Der Opiumhandel bildet das wirtschaftliche Rückgrat der Taliban. Afghanistans Präsident Ghani glaubt: Werden keine Drogen mehr produziert, gibt es Frieden. Doch so einfach ist es nicht.

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Afghanistan bleibt ein Kriegsland: Seit Mitte letzten Jahres fliegen die USA wieder verstärkt Luftangriffe.

Dabei bombardieren US-Jets mit Unterstützung afghanischer Regierungstruppen einerseits Stellungen radikaler Islamisten, allen voran der Taliban.

Ebenso trifft es aber auch Felder, auf denen Schlafmohn angebaut wird - das Ausgangsprodukt für Opium - sowie Drogenlabore, in denen dann daraus Heroin hergestellt wird.

Afghanistan ist grösster Opium-Produzent der Welt

Rund 90 Prozent des weltweit erzeugten Opiums kommen laut UNODOC, der UN-Behörde zur Bekämpfung des Drogenhandels, aus Afghanistan: Das entspricht etwa 9.000 Tonnen pro Jahr.

Auch der Schlafmohnanbau floriert immer noch in Afghanistan, allein im letzten Jahr ist er um 63 Prozent gestiegen - auf 328.000 Hektar. Das entspricht fast eineinhalb Mal der Fläche des Saarlandes.

Zwar hat der Anbau von Schlafmohn in Afghanistan lange Tradition, auch Opium wird daraus schon lange gewonnen.

Neu ist hingegen die Produktion von Heroin: Begünstigt durch die Kriegswirren war es ein Leichtes, die Gerätschaften für die Giftküchen ins Land zu schmuggeln. Nun wird auch afghanisches Heroin in alle Welt exportiert.

Taliban profitieren vom Drogenhandel

"Heroin ist der Treibstoff, der diesen Krieg vorantreibt", sagte der afghanische Staatspräsident Ashraf Ghani unlängst.

Er ist überzeugt: Ohne das lukrative Geschäft mit den Drogen hätten die Taliban keine Macht mehr in dem 30-Millionen-Einwohner-Land.

Zwar sind die Taliban weder am Anbau von Schlafmohn noch an der Produktion von Opium und Heroin direkt beteiligt. Sie kassieren aber gleich doppelt Schutzgeld: von den einfachen Mohnbauern ebenso wie von den Betreibern der Drogenküchen.

Laut einer UNODOC-Schätzung haben die Mullahs, die 27 von 34 afghanische Provinzen direkt oder indirekt kontrollieren, allein im Vorjahr dadurch um die 200 Millionen Euro eingenommen.

Die Taliban kaufen mit dem Geld Waffen und betreiben Religionsschulen. Vor allem aber bleiben sie für junge Menschen attraktiv - auch weil diese kaum Alternativen in dem bitterarmen Land haben.

"Junge Männer gehen zu den Taliban, weil sie sich von der korrupten Regierung nichts erwarten können", sagt der Wiener Politikwissenschaftler und Afghanistan-Experte Sarajuddin Rasuly im Gespräch mit unserer Redaktion. "Bei den Taliban bekommen sie Sicherheit und Geld."

Rasuly relativiert aber die Einschätzung des afghanischen Präsidenten Ghani, wonach alleine die Zerstörung der Drogenlabore den Krieg im Land beenden würde.

"Wenn es keine Drogen mehr gibt, werden die Taliban andere Finanzierungsquellen finden", sagt er. Afghanistan sei reich an Bodenschätzen: "In naher Zukunft könnten sie aus Edelsteinen und Gold finanziellen Nutzen ziehen."

Die Probleme im Kampf gegen die Drogen

Die vollkommene Zerstörung der Drogenlabore ist zudem ohnehin kaum möglich. Das Auffinden der gut versteckten Giftküchen gleicht in dem riesigen Land der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.

Auch der Schlafmohnanbau wird derzeit nicht in einem ausreichenden Mass unterbunden. 2017 wurden gerade einmal 750 Hektar zerstört, knapp mehr als zwei Prozent der Gesamtanbaufläche.

Und dazu kommen noch Verbindungen der Drogenbosse bis weit in Regierungskreise hinein.

Selbst die Familie des früheren Staatspräsidenten Hamid Karzai (2001 bis 2014) soll in den Opiumhandel verwickelt gewesen sein.

Seinem Nachfolger, dem aktuellen Präsident Ghani, könne man den Vorwurf der Korruption aber nicht machen, sagt Experte Rasuly.

Lösung gibt es nur unter Einbeziehung Pakistans

Rasuly sieht den Einfluss der Atommacht Pakistan auf die Taliban als das eigentliche Problem.

"Das ist ein politischer Krieg, der über die Taliban ausgetragen wird", sagt er. Pakistan habe ein strategisches Interesse an der Destabilisierung Afghanistans, um seine Vorherrschaft in der Region zu sichern.

Schon seit geraumer Zeit betreibt Präsident Ghani daher auch eine Politik der Annäherung an Indien, das Afghanistan mit Entwicklungshilfe und im Kampf gegen den Terror unterstützt.

Das ist aber eine Provokation von Pakistan, das mit Indien seit Jahrzehnten verfeindet ist - und damit wiederum ein Problem für einen möglichen Frieden.

Man sieht: Mit der Bekämpfung des Drogenhandels alleine ist es nicht getan.

Wie könnte also eine mögliche Lösung des Konflikts aussehen?

"Man kann Frieden schaffen, wenn die internationale Gemeinschaft Pakistan dazu zwingt, seine Unterstützung aufzugeben", so Rasuly. Allen voran seien hier die USA und Russland gefordert.

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