Entsetzen in einer Kleinstadt im Odenwald: Ein Hund tötet einen Säugling. Möglicherweise war es ein Kampfhund. Tierschützer warnen aber vor vorschnellen Urteilen.
Das braune Mehrfamilienhaus liegt idyllisch am Ortsausgang der Kurstadt Bad König in einem Wohngebiet. Alles wirkt beschaulich, nur Vogelgezwitscher ist zu hören.
Doch der Schein in der 10.000-Einwohner-Gemeinde im Odenwald trügt: Am Dienstag verlassen Polizei und Spurensicherung eine Erdgeschoss-Wohnung.
Am Vortag ist in dem Haus ein Baby auf tragische Weise tödlich verletzt worden. Der Hund der Familie hat den kleinen Jannis in den Kopf gebissen. Der sieben Monate alte Junge stirbt später im Krankenhaus.
Dabei hatte es zunächst Hoffnung gegeben. Der 23 Jahre alte Vater hatte die Rettungskräfte sofort nach dem Vorfall verständigt - der Zustand des Säuglings galt als stabil.
Am späten Montagabend ist das Kind jedoch tot. Der Vater und die 27 Jahre alte Mutter standen am Dienstag unter Schock, wie die Polizei berichtet.
Entsetzen in der Nachbarschaft
Rentner Frank Schoenmaker, der eine ältere Dame in einem Nachbarhaus betreut, ist entsetzt über den Vorfall.
Er muss gleich an Hannover denken. Dort hat erst vor wenigen Tagen ein Staffordshire-Terrier eine 53-jährige Mutter und ihren 27-jährigen Sohn in einer Wohnung totgebissen.
Jährlich sterben in Deutschland im Schnitt drei bis vier Menschen an Hundebissen oder nach Hundestössen. Das Statistische Bundesamt zählte von 1998 bis 2015 insgesamt 64 Todesopfer.
Ein anderer Rentner in Bad König kennt das Paar mit dem Baby und dem Hund vom Sehen.
Aufgefallen sei ihm aber nichts, auch nicht an dem Hund. Eine 67 Jahre alte Radfahrerin ist geschockt. "Ich fahre da jeden Tag vorbei, habe aber noch nie einen Hund gesehen", sagt die Frau, die ebenfalls ihren Namen nicht nennen will.
Sie selbst hat auch Kinder und früher Boxer gezüchtet. "Aber Boxer sind Familienhunde. Man weiss doch, dass man auf die Rasse achten muss. Die beste Erziehung nutzt nichts."
"Schuld ist immer der am anderen Ende der Leine", betont Rentner Schoenmaker, der selbst einen Hund hat. "Manche Leute sollten einfach keinen Hund haben."
Wesen des Hundes wird untersucht
Doch die Umstände des Vorfalls sind noch nicht klar - auch nicht, ob es sich erneut wie in Hannover um einen Kampfhund handelt. "Es ist ein Mischling", sagt Polizeisprecherin Andrea Löb.
Dem äusseren Anschein nach könne es sich um einen "Staffordshire-Mix" handeln. Im Tierheim, wo der Hund zwischenzeitlich untergebracht wurde, sei er als hoch aggressiv beschrieben worden.
Den Rassenmix und das Wesen des Hundes sollen jetzt Fachleute genau untersuchen, wie die Staatsanwaltschaft ankündigte. Deshalb sei das Tier in die Obhut der Polizei gebracht worden und werde genau untersucht. Mit Ergebnissen sei aber erst in einigen Wochen zu rechnen.
In Hessen steht der Staffordshire-Terrier auf der Liste der gefährlichen Hunde. Halter müssen in der Gemeinde für solche Rassen eine Erlaubnis beantragen - und eine Sachkundeprüfung ablegen. Doch das Tier war nicht als Kampfhund registriert.
"Es gibt noch widersprüchliche Informationen zu dem Hund", sagt der Bürgermeister von Bad König, Uwe Veith (parteilos).
"Alle Hunde können beissen"
Hessens Landestierschutzbeauftragte Madeleine Martin warnt vor allzu schnellen Urteilen in solchen Fällen. Die Rasse von Hunden spiele keine Rolle bei der Frage, ob Hunde aggressiv reagierten.
"Fakt ist, dass bei einem Hund in einer gewissen Grössenordnung Massnahmen zur Erziehung ergriffen werden müssen", sagt sie der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Dazu müsse etwa eine Begleithundeprüfung gehören.
Der hessische Landestierschutzbund weist auch darauf hin, dass die Rasse eigentlich unwichtig sei. "Alle Hunde können beissen", sagt die zweite Vorsitzende Ute Heberer.
Die betroffene Familie ist in dem Heilbad unbekannt. "Sie wohnen noch nicht lange hier", sagt der Bürgermeister.
Schoenmaker kennt sie auch nicht, hat aber Mitleid mit dem Paar. "Wie kommt man damit zurecht?", fragt er sich. "Das macht einen sehr traurig und da hat man auf der einen Seite sehr viel Mitgefühl", sagt ein anderer Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will.
"Auf der anderen Seite habe ich ein Problem damit, wenn es jetzt gleich heisst, das Tier muss getötet werden. Wem nutzt das?", fragt der Mann, der selbst 17 Jahre einen Hund hatte. © dpa
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