus Afghanistan riskieren, dass die Taliban zurückkehren zur Gewalt und versuchen, mit militärischen Mitteln an die Macht zu kommen", sagt Aussenminister Maas bei einem Nato-Treffen in Brüssel. Seinerzeit gibt es in Afghanistan täglich Angriffe auf Sicherheitskräfte, Regierungsvertreter, Journalisten und Zivilisten. Die Bundesregierung macht noch Druck auf die USA, um zu verhindern, dass es zu einem Truppenabzug kommt, bevor die Verhandlungen zwischen der Regierung und den Taliban zu einem Ergebnis kommen.
25. März: Der Bundestag verlängert das Mandat für die Beteiligung an der Nato-Mission "Resolute Support" bis 31. Januar 2022.
9. April: Die US-Geheimdienste stellen in ihrem Jahresbericht zur allgemeinen Bedrohungslage fest: Der afghanischen Regierung werde es ohne ausländische Truppen schwerfallen, "die Taliban in Schach zu halten". Diese würden wahrscheinlich militärische Siege erzielen.
14. April: US-Präsident
18. April: Bundesverteidigungsministerin
Anfang Mai beginnt der offizielle Abzug der internationalen Truppen
1. Mai: Der offizielle Abzug der internationalen Truppen beginnt und soll bis spätestens 11. September abgeschlossen sein. Aus mehreren afghanischen Provinzen werden Zwischenfälle und Gefechte gemeldet, denen Zivilisten oder Sicherheitskräfte zum Opfer fallen.
5. Mai: Die Bundesregierung wolle die Ortskräfte zwar schützen, sagt die Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, Antje Leendertse, im Haushaltsausschuss des Bundestages. Sie würden aber zur Aufrechterhaltung des zivilen Engagements in Afghanistan weiter benötigt. Es solle nicht das Signal ausgesandt werden, die Sicherheitslage mache ein Verlassen des Landes erforderlich.
14. Mai: Wissenschaftler, frühere Diplomaten und Offiziere fordern von der Bundesregierung in einem offenen Brief eine unbürokratische und schnelle Aufnahme gefährdeter afghanischer Ortskräfte.
9. Juni: "Das sähe wie ein Massenexodus aus Afghanistan aus", sagt Aussenminister Maas im Bundestag über die mögliche Ausweitung der Regeln für Ortskräfte der Bundeswehr auf Mitarbeiter von Entwicklungshilfeorganisationen. "Dann reden wir nicht mehr über 2000 Menschen, dann reden wir über 20 000 Menschen."
22. Juni: Die Vereinten Nationen warnen vor einem weiteren Vormarsch der Taliban. Die Islamisten würden sich für die Eroberung von Provinzhauptstädten positionieren, sobald die ausländischen Truppen vollständig abgezogen seien.
23. Juni: Der Bundestag lehnt mit den Stimmen von CDU, CSU, SPD und AfD einen Antrag der Grünen für ein Verfahren zur "grosszügigen Aufnahme afghanischer Ortskräfte" ab. Die FDP enthält sich, weil sie einen eigenen Antrag mit Forderungen nach "vereinfachten unbürokratischen Visaverfahren" und erleichtertem Familiennachzug für Ortskräfte eingebracht hat - auch dieser Antrag wird jedoch einen Tag später abgelehnt.
29. Juni: Die letzten Bundeswehr-Angehörigen werden aus dem Feldlager in Masar-i-Scharif ausgeflogen. Nach einem späteren UN-Bericht wurden in Afghanistan im Mai und Juni 2392 Zivilisten verwundet oder getötet - so viele wie noch nie seit Beginn der UN-Aufzeichnungen 2009.
Am 7. Juli landet der bislang letzte Abschiebeflug aus Deutschland
5. Juli: Die Bundesregierung hat nach Angaben des Auswärtigen Amtes bisher 2.400 Visa zur Aufnahme schutzsuchender Ortskräfte erteilt. Mehrere Ortskräfte beklagen, man habe sie in einer unklaren Situation zurückgelassen. Auch wenn sie Reisedokumente von Deutschland erhalten, müssen sie sich um Flug und Bezahlung selbst kümmern.
7. Juli: In Kabul landet der bislang letzte Abschiebeflug aus Deutschland. Seit Dezember 2016 wurden insgesamt 1.104 Männer nach Afghanistan zurückgebracht. Zugleich greifen die Taliban erstmals seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen eine Provinzhauptstadt an: Kala-e Nau in der Provinz Badghis.
19. Juli: Dem neuen Asylbericht des Auswärtigen Amtes zufolge gibt es für Journalisten, Menschenrechtler und andere, die öffentlich für ein liberales Afghanistan eintreten, landesweit keinen sicheren Ort mehr. Eine generelle Gefährdung von Rückkehrern stellt der Report nicht fest. Er bildet die Lage bis kurz vor dem internationalen Abzug ab.
22. Juli: "Ich möchte, dass wir hier denen, die uns sehr stark geholfen haben, auch wirklich einen Ausweg geben", sagt
8. August: Die Taliban nehmen mehrere Provinzhauptstädte ein - darunter auch Kundus, wo die Bundeswehr jahrelang stationiert war.
10. August: US-Geheimdienste rechnen damit, dass Kabul in 30 bis 90 Tagen in Taliban-Hände fällt. Das berichtet die "Washington Post".
11. August: Die Bundesregierung setzt wegen der Sicherheitslage Abschiebeflüge nach Afghanistan aus.
Mitte August fällt Masar-i-Scharif an die Taliban
13. August: Der Bundesnachrichtendienst berichtet nach Informationen des "Tagesspiegels": Eine Übernahme Kabuls durch die Taliban vor dem 11. September sei "eher unwahrscheinlich". Noch an diesem Tag sei den verteidigungspolitischen Fachleuten der Fraktionen von der Bundesregierung gesagt worden, es sei nicht davon auszugehen, "dass Kabul von den Taliban kampflos eingenommen werden wird", sagt der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Henning Otte (CDU), später. Mittlerweile stehen 18 der 34 Provinzhauptstädte unter der Kontrolle der Milizen.
14. August: Masar-i-Scharif fällt an die Taliban, die jetzt 22 Provinzhauptstädte kontrollieren. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärt, er wolle notfalls erst auf deutschem Boden die Identität afghanischer Ortskräfte überprüfen und Visa erteilen lassen. Das Ministerium betont später, man habe bereits Ende Mai erklärt, einem solchen "Visa on arrival"-Verfahren "wenn es hart auf hart kommt" nicht im Wege zu stehen, und sei auch bereit, die Sicherheitsüberprüfung in Deutschland nachzuholen. Dies setze aber Charterflüge voraus, für die das Innenministerium ab Mitte Juni "grundsätzlich offen" gewesen sei - Linienflüge könnten Betroffene ohne Visum nicht nutzen.
15. August: Die Taliban erobern Kabul und übernehmen die Macht im Land, der afghanische Präsident Aschraf Ghani flieht. Deutschland evakuiert seine Botschaft und verlegt das Personal zum Flughafen in Kabul. Deutsche werden aufgefordert, das Land zu verlassen.
16. August: "Wir alle - die Bundesregierung, die Nachrichtendienste, die internationale Gemeinschaft - wir haben die Lage falsch eingeschätzt", sagt Aussenminister Maas über den schnellen Vormarsch der Taliban. Auch Kanzlerin Merkel spricht von einer "falschen Einschätzung". Zuvor waren 40 Mitarbeiter der deutschen Botschaft mit einem US-Flugzeug aus Kabul nach Doha in Katar gebracht worden.
17. August: Die erste Evakuierungsmaschine der Bundeswehr fliegt unter chaotischen Umständen sieben Menschen aus Kabul in die usbekische Hauptstadt Taschkent. In weiteren Flügen sind dann jeweils mehr als 100 Menschen an Bord. Afghanische Helfer von deutschen Organisationen haben aber Schwierigkeiten, auf den Kabuler Flughafen zu kommen, unter anderem, weil sie von den Taliban an Kontrollpunkten nicht durchgelassen werden.
20. August: Bis Freitagnachmittag fliegt die Bundeswehr rund 1700 Menschen aus Afghanistan aus. "Die Menschen, die am Flughafen von Kabul stehen, erwarten zu Recht, dass wir uns um sie kümmern und sie da rausholen", sagt Maas dem "Spiegel". "Ich will dazu beitragen, dass nach unseren Fehlern nicht auch noch verzweifelte Menschen im Stich gelassen werden."
22. August: Das britische Verteidigungsministerium teilt mit, dass bei chaotischem Gedränge am Flughafen in Kabul sieben Zivilisten gestorben sind. Tausende Menschen harren am Flughafen in der Hoffnung aus, Afghanistan verlassen zu können. Die Bundeswehr hat inzwischen mehr als 2500 Menschen ausgeflogen. (dpa/fra)
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