Am 26. Dezember jährt sich der tödliche Tsunami in Südostasien zum 15. Mal. Rainer Gottwald erlebte die Jahrhundertkatastrophe im thailändischen Phuket vor Ort, half bei den Aufräumarbeiten und barg Leichen aus einem Frischwasser-Reservoir. Ein Roman half dabei, Menschenleben zu retten.

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Das Weihnachtsfest 2004 war für Rainer Gottwald eine Aneinanderreihung unfassbarer Schicksalsschläge. Am ersten Weihnachtstag verstarb zunächst sein bester thailändischer Freund, der Patenonkel seines Sohnes, überraschend an einem Herzinfarkt. Wenig später hatte ein Angestellter Gottwalds, der in der Provinz Phuket damals vier Wassersportcenter betrieb, einen schweren Verkehrsunfall, bei dem er unter anderem offene Brüche der Oberschenkel erlitt.

Am nächsten Morgen dann wurde Gottwald nach einer kurzen Nacht gegen acht Uhr von einem Erdbeben aus dem Schlaf gerissen. Dass das Beben nur der Vorbote einer Jahrhundertkatastrophe war und den Tsunami auslöste, der am 26. Dezember 2004 in Südostasien und an den Küsten Ostafrikas rund 230.000 Menschen das Leben kostete, ahnte der heute in Deutschland als Boxmanager und -promoter bekannte Gottwald da noch nicht.

Tsunami-Warnsignale in Roman geschildert

In Nai Thon Beach machte er sich auf dem Weg zum Strand, wo sich Bekannte und Verwandte zusammengefunden hatten, um den verstorbenen Freund zu betrauern. Plötzlich fiel Gottwald auf, dass an einer Stelle, wo das Wasser normalerweise 1,50 Meter bis zwei Meter tief ist, eine Boje auf dem Trockenen lag. "Das hatte ich noch nie gesehen", berichtet Gottwald im Gespräch mit unserer Redaktion: "Da habe ich gesagt: So eine Ebbe kann es um diese Zeit nicht geben, das kann doch gar nicht sein."

Gottwalds Freund Dirk Wojcik, der zum Tauchurlaub nach Thailand gekommen war und ebenfalls am Strand war, hatte daraufhin ein Déjà-vu. Das Erdbeben, das sich zurückziehende Wasser – das alles erinnerte Wojcik an eine Passage des kurz zuvor erschienen Bestseller-Roman "Der Schwarm", in dem Autor Frank Schätzing die Warnzeichen eines Tsunami ausführlich beschreibt. Wojczik erzählte Gottwald daraufhin von einer riesigen Welle, die eine ganze Insel überfluten könne.

Evakuierung rettete Menschenleben

Obwohl Gottwald zuvor noch nie von einem Tsunami gehört hatte, begann er ohne zu zögern, den Strand zu evakuieren. Als die letzten Menschen gerade über eine Balustrade auf die Strasse gestiegen waren, schlug auch schon die erste Flutwelle ein. Einige Touristen wollten danach zum Strand zurückkehren, um ihre Sachen zu holen. Doch Gottwald hielt sie zurück. Glücklicherweise, denn wenig später folgte die zweite, noch stärkere Welle.

Aufgrund der rechtzeitigen Evakuierung gab es in Nai Thon an diesem Tag keine Toten, andere Standorte wurden deutlich schlimmer getroffen. Drei der vier Wassersportcenter Gottwalds wurden zerstört, in Nai Yang Beach wurden Autos und Boote durch die Tauchschule gespült, einige Menschen retteten sich auf Palmen, es gab Verletzten und 13 Tote. Auch Tauchfreunde Gottwalds starben an diesem schicksalshaften Tag. "Jeder hat damals jemanden verloren", erzählt er.

Schwierige Aufräumarbeiten

Die Tage, Wochen und Monate nach der Katastrophe wurden von Aufräumarbeiten bestimmt. In Gottwalds Haus war jedes Zimmer mit verletzten oder obdachlos gewordenen Menschen belegt. In Kamala, wo der Tsunami grosse Schäden angerichtet hatte, waren Gebäudeteile und Autos mit Menschen darin in ein Frischwasser-Reservoir gespült worden. Mit einem israelischen Marine-Taucher und zwei Tauchlehrern aus Gottwalds Team machte sich der ehemalige Kampftaucher daran, das Gewässer zu säubern.

Eismassen

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"Wir mussten dafür sorgen, dass da keine Leichen mehr drin waren, damit das Wasser nicht kontaminiert wird", erzählt Gottwald. Als die Taucher eine Pause von ihrer schweren Arbeit machten, kam ein kleines thailändisches Mädchen, etwa drei oder vier Jahre alt, zu der Gruppe. "Sie fragte uns: 'Herr Taucher, meine Oma muss noch da drin sein, die sass im Auto. Könnt ihr die nicht auch noch rausholen?'", berichtet Gottwald: "Das habe ich immer noch im Ohr."

Zustände wie im Krieg

Die öffentliche Ordnung brach in diesen Tagen zusammen. Es kam zu Plünderungen und Vergewaltigungen, das Haus der Gottwalds wurde beschossen, erst als der heutige Boxmanager seine Dobermänner losliess, floh der Angreifer. Als er später dem Polizeichef Phukets von dem Vorfall berichtete, legte dieser zwei Waffen auf den Tisch. Er solle sich eine aussuchen, um sich selbst zu verteidigen. "Es war wie Krieg", erzählt Gottwald.

Begleitet wurden die Aufräumarbeiten von RTL-Kamerateams, Gottwald flog einige Tage nach der Katastrophe nach Deutschland, um gemeinsam mit Autor Frank Schätzing in Günther Jauchs Sendung "Stern-TV" aufzutreten und von seinen Erlebnissen zu berichten. Danach kehrte er zurück nach Phuket und half weiter beim Aufräumen, der Identifikation der Leichen und sammelte mit dem thailändischen Tauchsportverband Spenden, um den Wiederaufbau voranzutreiben.

Die Opferzahlen könnten noch höher sein

Besonders tragisch: Gottwald vermutet, dass die tatsächliche Zahl der Opfer in Thailand noch deutlich höher sein könnte, als es die offiziellen Zahlen widerspiegeln. Der Tourismus in der Region war 2004 auf seinem absoluten Höhepunkt, viele Unternehmen beschäftigten damals Burmesen als illegale Mitarbeiter, die nicht registriert waren und deshalb auch nicht identifiziert werden konnten. "Es wurden Massengräber entdeckt mit hunderten Leichen drin, die niemals erkannt wurden", berichtet er.

Nach fast 15 Jahren verliess Gottwald Thailand 2010, arbeitete im Iran und Libyen, um dann nach Deutschland zurückzukehren und im Boxsport aktiv zu werden. Wenn am 26. Dezember 2019 der Jahrestag des Tsunami ansteht, wird Rainer Gottwald aber in Gedanken wieder in Thailand sein. "Es ist jetzt 15 Jahre her, aber ich werde es immer in mir tragen", sagt er. Wie bei allen Augenzeugen und Überlebenden hat die Jahrhundertkatastrophe in Südostasien auch bei dem einstigen Kampftaucher und Tauchlehrer tiefe Spuren hinterlassen. "Es ist immer noch ein komisches Gefühl, wenn ich am Meer bin", sagt er.

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