Geburten, Geburtstage, Staatsbesuche oder einfach nur der Verzicht auf eine Strumpfhose - für die Vorgänge im Leben der Queen und ihrer royalen Familienmitglieder interessieren sich Menschen auf der ganzen Welt. Doch was macht die Royals so besonders? Wir haben einen Kommunikationswissenschaftler gefragt.

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Prof. Zöllner, warum begeistern sich so viele Menschen für Königsfamilien?

Oliver Zöllner: Ich glaube, die grösste Faszination, die Königshäuser und der Adel allgemein ausüben, ist, dass es sich dabei um Menschen handelt, die quasi überalltäglich sind. Sie heben sich von unserem relativ banalen Leben scheinbar ab.

Speziell das britische Königshaus erfreut sich auch ausserhalb Grossbritanniens grosser Popularität. Was ist an ihm besonders?

Zum einen liegt es sicher daran, dass das britische Königshaus zum Beispiel mit deutschen Adelsdynastien verwandtschaftlich eng verbandelt ist.

Und es liegt sicher auch daran, dass das britische Königshaus seit Jahrzehnten die farbenfrohesten Geschichten überhaupt bietet - über Eifersuchtsdramen, über Fehltritte, über Ehebrüche, über Wutausbrüche und ähnliches.

Diese Verwicklungen, insbesondere natürlich der prominente Scheidungskrieg und überhaupt das ganze Drama um Prinzessin Diana, das sich über viele Jahre hingezogen hat: Das hat auch in anderen Ländern die Auseinandersetzung speziell mit dem britischen Königshaus geprägt, und das erklärt sicher die Prominenz dieser Dynastie.

Die intimen Dramen innerhalb der Familie kamen also ihrer Prominenz zugute. Denken Sie, dass das britische Königshaus bewusst dafür sorgt, dass solche Geschichten öffentlich bekannt werden oder hätten die Mitglieder lieber ihre Ruhe?

Die Antwort muss man differenziert geben. Zum einen ist die britische Königsfamilie - um Königin Elisabeth zu zitieren - eine Firma. Sie nennt sie jedenfalls so. Man muss sich das durchaus so vorstellen, dass die Royals morgens aufstehen, frühstücken und dann wirklich ins Büro gehen und ihrer Arbeit nachgehen. Und sie haben einen vollen Terminkalender.

Die Öffentlichkeitsarbeit betreiben sie dabei auch sehr bewusst. Die königliche Familie und ihre unterschiedlichen Haushalte haben eigene Pressebüros, eigene Stabsstellen, die das strategisch durchführen.

Läuft das heute hauptsächlich über die sozialen Medien?

Natürlich gibt es Social-Media-Postings, die relativ offiziös und zurückhaltend sind, aber das ist längst nicht alles. Berühmt geworden ist ja vor fünf Jahren dieser scheinbare Schnappschuss, den der Vater von Herzogin Catherine gemacht hat. Darauf sitzt sie mit dem neugeborenen Baby und ihrem Ehemann William auf dem Rasen des Privatanwesens der Familie Middleton mit den zwei Hunden links und rechts.

Dieser Schnappschuss wurde ganz bewusst von der Pressestelle der königlichen Familie an die Medien lanciert mit dem Hinweis, dass das eigentlich ein privater Schnappschuss sei. Aber es war der erste Schnappschuss überhaupt von dem damals 14 Tage alten Säugling George.

Die Weltpresse hatte so ein Bild natürlich eingefordert. Also hat die königliche Familie es selbst geliefert, eben aus der Hand des Schwiegervaters, Michael Middleton. Es wurde in kürzester Zeit millionenfach abgedruckt und ist bis heute ikonisch. Das zeigt, wie sehr die königliche Familie mit all ihren Unterhaushalten darauf bedacht ist, ein passendes Bild für die Medien abzugeben.

Geschichtlich gesehen haben sich die Vorgänger der heutigen Royals viel schlimmerer Taten schuldig gemacht als Wutausbrüche und Rosenkriege, wenn man etwa an die englische Königin Maria I. denkt, die sich den Beinamen "die Blutige" erwarb, weil sie ihre Gegner grausam verfolgen und töten liess. Warum sehen heutige Fans des Königshauses darüber hinweg?

Ich glaube, wir haben es mit einer gewissen Geschichtsvergessenheit zu tun, wenn Königsfamilien oder die Institution des Adels und der Monarchie heute in Europa so sehr romantisiert und als Teil der Popkultur gesehen werden. Diese Sichtweise blendet den per se auf Gewalt und Ausbeutung der niederen Schichten beruhenden absolutistischen Herrschaftsanspruch des Adels aus. Er erscheint uns Nachgeborenen, die wir in liberalen Demokratien leben, heute historisch oft sehr weit entfernt, obwohl diese Zeiten im Grunde in Europa noch gar nicht so lange vorbei sind.

Nicht vergessen sollte man dabei allerdings, dass es in anderen Teilen der Welt nach wie vor absolutistische Monarchien gibt, die ihren Herrschaftsanspruch teilweise mit blutiger Gewalt durchsetzen, man denke etwa an Saudi-Arabien.

Fairerweise muss man mit Blick auf die heutigen britischen Royals hinzufügen, dass sie als Individuen nicht für die teils blutigen Handlungen ihrer Vorgänger belangt werden können. Das wäre Sippenhaft - und davon haben wir uns in der Moderne ja gottlob verabschiedet. Jeder Mensch hat das Recht, nach seinen eigenen Handlungen beurteilt zu werden. Und das gilt auch für Royals.

Im 21. Jahrhundert ist die Existenz eines Königshauses dennoch nicht selbstverständlich. Wie bemühen sich die Angehörigen um Akzeptanz?

Königsfamilien sind ja ein völlig vormodernes Konzept und ein Staat würde auch ohne sie funktionieren. Aber sie haben eine grosse symbolische Macht und diese kann man als eine Art Public-Relations-Funktion für ein Land betrachten. Diese besteht darin, dass sie durch ihre symbolische Kraft die Bevölkerung zusammenhalten. Das ist die Funktion nach innen.

Es gibt auch noch eine PR-Funktion nach aussen, die schon von vielen Ländern mit Blick auf ihre Royals erkannt worden ist: nämlich dass sie einfach ein grosser Imagefaktor und damit auch ein Wirtschaftsfaktor sind.

Die britische königliche Familie ist nicht ohne Grund in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett vertreten. Sie erwirtschaftet indirekt als Tourismusmagnet für Grossbritannien viel Geld, weil die Leute nicht nur das Wachsfigurenkabinett anschauen wollen, sondern auch die königlichen Gärten und Schlösser.

Sie wollen auf den Spuren von Prinzessin Diana, von Königin Elisabeth und neuerdings auch auf den Spuren von Herzogin Meghan wandeln. Der jährliche Beitrag der Monarchie zur britischen Wirtschaft wurde für 2017 auf 1,766 Milliarden Pfund geschätzt.

Das Ansehen der britischen Royals in der Bevölkerung ist ja durchaus Schwankungen unterworfen. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass momentan das positive Image überwiegt?

Nach dem Tod von Prinzessin Diana und den vorausgegangenen Streitigkeiten war das Ansehen der Königsfamilie ja wirklich im Keller. Dass es im Moment insgesamt relativ gut ist, liegt auch daran, dass die Mitglieder sehr geschickt im öffentlichen Raum auftreten und beispielsweise ganz normale Menschen besuchen.

In jüngster Zeit sind Paare wie Meghan und Harry und Catherine und William ein erhebliches Kapital. Einfach, weil sie Menschen wie du und ich zu sein scheinen. Sie sehen jedenfalls nicht mehr wie traditionelle Königskinder aus, sondern wie Menschen mit den üblichen Problemen von jungen Familien. Und sie haben dazu ein sehr schönes, strahlendes Lächeln drauf, das zum positiven Image beiträgt.

Es gibt natürlich auch jetzt Kräfte in Grossbritannien, die Kritik an der Institution Monarchie üben. Aber ich glaube, im Moment sind die Kritiker etwas ruhiger. Es herrscht eine grosse Unsicherheit und Spaltung in der Gesellschaft, die in Grossbritannien derzeit enorm gross ist – nicht nur nach Brexit und Nicht-Brexit, sondern auch nach Nord und Süd und auch nach bestimmten Klassenzugehörigkeiten. Ich glaube, diese Spaltungen in der britischen Gesellschaft sind tief wie noch nie.

Und da ist es für einige zumindest erwägenswert zu sagen, es ist vielleicht ganz gut, dass wir diese sich neutral gebende Institution der Monarchie haben, die manche Spaltungen in der Gesellschaft vielleicht zu übertünchen vermag.

Man hat in ihnen ein gemeinsames, sozusagen überalltägliches Phänomen, auf das sich mehr oder weniger alle noch einigen können.

Prof. Dr. Oliver Zöllner ist Kommunikationswissenschaftler an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Er hat unter anderem die Hintergründe der Verbreitung des berühmten ersten öffentlichen Fotos von Prinz George wissenschaftlich erforscht.
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