Erst drei Wochen sind die Vorwürfe gegen James Levine alt. Nach dem Musikdirektor der Metropolitan Opera werden nun auch Vorwürfe gegen Star-Dirigent Charles Dutoit bekannt. Eine ganze Reihe klassischer Konzerte werden ohne den gefeierten Schweizer stattfinden müssen.

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Nach Vorwürfen wegen sexueller Übergriffe sind mehrere internationale Auftritte des 81-jährigen Star-Dirigenten Charles Dutoit abgesagt worden. Der gebürtige Schweizer soll Sängerinnen und eine klassische Musikerin in US-Städten zwischen 1985 und 2010 bedrängt haben, etwa in einem Fahrstuhl und in einem Ankleideraum.

Dutoit sei ab sofort von seinen Konzertverpflichtungen entbunden worden, teilte das Royal Philharmonic Orchestra am Freitag in London mit. Dort ist Dutoit Chefdirigent. Die Vorwürfe müssten rasch geklärt werden. "Charles Dutoit muss eine faire Chance erhalten, Rechtsberatung einzuholen und diese Vorwürfe anzufechten", heisst es.

Orchester beenden Zusammenarbeit mit Dutoit

In den USA kündigten Orchester in San Francisco und Boston die Zusammenarbeit mit Dutoit. Das San Francisco Symphony habe "sämtliche Verbindungen" zu dem Dirigenten gekappt und habe "null Toleranz" für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, teilte das Orchester mit.

Das Boston Symphony Orchestra beendete die Zusammenarbeit wegen der "extrem besorgniserregenden Vorwürfe" gegen Dutoit. Von seinen in den kommenden Monaten in New York und Chicago geplanten Konzerten sei Dutoit zurückgetreten, teilten die New Yorker Philharmoniker und das Chicago Symphony Orchestra mit.

Ein gefeierter Dirigent unter Verdacht

Dutoit wurde 1936 in Lausanne geboren und lernte unter anderem Violine, Klavier und Schlagzeug. 1964 begann er seine Laufbahn als Dirigent beim Berner Symphonieorchester. Für seine musikalischen Leistungen wurde er vielfach geehrt, etwa mit Ehrendoktorwürden.

Als Dirigent hat er weltweit grosse Erfolge gefeiert, unter anderem im Sinfonieorchester von Montreal und in den Nationalorchestern von Mexiko und Göteborg. Der mehrsprachige Dutoit, der in vierter Ehe mit einer kanadischen Musikerin verheiratet ist, gilt als Kosmopolit und hat unter anderem Wohnsitze in Paris, Montréal und Tokio.

In vielen Ländern war kürzlich eine Sexismus-Debatte in Fahrt gekommen: Dutzende Frauen werfen Hollywood-Mogul Harvey Weinstein vor allem in den USA Belästigungen und Missbrauch vor.

Polizeien in New York, Los Angeles und London ermitteln derzeit gegen den Filmproduzenten. Der Fall löste eine Lawine von Vorwürfen gegen prominente Schauspieler, Künstler, Politiker, Journalisten und in anderen Branchen aus, teils mit erheblichen Konsequenzen für die mutmasslichen Täter.

Erst vor knapp drei Wochen hatte die Metropolitan Opera in New York zudem ihren langjährigen Musikdirektor James Levine wegen massiver Missbrauchsvorwürfe vorerst suspendiert.


  © dpa

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