- Die Fluten sind zurückgegangen, jetzt werden die Schäden deutlich sichtbar.
- Politiker und Politikerinnen diskutieren über Lehren für den Katastrophenschutz.
- Aus den Hochwassergebieten kommen aber auch einige positive Nachrichten.
Mit dem Rückgang der akuten Gefahr in den Hochwassergebieten gewinnt die Debatte über Versäumnisse beim Schutz der Bevölkerung an Schärfe. Eine britische Wissenschaftlerin warf den deutschen Behörden "monumentales" System-Versagen bei der Flutkatastrophe vor. Teile der Opposition im Bundestag richteten heftige Kritik gegen Bundesinnenminister
Dieser machte sich am Montag unter anderem an der zwischenzeitlich von einem Dammbruch bedrohten Steinbachtalsperre in Nordrhein-Westfalen ein Bild der Schäden. Dort entspannte sich die Gefahrenlage ebenso wie in den anderen Hochwassergebieten im Westen Deutschlands und etwa in Bayern. Gleichzeitig stieg die Zahl der Todesopfer am Montag auf mindestens 164: Aus Rheinland-Pfalz wurden 117 und aus NRW 47 Unwetter-Tote bestätigt. In beiden Bundesländern wurde nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Opfer gefunden werden könnten.
Flusswasser wird als Trinkwasser aufbereitet
Für die Überlebenden der Fluten gilt es weiter, Schlamm und Trümmer aus ihren Häusern und von den Strassen beiseitezuschaffen. Vielerorts ist die Infrastruktur etwa mit Brücken, Gleisen, Mobilfunkmasten und Trinkwasserversorgung zerstört. Im stark zerstörten Bad Neuenahr-Ahrweiler etwa holen Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) Wasser aus dem Fluss, in riesigen Trinkwasserbecken wird das schmutzige Flusswasser dann stufenweise gereinigt. Geplant sei, dass das produzierte Trinkwasser mit Fahrzeugen auch in andere betroffene Orte gebracht wird.
Steinbachtalsperre hat "unkritischen Wasserstand erreicht"
Es gab aber auch Lichtblicke: Ein Brechen der in Euskirchen bei Köln gelegenen Steinbachtalsperre habe verhindert werden können, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und Unions-Kanzlerkandidat
Die ebenfalls in der Region gelegene Stadt Erftstadt informierte, dass auf der überspülten Bundesstrasse 265 alle vom Hochwasser eingeschlossenen Fahrzeuge geborgen worden seien. Dabei seien glücklicherweise keine Toten entdeckt worden. Mehr als 100 Fahrzeuge waren dort eingeschlossen; der Rhein-Erft-Kreis hatte erklärt, es sei unklar, ob es alle Insassen rechtzeitig herausgeschafft hätten, als sie von den Wassermassen überrascht wurden.
29 Menschen in Erftstadt weiterhin vermisst
Nach Angaben des Kreises wurden auch im besonders stark getroffenen Erftstädter Stadtteil Blessem bislang keine Todesopfer der Hochwasserkatastrophe gefunden. 29 Menschen galten aber noch als vermisst. In Blessem hatte ein gewaltiger Erdrutsch Strassen und Häuser mitgerissen. Die Abbruchkante am Rand des Kraters gilt weiterhin als Risikozone.
Auch in Teilen Bayerns waren viele helfende Hände mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Nach heftigen Unwettern mit Starkregen waren manche Orte in der beliebten Urlaubsregion rund um Watzmann und Königssee von Wasserfluten und Erdrutschen zerstört worden. Glimpflich verlief das Hochwasser in Passau, wo man sich auf Schlimmeres eingestellt hatte - Donau und Inn stiegen letztlich nicht so stark an. Auch Sachsen kam diesmal vergleichsweise gut davon. Nach Starkregen und Überflutungen rechnete die Landesregierung aber auch hier mit Schäden in Millionenhöhe.
Meteorologen rechnen mit neuen Gewittern zum Wochenende
Die aktuelle Wetterberuhigung in Deutschland könnte zum Wochenende schon wieder vorbei sein. Die Meteorologen rechnen mit neuen Gewittern, die sich von Südwesten her ausbreiten.
Aus Sicht der Hydrologin Hannah Cloke von der englischen Universität Reading ist in Deutschland bei der Warnung der Bevölkerung viel schiefgegangen. Klare Hinweise, die im Rahmen des europäischen Frühwarnsystems EFAS (European Flood Awareness System, auf Deutsch: Europäisches Hochwasseraufklärungssystem) bereits vier Tage vor den ersten Überschwemmungen herausgegeben worden seien, seien offenbar nicht bei den Leuten angekommen, sagte sie der Zeitung "Sunday Times".
Hat der Katastrophenschutz versagt?
Seehofer, der nach seinem Besuch an der Steinbachtalsperre nach Bad Neuenahr-Ahrweiler weitergereist war, wies Kritik am Warnsystem des Katastrophenschutzes im Zusammenhang mit dem Hochwasser zurück. Die Dinge in Deutschland hätten gut funktioniert, sagte er in der Stadt im Norden von Rheinland-Pfalz. "Ich schliesse nicht aus, dass wir das ein oder andere verbessern müssen." Aber die Warnmeldungen hätten ohne jedes technische Problem funktioniert.
Für den Katastrophenschutz in Friedenszeiten sei nicht der Bund zuständig, sondern die Länder und die Landkreise. Seit einigen Monaten sei man aber dabei, die Unterstützungsleistungsleistungen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) für die Länder zu verbessern.
Zuvor war teils heftige Kritik unter anderem aus der Opposition im Bundestag gekommen. FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer sah schwere Versäumnisse. "Die rechtzeitigen Warnungen der Meteorologen sind weder von den Behörden noch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinreichend an die Bürgerinnen und Bürger kommuniziert worden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Es bietet sich das Bild eines erheblichen Systemversagens, für das der Bundesinnenminister Seehofer unmittelbar die persönliche Verantwortung trägt."
Linken-Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow brachte sogar eine Rücktrittsforderung ins Spiel. In einer Mitteilung kritisierte sie: "Seehofer trägt die politische Verantwortung für das desaströse Versagen der Bundesregierung." (ash/dpa)
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