Die Corona-Pandemie hat in vielen Ländern ihre Spuren hinterlassen - die Welthungerhilfe richtet den Fokus nun auf die südlichen Staaten. Die Zahl der Hungernden insbesondere südlich der Sahara könnte drastisch steigen, die Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländer werden sinken.
Die Welthungerhilfe warnt, dass die Zahl der Hungernden in der Welt als Folge der Corona-Pandemie auf eine Milliarde ansteigen könnte. Die Infektionswellen verstärkten Auswirkungen von Klimawandel und Kriegen als grösste "Hungertreiber", so die Organisation am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung ihres Jahresberichts 2019.
Nötig seien schnelle Nothilfe, aber auch verstärkte Investitionen in Landwirtschaft und bestehende Hilfsprojekte. Gewarnt wird vor dem Aufbau von Parallelstrukturen, die später zusammenbrechen könnten.
Zahl der Hungertode könnte sich drastisch erhöhen
"Jetzt schlägt die Pandemie in den Ländern des Südens mit voller Wucht zu. Viele Menschen erkranken an COVID-19, viele verlieren ihre Arbeit, die Wirtschaft bricht dramatisch ein, Nahrungsmittelpreise steigen und Gesundheitssysteme sind überfordert", erklärte Marlehn Thieme, Präsidentin der Organisation. "Internationale Solidarität ist jetzt wichtiger denn je. Wir brauchen mehr langfristige Unterstützung für die Anstrengungen der Menschen im Süden."
Sie sprach von "horrenden Zahlen" und verwies auf Erwartungen der Weltbank, wonach bis Ende des Jahres 70 bis 100 Millionen Menschen in extreme Armut gedrängt werden könnten. Auch drohe ein Einbruch von Direktinvestitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Die Zahl der vom Hungertod bedrohten Menschen könne sich bis Ende des Jahres auf 270 Millionen Menschen verdoppeln, sagte Thieme. Sie warnte vor diesem Hintergrund davor, einen "Lockdown" - weitgehende Einschränkungen für das öffentliche Leben und damit auch wirtschaftliche Aktivitäten - als Allheilmittel zu betrachten und Kollateralschäden zu unterschätzen.
"Die Corona-Pandemie funktioniert wie ein Brandbeschleuniger für ohnehin schon bestehende Krisen. In der Folge droht die Zahl der Hungernden auch aufgrund des Klimawandels und der weltweiten Kriege auf eine Milliarde zu steigen", so Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe. "Die Vielzahl der Krisen könnte ein Ausmass annehmen, wie wir es bisher noch nie erlebt haben. Afrika südlich der Sahara wird darunter besonders leiden."
Summe der Rücküberweisungen sinkt
Mogge sagte, oft sei zu hören: "Wir werden eher an Hunger sterben als an Corona." Er nannte als Beispiel die Lage in Simbabwe, wo sich die Zahl von Menschen in extremer Armut auf sechs Millionen Menschen verdoppelt habe.
Die Summe der sogenannten Rücküberweisungen - mit denen Migranten ihre Familie in der Heimat mit Geld unterstützen - sei von 40 Millionen auf 20 Millionen Euro gesunken. In anderen Staaten sei das ganze Ernährungssystem akut gefährdet: Es fehle Saatgut, Felder würden nicht bestellt, Kredite nicht mehr bedient.
Im Jahr 2019 standen der Welthungerhilfe nach eigenen Angaben 249,7 Millionen Euro im Kampf gegen Hunger und Armut zur Verfügung. Die Spendeneinnahmen lagen demnach bei 56,6 Millionen Euro - ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Die öffentlichen Geber stellten 189,5 Millionen Euro für die Projektarbeit bereit. Der Anteil der Bundesregierung betrug mehr als 40 Prozent, der grösste Einzelgeber davon war das Bundesentwicklungsministerium mit 37,1 Millionen Euro. Die höchste Projektförderung erhielt Südsudan mit 40,6 Millionen Euro gefolgt von Sudan (19,9) und dem Krisengebiet Syrien/Türkei (18,9). (awa/dpa)
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