Beat Richner, der den grössten Teil seines Lebens als Kinderarzt in Kambodscha verbracht hat, ist am Sonntag in Zürich gestorben. Er hat Generationen von Kindern in einem durch 30 Jahre Krieg zerstörten Land behandelt. Eine Hommage an das Lebenswerk des Kinderarztes, die erstmals anlässlich seiner Rückkehr in die Schweiz vor einem Jahr publiziert wurde.

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Ein gestählter Charakter und ein Glaube, der Berge versetzt: So mein Eindruck, als ich Beat Richner anfangs der 1990er-Jahre in Phnom Penh zum ersten Mal treffe. Allerdings hätte sein Projekt in Kambodscha ohne die Unterstützung des im Oktober 2012 verstorbenen Königs Sihanouk wohl ein baldiges Ende genommen.

Nach 30 Jahren Krieg war der Bedarf an medizinischer Versorgung in dem ausgebluteten Land riesig. Es fehlte an allem. Zwar stand Kambodscha zu diesem Zeitpunkt unter UNO-Protektorat. Doch trotz der Präsenz von Blauhelmen und des 1991 in Paris unterzeichneten Friedensabkommens hielten die Kämpfe gegen maoistischen Guerillakämpfer von Pol Pot an.

Richner praktizierte nach helvetischen Vorschriften und in Spitälern, die von reichen Ländern ausgestattet worden waren. Damit schuf er sich in den ersten Jahren nach seiner Rückkehr nach Kambodscha 1992 viele Feinde. Der Kinderarzt hatte das Land 1975 kurz vor der Machtübernahme durch die Roten Khmer verlassen, nachdem er während ungefähr eines Jahres in Phnom Penh im Spital Kantha Bopha tätig gewesen war.

Korruptes Gesundheitsministerium

Zwar war es die kambodschanische Regierung, die Richner zusammen mit König Sihanouk dazu aufgerufen hatte, das Spital Kantha Bopha zu rehabilitieren. Bald einmal aber stand sie seinem Projekt feindlich gegenüber. Denn der Schweizer äusserte sich kritisch über die Korruption, die besonders im Gesundheitsministerium grassierte – ein Problem, das bis heute nicht an Aktualität eingebüsst hat.

Die Regierung anerkennt den Einfluss der Spitäler von Richner auf die Gesundheit der jungen Kambodschaner erst seit einigen Jahren. Seither unterstützt sie die Einrichtungen auch finanziell.

Die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) brauchte Jahre, bis sie die Spitäler des Schweizers konsequent unterstützte. Nichtregierungsorganisationen aus der Schweiz und dem Ausland kritisierten den originellen Ansatz von Richner. Sowohl Bern als auch die Weltgesundheitsorganisation fanden, sein medizinischer Ansatz sei zu teuer und zu hochentwickelt für ein so armes Land. Schlimmer noch, die medizinischen Behandlungen waren von Beginn an gratis, was nicht den geltenden Prinzipien der Entwicklungspolitik in Sachen Gesundheit entsprach, im Gegenteil.

Dass die Aktivitäten Richners in Kambodscha deshalb kritisiert wurden, ist wenig erstaunlich. Und Nichtregierungsorganisationen betonen zu Recht, dass die Finanzierung der fünf Spitäler auch heute noch nicht dauerhaft gelöst ist. Dies, obwohl die Schweiz sich nach dem Rücktritt von Richner dazu verpflichtet hat, mit der Stiftung Kantha Bopha und der kambodschanischen Regierung eine dauerhafte Lösung zu finden.

Doch haben diese Spitäler während 25 Jahren die ersten Generationen eines vom Krieg geschundenen Landes gerettet. Vann Molyvann, Architekt und Minister von König Sihanouk zwischen 1956 und 1970, sagte 2013: "Durch seinen seit 20 Jahren dauernden Einsatz hat Beat Richner Kambodscha sozusagen gerettet."

Der schweizerisch-französische Regisseur Georges Gachot hat den Dokumentarfilm L'ombrello di Beatocello (2012) über den Zürcher Kinderarzt gedreht.

  © swissinfo.ch

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