Der Rassismus-Eklat um ein Partyvideo auf Sylt sorgt bundesweit für Aufsehen. Der Medienrummel erinnert an die 9-Euro-Punks vor zwei Jahren. Warum rückt Sylt so oft in den Mittelpunkt?

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Die Eiswürfel klirren in den Gläsern, aus den Musikboxen dröhnen Bässe über die Terrasse des Nobellokals Pony auf Sylt. Dort, wo junge Männer und Frauen auf einer Pfingstparty vor einer Woche offenbar rassistische Parolen gegrölt hatten, sitzen am Freitagabend Menschen unter dem rosafarbenen Abendhimmel und trinken entspannt Gin-Tonic.

Am Abend, nachdem das Party-Video sich viral verbreitet hatte, sitzen hier nur wenige Menschen, die Kellner wirken erschöpft vom Medienrummel rund um die "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!" -Gesänge zur Melodie eines Party-Hits.

Staatsschutz ermittelt, Scholz äussert sich

Der Eklat um das Video, das zu Pfingsten in dem Lokal im Inselort Kampen entstanden sein soll, beschäftigt jetzt ganz Deutschland. Seit Donnerstagabend geht der kurze Clip in den sozialen Medien viral - das Entsetzen ist gross. Der Staatsschutz ermittelt, Politikerinnen und Politiker äussern sich schockiert.

Vor zwei Jahren waren Punks aus ganz Deutschland mit dem 9-Euro-Ticket nach Sylt gereist und hatten unter anderem mit ihrem Protestcamp für Schlagzeilen gesorgt. Ähnlich wie damals wird jetzt bundesweit über die Menschen geschrieben, getwittert und diskutiert, die auf Sylt zu "L’amour toujours" von Gigi D'Agostino - scheinbar völlig ungeniert und ausgelassen - rassistische Parolen grölen.

Ein Mann scheint mit seinen Fingern auf der Oberlippe einen Hitlerbart anzudeuten. Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich öffentlich zu den Vorkommnissen im Pony geäussert. Es ist nicht das erste Mal, dass das Lied in Deutschland für rechte Parolen missbraucht wird - aber wohl der Vorfall, der am meisten öffentlich diskutiert wird.

Bruch mit Erwartungen: Darum blickt Deutschland auf Sylt

"Die mediale Aufmerksamkeit hat etwas damit zu tun hat, dass es jetzt nicht klischeehaft irgendwo tief in Sachsen, in einer Kneipe oder Disco stattfindet, sondern eben da, wo die 'Schönen und Reichen' sind", sagt Dr. Pia Lamberty, Co-Geschäftsführerin des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas). Dieser Bruch mit Erwartungen generiere generell mehr Aufmerksamkeit.

In Kampen: Party-Gast erzählt vom Abend

Luca Huth war am Pfingstsamstag im Pony, er ist schockiert. "Man kann den Kellnern keinen Vorwurf machen, man konnte es nicht hören, es war ja nur drei Sekunden lang, und es wurde überall so laut gegrölt", sagt der 23-Jährige, der jedes Wochenende im Pony ist. Auf seinem Handy zeigt der Sylter einen von ihm gefilmten Clip. Dort ist zu sehen, wie er nur wenige Meter von den Sängern der rassistischen Zeilen entfernt mit seinen Freunden zu "L'amour toujours" feiert. Einzelne Gesänge zur Melodie des Party-Hits sind dort im Stimmen-Geschrei nicht zu hören.

Das berichten auch andere Gäste am Freitagabend im Pony. Es sei so laut gewesen zu Pfingsten, es gehe in der Masse unter, wenn fünf Leute singen. Viele der Gäste hätten am Pfingstsamstag auch die Fussball-Parole "Hamburger Jungs" zum Lied gesungen, sagt eine junge Frau. Der Betreiber der bekannten Bar, in der die Party stattfand, distanzierte sich von dem rassistischen Vorfall und kündigten Konsequenzen an.

Sylter Dehoga-Chef: Mögliche Kampagne gegen rechts

"Wir verurteilen die Aktion scharf, es ist einfach schrecklich. Diese Menschen gehören so hart bestraft, wie es in einem Rechtsstaat möglich ist", sagt Dirk Erdmann, Sylter Dehoga-Chef und Betreiber des Hotels Rungholt in Kampen, der Deutschen Presse-Agentur. Mit Kollegen auf der Nordseeinsel will er jetzt über eine mögliche Kampagne gegen rechts in Restaurants und Hotels sprechen. Aktionismus sei hier fehl am Platz: "Das muss man mit Bedacht machen", sagt er. Mögliche Konsequenzen des Videos für Sylt als Urlaubsinsel seien derzeit nicht absehbar. "Sylt ist nicht rassistisch, und ich hoffe, dass dieser Vorfall wegen solcher Dummköpfe dem Image der Insel nicht schadet."

Auch der Club Rotes Kliff im Nobelort Kampen berichtet von einem "Rassismus-Vorfall" zu Pfingsten. Die betroffenen Personen seien des Clubs verwiesen worden und hätten dort jetzt Hausverbot, schrieben die Betreiber am Freitag auf Instagram.

Jürgen Gosch und Sansibar: Gastronomen distanzieren sich

Zahlreiche Restaurantbetreiber auf der Insel distanzieren sich von den rassistischen Parolen im Pony, unter ihnen auch Sanisbar-Chef Herbert Seckler. Jürgen Gosch, Betreiber des gleichnamigen Fischimperiums auf Sylt, wollte sich am Samstag nicht zum Pony-Eklat äussern: "Ich war nicht in Kampen dabei. Am Lister Hafen ist eine friedliche Welt", sagt er der dpa.

Auf der Insel sind in den kommenden Tagen Mahnwachen und eine Demo geplant - Details waren zunächst nicht bekannt.

Kampens Bürgermeisterin: Das Dorf ist weltoffen

Die Gemeinde Kampen distanziert sich von dem Vorfall zu Pfingsten im Pony: "Kampen ist ein weltoffenes Dorf, diese Personen repräsentieren weder das Dorf noch die Insel", sagt Kampens Bürgermeisterin Stefanie Böhm. Man dürfe die Augen vor solchen Aktionen nicht verschliessen. Eine Konsequenz: Auch die Gemeinde hat Anzeige erstattet. (Lea Sarah Albert, dpa/pak)

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