Es war eine einfache Bitte, doch ihre Folgen waren fatal: Drei junge Männer um die 20 schlugen am Samstagabend in einer Regionalbahn in Brandenburg mit Fäusten auf einen Familienvater ein.

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Und das offenbar nur, weil das Opfer die Gruppe zuvor gebeten hatte, etwas leiser zu sein, so die Polizei. Auch die 32-jährige Ehefrau und der 6-jährige Sohn wurden verprügelt – alle drei mussten anschliessend im Krankenhaus behandelt werden. Die Täter flüchteten indes am nächsten Bahnhof.

Der Ausraster in Brandenburg ist kein Einzelfall.

Immer wieder schrecken Meldungen über besonders brutale Jugendliche auf. Einer der besonders drastischen Fälle: 2009 schlugen an einem S-Bahnhof in München zwei Jugendliche den Unternehmer Dominik Brunner zu Tode, weil er vier Schüler vor den Pöblern schützen wollte. Oft reichen dabei Kleinigkeiten, damit die Täter ausrasten, so scheint es: Etwa die Aufforderung, nicht zu rauchen – oder sich leiser zu unterhalten wie nun in Brandenburg.

Statistik: Gewalttaten im ÖPNV gehen zurück

Dabei zeigt die Statistik: Zwar stiegen die Straftaten im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) 2013 mitunter an, etwa in Berlin um fast 11 Prozent. Jedoch gingen die Delikte "mit Gewaltcharakter" um rund zwei Prozent zurück. Ähnlich sieht es auch in anderen Grossstädten aus wie München, wo im ÖPNV die Zahl der Straftaten mit Körperverletzung von 637 auf 562 sank – ein Minus von rund 12 Prozent. Laut einer Forsa Umfrage vom April 2014 fühlen sich denn auch rund 92 Prozent der Befragten während der Fahrt in Zügen oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln sicher.
Christian Laue kennt diese Statistiken genau. "Die Zahlen gehen seit zehn Jahren beständig zurück", sagt der Wissenschaftler, der am Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg unter anderem zu Jugendkriminalität forscht. Zwar werde oft das Gegenteil behauptet, doch beweisen lasse sich diese These nicht. Gerade erst habe eine Doktorandin des Instituts die vergangenen sieben Jahre in Stuttgart ausgewertet. "Die Qualität der Gewaltkriminalität hat nicht zugenommen", so das klare Fazit.

Und dennoch rücken die besonders brutalen Fälle mehr in den Fokus der Öffentlichkeit, das weiss auch Laue. Denn in Zeiten von Videoüberwachung, digitaler Medien und sozialer Netzwerke verbreiten sich Bilder und Berichte rasend schnell. "Vor zehn Jahren hätte ein Fall wie der in Brandenburg wohl noch weniger Menschen erreicht", sagt Laue. "Viele fassen Gewalt deshalb als neues Phänomen auf. Neu ist aber vor allem, dass heute jeder die Videos im Internet abspielen kann."

Prävention statt höherer Strafen

Doch warum eskalieren manche Situationen deutlich extremer als andere? Einen einzelnen Grund gebe es selten, glaubt Thomas Fischer vom Deutschen Jugendinstitut. "Viele Faktoren können eine Rolle spielen: Zum Beispiel die enthemmende Wirkung von Alkohol, die Dynamik in einer Gruppe oder die Erziehung", erläutert der Forscher. Wichtig seien ebenso das persönliche Umfeld und der Freundeskreis. Auch Laue bestätigt: "Wenn Jugendliche nicht gelernt haben mit Konflikten umzugehen, wissen sie sich oft nur mit Gewalt zu helfen."

Vor diesem Hintergrund sind sich die Experten einig: Nur bessere Prävention könne helfen, höhere Strafen als Abschreckung nicht. Denn diese Logik funktioniere schon bei Erwachsenen nicht. "Auch Jugendliche überlegen sich nicht vorher, was ihnen drohen könnte – sondern erst danach", sagt Laue. Und Thomas Fischer weiss aus seiner Arbeit, dass ein Aufenthalt im Jugendgefängnis sogar einen negativen Effekt haben kann.

Stattdessen sollte etwa die Kinder- und Jugendhilfe dazu beitragen, Probleme in Familien frühzeitig zu erkennen. Auf diese Weise werde von Anfang an verhindert, dass Mutter oder Vater mit der Erziehung überfordert sind. Zugleich sei es damit möglich, Werte wie Gewaltfreiheit mehr zu betonen. Glücklicherweise seien eben diese Werte aber ohnehin weit verbreitet in der Gesellschaft, ist sich Kriminologe Laue sicher. "Für die grosse Mehrzahl der Jugendlichen ist Gewalt ein absolutes Tabu."

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