Zu Hause bleiben und sozialen Kontakt vermeiden ist derzeit die Ansage für viele europäische Länder, um die Verbreitung des Coronavirus zu bremsen. Doch wie ergeht es Menschen, die kein Zuhause haben?

Mehr aktuelle Informationen zum Coronavirus finden Sie hier

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben es Menschen ohne feste Unterkunft besonders schwer, sich zu isolieren. In Deutschland fordern Politiker und Verbände neue Unterkunftsangebote nach dem Auslaufen der Kältehilfe.

Eine allgemeine Ausgangssperre, wie sie in mehreren europäischen Staaten bereits verhängt wurde, verschärft die Lage der Obdachlosen dort. Das unternehmen europäische Städte, um zu helfen:

Das unternehmen Spanien, Frankreich und Italien, um Obdachlosen zu helfen

Spanien

Auf dem Madrider Messegelände Ifema wurden 150 Feldbetten für Obdachlose aufgestellt, die keine COVID-19-Symptome haben. Auch ein Hotel und eine Pension in der Hauptstadt hätten ihre Pforten für wohnsitzlose Menschen geöffnet, so das Blatt "ABC".

Die Regierung kündigte an, im ganzen Land täglich an bestimmten Punkten Kits mit Hygieneartikeln, Lebensmitteln und Getränken zu verteilen. Dort können sich Obdachlose auch die Temperatur messen lassen und über das Virus informieren.

"Obdachlose sind extrem verwundbar und brauchen unseren Schutz", sagte Madrids Vize-Bürgermeisterin Begoña Villacís.

Viele Obdachlose leben in Madrid aber trotz Ausgangssperre weiter auf der Strasse - und ziehen sich die Decke fest über den Kopf oder versuchen sich in selbstgebauten Unterkünften aus Plastik und Pappkartons zu schützen.

Das Portal "20minutos" zitierte einen Betroffenen: "Es tut weh, ohne ein Dach über dem Kopf alles zu tun, um sich zu isolieren - und dann Leute zu sehen, die ein Haus haben und die Massnahmen nicht befolgen." Zudem mache es vielen Obdachlosen zu schaffen, dass auch die öffentlichen Toiletten geschlossen wurden: "So können wir uns nicht zivil verhalten."

Frankreich

Allein in der französischen Hauptstadt Paris leben nach Angaben der Stadt mehr als 3.500 Menschen ohne einen festen Wohnsitz. Landesweit seien Notunterkünfte in Turnhallen geöffnet, sagte der für Wohnungsbau zuständige Minister Julien Denormandie am Freitag dem Radiosender Sud Radio.

Diese seien aber für Obdachlose gedacht, die nicht an COVID-19 erkrankt seien. Für Menschen mit einer nicht schwer verlaufenden Infektion müssten auch Hotelzimmer zur Verfügung stehen, damit sie isoliert werden könnten, forderte Denormandie in der Tageszeitung "Le Parisien".

Cannes stellt sein riesiges Kongresszentrum zur Verfügung, in dem im Mai das berühmte Filmfestival hätte stattfinden sollen, das wegen der Corona-Pandemie erstmal verschoben wurde. Wie die Verwaltung der Stadt an der Côte d'Azur erklärte, soll das rund 35.000 Quadratmeter grosse Zentrum ab diesem Wochenende sowohl Obdachlose beherbergen als auch gegebenenfalls zu einer provisorischen Krankenstation umfunktioniert werden.

Der Staat müsse ausserdem Freiwillige und Angestellte gemeinnütziger Einrichtungen für Obdachlose mit Schutzausrüstung gegen das Coronavirus ausstatten, sagte die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, der Zeitung. Auch die Winterunterkünfte der Stadt sollten nun länger geöffnet bleiben.

In seinem Becher lande wegen der Ausgangssperre weniger Kleingeld, sagte ein Betroffener am Ufer der Seine. Ein grosses Problem sind zudem die geschlossenen öffentlichen Toiletten, wie der Mann sagte.

Vatikan gibt Caritas Geld, um Obdachlosen zu helfen

Italien

In der Stadt Verona hat man sich entschieden, die Obdachlosenunterkünfte länger als üblich zu öffnen. Es gebe dort städtische Unterkünfte mit rund 250 Betten. Diese würden jetzt den ganzen Tag offen sein, statt nur nachts, teilte die Stadt mit.

Besonders die katholische Kirche schlug im März mehrmals Alarm: Menschen ohne eigene Wohnung, ohne Rücklagen und ohne regelmässiges Einkommen würden während des Gesundheitsnotstandes doppelt leiden. Papst Franziskus nahm sie ausdrücklich in Gebete mit auf.

Der Vatikan gab der katholischen Hilfsorganisation Caritas extra Geld, um Obdachlosen zu helfen. Und Priester vor Ort im besonders betroffenen Norden des Landes organisierten Unterstützung.

In den Tourismuszentren Italiens leben in normalen Zeiten viele Menschen vom Betteln und von Strassenmusik. All das fällt als Einkommen weg, seitdem die Touristen nicht mehr kommen.

Belgien

Die Brüsseler Stadtgemeinde Etterbeek verpflichtete am Samstag ein Hotel samt dem nötigen Personal, in der Viruskrise Obdachlose statt der ausgebliebenen Gäste zu beherbergen. Das gesundheitliche Risiko für Obdachlose sei offensichtlich und könne nicht unbeantwortet bleiben, erklärte die Gemeinde. Jeder Bewohner bekomme ein Einzelzimmer mit Bad sowie ein warmes Essen pro Tag.

Soziale Organisationen in Brüssel hatten der Nachrichtenagentur Belga zufolge bereits zehn Obdachlose mit COVID-19-Symptomen in speziellen Einrichtungen aufgenommen. Die Stadt Charleroi stellte drei Gebäude zur Verfügung, darunter ein Sportzentrum mit den entsprechenden Sanitäranlagen. In ganz Belgien gilt seit Mittwoch eine Ausgangssperre, die nur wenige Ausnahmen zulässt.

Alle Entwicklungen rund um das Coronavirus in unserem Live-Blog

Wie hilft die Bundesregierung den Obdachlosen in Deutschland?

In Berlin werden Forderungen nach neuen Unterkunftsangeboten laut - insbesondere nach dem Auslaufen der Kältehilfe, einem Angebot für obdachlose Menschen, während der kalten Jahreszeit Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. "Wir brauchen auch für obdachlose Menschen einen Rettungsschirm", sagte Elke Breitenbach (Linke), Sozialsenatorin der Hauptstadt, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

"Wir brauchen hier dauerhafte Plätze in Zimmern, hauptamtliche Sozialarbeitende, ein Catering, Security, Drogenhilfe und auch eine extra Betreuung für psychisch kranke Menschen", sagt Breitenbach weiter. Insbesondere die Suchtproblematik müsse dabei mit im Blick bleiben. "Ohne eine kontrollierte Drogenabgabe fliegt uns solch ein Haus um die Ohren. Oder die Leute sind ständig unterwegs. Und wir wollen ja den Infektionsschutz erhöhen." (msc/dpa)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.