Eine Bayerin wird rassistisch beleidigt, weil sie ein Dirndl trägt: Für Imoan Kinshasa gehören solche Vorfälle wie der jüngste auf dem Weinfest in Traiskirchen zum Alltag. Doch sie erfährt eine ungeahnte Welle der Solidarität.
Eigentlich sollte es ein normaler Besuch auf einem Weinfest werden, ein netter Abend mit Freunden. Doch: "Mein Lachen täuscht", schreibt Imoan Kinshasa in einem Posting, das Facebook vorübergehend gesperrt hatte. Weil es gegen die Regeln des Netzwerks für Hassbotschaften verstiess. Dabei galt der Hass nur ihr selbst.
Imoan Kinshasa heisst eigentlich anders, will aber ihren echten Namen nicht in den Medien lesen. Auch so erfährt sie oft genug, was es heisst, als schwarze Frau in Mitteleuropa zu leben.
"Alltagsrassismus ist für Menschen wie mich allgegenwärtig", sagt die 25-Jährige unserer Redaktion. "Egal wo wir hingehen: Wir können uns und unsere Herkunft nicht verstecken." Ihr Pseudonym deutet diese Herkunft an: Imoans Vater kommt ursprünglich aus Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo.
Imoan selbst ist in Bayern geboren, lebt und arbeitet in Wien. Gemeinsam mit Nachbarn wollte sie das Weinfest in Traiskirchen in Niederösterreich besuchen, traditionell in Tracht, wie man das in Bayern und Österreich eben macht.
Schon als Kind habe sie Dirndl getragen, schreibt Imoan in ihrem Posting. Sie sei der Star gewesen im Trachtenverein, Touristen liessen sich mit ihr fotografieren.
"Ein N**** im Dirndl, jetzt habe ich alles gesehen"
Auch auf dem Weinfest in Traiskirchen stand sie im Zentrum der Aufmerksamkeit. "Ich habe mich wunderschön und stark gefühlt. Als ich heimkam, war ich den Tränen nahe."
Kaum aus dem Zug ausgestiegen, gab es den ersten Kommentar von einem Halbstarken: "Jetzt hab ich alles gesehen, ein N**** im Dirndl, das kann ich jetzt abhaken."
In ihrem Facebook-Posting schreibt sie das N-Wort aus - vielleicht der Grund, warum es gesperrt wurde.
"Eine Gruppe von 16-, 17-jährigen Jungs. Als ich sie angefahren habe, ob sie ein Foto zwecks Glaubwürdigkeit wollen, stammeln sie 'Entschuldigung' und rennen peinlich berührt an uns vorbei", beschreibt Imoan den Vorfall.
Der Abend ging in ähnlicher Tonalität weiter: Viele Menschen starrten, tuschelten, lachten. "Ich weiss, einige haben sich sicherlich gedacht, wie hübsch ich aussehe", schreibt Imoan. Doch gefühlt habe sie sich "wie eine Aussätzige".
Von Welle der Solidarität überrascht
Es dauerte eine Weile, bis Facebook ihr Posting sperrte. Als Grund gab das Unternehmen "Hatespeech" an. Tausende Menschen bekundeten zuvor ihr Mitgefühl, teilten die Nachricht, drückten ihre Bewunderung aus für Imoans Mut.
"Ich war richtig baff", sagt Imoan später unserer Redaktion. Sie habe nie damit gerechnet, "dass ich mehr als meine üblichen 20 Likes bekomme". Am Tag davor habe sie noch überlegt, ihren Account zu löschen.
Nicht nur in Österreich, auch international wird über den Fall berichtet: Die britische BBC greift das Thema auf.
Das Trauma "kommt oft im Erwachsenenalter"
Die Vorfälle auf dem Traiskirchener Weinfest seien beileibe nicht das Schlimmste gewesen, das ihr passiert sei, betont Imoan Kinshasa. Als dunkelhäutiges Kind in Bayern aufzuwachsen, sei nicht leicht gewesen.
"Mir wurde oft suggeriert, dass mit mir etwas nicht stimmt", erzählt sie. "Als Kind zu begreifen, wieso und warum man so behandelt wird, ist unmöglich." Als junger Mensch liessen sich solche Situationen nicht einschätzen oder einordnen. "Das Trauma kommt oft im Erwachsenenalter."
Noch immer sei ihr Alltag von Diskriminierung durchzogen. "Man wird schlecht oder gar nicht bedient, bekommt Absagen bei Bewerbungen", beschreibt Imoan. "Es ist nicht leicht."
Aufgeben kommt für die 25-Jährige jedoch nicht in Frage. Auch gegen ihre Sperre bei Facebook hat sie sich erfolgreich gewehrt: Nach eineinhalb Wochen ist ihr ursprüngliches Posting nun wieder freigegeben worden.
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