Nach dem Felssturz am Mittwoch im Bondasca-Tal in der Schweiz sind noch immer acht Bergwanderer vermisst. Am Freitag stürzte ein weiterer Murgang mit Geröll und Schlamm zu Tal - der Einsatz der Rettungskräfte ist zu gefährlich, die Suche wird trotz Hinweisen eingestellt.

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Den Einsatzkräften bietet sich ein Bild der Verwüstung. Die rund vier Kubikmeter Gestein (entspricht fast zweimal der Cheops-Pyramide), die sich am Mittwoch vom Piz Cengalo gelöst hatten, türmen sich 40 bis 50 Meter hoch auf.

Die Suche nach den acht Vermissten im Val Bondasca kann nicht weitergeführt werden - trotz sich verdichtender Hinweise. Es werden weitere Felsstürze befürchtet.

Zwei Tage nach dem gewaltigen Bergsturz waren am Freitag erneut Geröll- und Schlammmassen talwärts gestürzt.

Zudem ging gegen 21:00 Uhr ein Wasserschwall ab, wie Roman Rüegg, Sprecher der Kantonspolizei Graubünden, dem SRF sagte. Im Vergleich zu den Ereignissen davor sei dieser jedoch "nicht relevant".

Die Gemeinde Bondo hatte zuletzt am 14. August vor einem möglichen Felssturz gewarnt, so Gemeindepräsidenten Anna Giacometti. Die Wanderer hätten gewusst, dass sie sich in einem gefährlichen Gebiet bewegen. Sie wurden durch Hinweistafeln und Warnungen der Hüttenwirte auf die Gefahr aufmerksam gemacht.

Suche mit Helikoptern und Wärmebildkameras

Die vermissten Wanderer und Bergsteiger brachen, nachdem sie in der Sciora-Hütte übernachtet hatten, zwei Stunden vor dem Bergsturz auf. Seither fehlt von ihnen jede Spur.

Die Rettungsmannschaften suchten am Boden mit Suchhunden und aus der Luft. Helikopter überflogen mit Wärmebildkameras und Radar das Gebiet, in dem die Vermissten vermutet werden.

Der Einsatz von moderner Technik kann die Chance Erhöhen, die Abgängigen rechtzeitig zu finden, weiss Gerald Lehner, Pressesprecher der Tiroler Bergrettung und Bundespressesprecher der Bergrettung Österreich.

"Hätten die Verschollenen ein Lawinen- oder Verschüttetensuchgerät mitgehabt, wären die Chancen besser. Die Verschütteten haben mit hoher Wahrscheinlichkeit solche Geräte nicht dabei", so Lehner.

Geringe Chancen, Lebende zu finden

Doch wie gross wäre die realistische Chance gewesen, die Bergwanderer aus Österreich, Deutschland und der Schweiz noch lebend zu finden?

"Wenn ich ehrlich sein darf, ich würde den Kameraden in der Schweiz wünschen, dass sie erfolgreich sind, aber realistisch betrachtet, sind die Chance eher gering", sagt Gerald Lehner.

Ausser, es liege jemand verletzt oder zum Teil verschüttet etwas abseits. "Aber nach menschlichem Ermessen wäre es ein grosses, grosses Wunder, wenn noch jemand lebend gefunden wird."

Er kenne die genaue Situation nicht, betont der Experte, "aber aus meiner Erfahrung von bisherigen Bergstürzen heraus, würde ich das so einschätzen".

Suche trotz Hinweisen eingestellt

Im Verlauf des Samstags hatte eine Lagebeurteilung im Val Bondasca stattgefunden. Danach wurde entschieden, dass eine weitere Suche nach den Vermissten zu gefährlich sei.

Wann eine Suche aufgegeben wird, lässt sich im Vorfeld schwer abschätzen. Da es in diesem Gebiet auch labile Gesteinsschichten gibt, geht die Sicherheit der Retter vor. "So grausig das auch klingt, aber es macht einen Unterschied, ob man 10 Tote oder 20 Tote hat", erklärt Lehner.

Als Bergretter sei man nicht darauf trainiert, immer sein Leben zu riskieren. "Selbstschutz ist das erste Gebot. Wenn man nicht für den Selbstschutz sorgt ist man ein hilfloser Helfer", betont der Experte. "Es bringt nichts, wenn die Retter aus lauter Hilfsbereitschaft auch noch umkommen."

Wer bezahlt die Rettung?

Wenn in Österreich eine Hundertschaft an Rettungskräften unterwegs ist, muss der Einsatz verrechnet werden. Der einzelne Bergretter arbeitet zwar ehrenamtlich, aber der Bergrettungsdienst hat einen stündlichen Tarif pro Kopf, der dem Verunglückten verrechnet wird.

Der Einsatz von Rettungshubschraubern von privaten Firmen wird ebenfalls verrechnet. Kommen in der Schweiz private Anbieter zum Einsatz, wird ebenso eine Rechnung gestellt.

Wie lange dauert es bis der Rettungseinsatz anläuft?

Nach der Verständigung der Rettungskräfte, geht in Österreich alles sehr schnell, so Gerald Lehner. "Wenn die Alarmierung kommt, läuft der Einsatz sofort an. Es dauert dann nur ein paar Minuten bis der erste Hubschrauber über der Unglückstelle fliegt.

Wenn das Wetter allerdings nicht passt und die Hubschrauber nicht fliegen können, müssen die Retter am Boden aufsteigen. Das macht die Suche im Gebirge um ein Vielfaches schwieriger und gefährlicher".

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