Im Juli 2012 tötete ein Amokläufer in der US-Kleinstadt Aurora zwölf Menschen in einem Kino zum Start des neuen "Batman"-Films und verletzte Duzende. Nach mehr als zweieinhalb Jahren soll nun der Prozess gegen ihn beginnen. Doch warum verzögerte sich das Verfahren so lange?
Wieder war es ein schwer bewaffneter Täter, wieder streckte er wehrlose Menschen öffentlich nieder. Fast in trauriger Regelmässigkeit erleben die USA solche tragischen Amokläufe wie den am 20. Juli 2012: Zwölf Kinobesucher sterben an diesem Tag bei dem Massaker von Aurora, einem Vorort von Denver in Colorado. Fast 60 Menschen werden verletzt.
Am Dienstag soll nun der Prozess gegen den Täter beginnen. Angeklagt ist James Eagan Holmes, ein junger Mann von inzwischen 26 Jahren mit einst feuerroten Haaren. Für seine Tat in der Todesnacht brauchte er nicht einmal eine Stunde.
Mit Tränengas und Waffen stürmt der Täter das Kino
Hunderte Fans fiebern in der Tatnacht in vier ausverkauften Kinosälen dem Start des neuen "Batman"-Films "The Dark Knight Rises" entgegen – unter ihnen auch Holmes. Als die Vorstellung um Mitternacht beginnt, schleicht er sich durch einen Notausgang nach draussen, legt eine Gasmaske und eine kugelsichere Weste an. Um 0.37 Uhr stürmt er zurück in Saal 9, bei sich ein Sturmgewehr, eine Shotgun und eine Pistole.
Zuschauer berichten, wie Holmes zunächst eine Tränengasgranate wirft und anschliessend das Feuer eröffnet. Am Anfang denken einige Besucher noch, die Schüsse gehörten zum Film. Doch als die Kugeln die ersten Menschen treffen, begreifen alle: Das hier ist real. "Er ist langsam die Treppe heraufgekommen, ruhig, völlig ruhig hat er sich die Leute ausgesucht, auf die er zielte", erzählt eine Augenzeugin später.
Panisch rennen die Besucher aus dem Saal des Kinos. Binnen weniger Minuten gehen bei der Polizei Hunderte Notrufe ein. Um 0.46 Uhr entdecken die Beamten Holmes auf dem Parkplatz hinter dem Gebäude. Er lässt sich verhaften. Bei seiner Festnahme sagt der junge Mann den Polizisten, er sei der "Joker": Im zweiten Teil der "Batman"-Triologie hatte der zum Clown geschminkte "Joker" (gespielt vom während der Dreharbeiten verstorbenen Heath Ledger) eine ganze Stadt terrorisiert. Für die Kinobesucher an diesem Abend blieb der Terror keine Fiktion, sondern wurde zum Albtraum.
Streit um psychiatrisches Gutachten verzögert Prozess
Mehr als zweieinhalb Jahre sind seit dem Massaker vergangen – doch warum dauert es so lange bis zum Prozessbeginn? Das hat mit dem möglichen Urteil gegen Holmes zu tun. Die Staatsanwaltschaft hat die Todesstrafe beantragt. Die Verteidigung hingegen plädiert darauf, Holmes habe sich während der Tat "in den Fängen eines psychotischen Schubs" befunden und sei damit unzurechnungsfähig.
Im Zentrum der Diskussion stehen zwei Psychiatrie-Gutachten, die klären sollen, ob Holmes tatsächlich schuldunfähig ist. Ein erstes Gutachten vom Sommer 2014 hatte das Gericht bereits als "unvollständig und unangemessen" abgewiesen. Also erstellten Psychologen ein zweites Gutachten. Um dieses eingängig prüfen zu können, gewährte das Gericht den Verteidigern anschliessend mehr Zeit.
Das war im Oktober 2014 – und bereits das fünfte Mal, dass der Prozess wegen neu gewährter Fristen oder Unvollständigkeit eines Gutachtes verschoben wurde. Nun sollen die Verzögerungen ein Ende haben und die Verhandlungen beginnen.
Wurden die Waffengesetze seitdem verschärft?
Das ist die eine Seite, die Gerechtigkeit für die Angehörigen der Opfer bringt. Doch es gibt noch eine zweite, die ganz Amerika betrifft: Die Frage nach den Waffenrechten. Denn so brutal der Amoklauf auch war, so wenig unternahm die Politik danach. Nur wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen 2012 wollten sich weder Barack Obama noch sein Herausforderer Mitt Romney an einem derart kontroversen Thema die Finger verbrennen.
Es brauchte erst ein weiteres Massaker im Dezember desselben Jahres an einer Grundschule in der Kleinstadt Newton, bis der wiedergewählte Obama endlich aktiv wurde. Er startete eine grosse Kampagne, um die Waffengesetze zu verschärfen, schickte seinen Vize Joe Biden als Werber und traf selbst Senatoren unter zum Gespräch unter vier Augen. Doch am Ende nutze alles nichts.
Bei der entscheidenden Abstimmung votierten nur 54 von 100 Senatoren für schärfere Gesetze – mindestens 60 wären nötig gewesen. Inzwischen ist der Rückhalt für Waffenträger in der Bevölkerung sogar noch gestiegen, wie eine Umfrage des Pew Research Center zeigt: Statt 51 Prozent wie im Januar 2013 fordern heute nur noch 46 Prozent strengere Kontrollen für Waffenbesitzer.
Umso genauer werden die rund 800 Angehörigen aus Aurora nun auf den Prozess gegen Holmes schauen. Bis zu einem Urteil müssen sie sich allerdings noch länger gedulden: Die ersten Beweise sollen nicht vor Juni gesichtet werden.
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