Das deutsche Rettungsschiff "Alan Kurdi" mit 65 Migranten an Bord fährt auf die italienische Insel Lampedusa zu. Italiens Innenminister Salvini will das Schiff nicht anlegen lassen. Nach dem Konflikt um die "Sea Watch 3" bahnt sich der nächste Streit an.
Das deutsche Rettungsschiff "Alan Kurdi" von Sea-Eye mit 65 aus dem Mittelmeer geretteten Flüchtlingen an Bord befindet sich etwa eine Seemeile vor den italienischen Hoheitsgewässern und rund 13 Seemeilen vor der italienischen Insel Lampedusa, darf aber in Italien nicht anlegen. Nur vier Tage nach der Freilassung der Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete aus dem Hausarrest droht damit eine erneute Konfrontation zwischen Deutschland und Italien.
65 Migranten von einem Schlauchboot aufgenommen
Die "Alan Kurdi" hatte nach eigenen Angaben in internationalen Gewässern vor Libyen 65 Migranten von einem überladenen Schlauchboot aufgenommen. 39 von ihnen hätten angegeben, noch minderjährig zu sein. Der Jüngste sei erst zwölf Jahre alt, berichtete Sea-Eye.
Insgesamt 48 der Geflüchteten stammten aus Somalia in Ostafrika, zwei seien Libyer. Einer der Somalier habe erzählt, er schon vor drei Jahren aus seiner Heimat aufgebrochen, habe drei Monate für die Durchquerung der Wüste benötigt und einen Freund verloren, der an der libyschen Grenze erschossen worden sei.
Italiens Innenminister Matteo Salvini erklärte prompt, das Schiff dürfe nicht nach Italien fahren - auch nicht im Fall einer späteren Weiterverteilung der Migranten auf andere Staaten. Das hatte er jedoch auch schon im Fall von Racketes Rettungsschiff "Sea-Watch 3" verkündet - ohne Erfolg.
"Italien (...) beabsichtigt nicht, weiterhin der einzige "Hotspot von Europa" zu sein", betonte er. Eine Verschlechterung der Situation an Bord werde ausschliesslich auf Deutschland als Flaggenstaat, auf den Kapitän und die Crew der "Alan Kurdi" zurückfallen, warnte er.
Sea-Eye-Einsatzleiter Gorden Isler sagte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag am Telefon, das Schiff werde vorerst nicht in italienische Hoheitsgewässer einfahren. Der italienische Zoll habe der Besatzung am Morgen ein Dekret Salvini ausgehändigt, mit dem die Einfahrt in die Hoheitsgewässer des Landes untersagt wurde. "Wir beachten erstmal dieses Verbot", versicherte Isler. Ohne triftigen Grund werde Sea-Eye nicht gegen das Dekret verstossen.
Eskaliert der Streit zwischen Deutschland und Italien?
Salvini drängte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in einem Brief, Verantwortung für das Schiff zu übernehmen. Zunächst sah allerdings nichts danach aus, dass die Bundesregierung ihren Kurs mit Blick auf gerettete Migranten im Mittelmeer ändern würde. Wie schon in der Vergangenheit hat sie sich bereiterklärt, Schutzsuchende aufzunehmen - jedoch unter der Voraussetzung, dass auch andere Staaten einwilligen.
"Auch im Fall der 'Alan Kurdi' und der 'Alex' sind wir im Rahmen einer europäisch-solidarischen Lösung bereit, einen Teil der aus Seenot Geretteten aufzunehmen", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Samstag.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte in Berlin, Ziel der Regierung sei es, "eine schnelle Lösung zu finden". Zunächst müsse ein sicherer Hafen gefunden und über die Verteilung der Geretteten auf die EU-Staaten gesprochen werden.
Sea-Eye berichtete, die libysche Küstenwache sei zunächst nicht zu erreichen gewesen. Später habe sie dem Schiff einen Hafen zugewiesen, wo die Geretteten an Land gebracht werden könnten. Dies habe die Organisation aber abgelehnt: "Wir werden keine Geretteten zurück in libysche Foltergefängnisse bringen", schrieb Sea-Eye auf Twitter.
Wohl rund 80 Migranten vor Tunesien ertrunken
Unterdessen zeichnet sich eine weitere Tragödie im Mittelmeer ab: Nach einem Bootunglück vor der Küste Tunesiens befürchtet die Internationale Organisation für Migration (IOM) Dutzende Tote. Die Informationslage sei noch unübersichtlich, allerdings bestehe die Gefahr, dass 82 Menschen ums Leben gekommen seien, sagte IOM-Sprecher Flavio Di Giacomo. (dpa/msc/mcf)
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