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Erstmals sind in Deutschland zwei Menschen nach Erkrankungen mit dem neuen Coronavirus gestorben. Beide Todesfälle wurden am Montag in Nordrhein-Westfalen bekanntgegeben. Das erste Todesopfer ist eine 89-jährige Frau aus Essen, das zweite ein 78-jähriger Mann aus Gangelt im besonders betroffenen Kreis Heinsberg.

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Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Ausbreitung des neuen Coronavirus noch lange nicht vorbei. Bayern will alle Veranstaltungen mit mehr als 1000 Gästen zunächst bis Karfreitag untersagen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rief alle Bürger dazu auf, daran mitzuwirken, die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen.

Die 89-jährige Frau aus Essen sei an einer Lungenentzündung in Folge der Coronavirus-Infektion gestorben, teilte die Stadt mit. Sie sei seit Anfang März in der Universitätsklinik behandelt worden. Der 78-jährige Mann habe sich vergangenen Freitag in einem Krankenhaus in Geilenkirchen gemeldet und sei an Herzversagen gestorben, sagte der Heinsberger Landrat Stephan Pusch. Der Mann habe unter Vorerkrankungen wie Herzproblemen und Diabetes gelitten. Er habe vorher eine Karnevalssitzung besucht.

Am Sonntag war bereits ein Feuerwehrmann aus Hamburg in Ägypten am Coronavirus gestorben. Die Zahl der Infizierten in Deutschland stieg auf 1139, knapp die Hälfte davon verzeichnete NRW.

Spahn appelliert an Bürger

Gesundheitsminister Spahn bereitete alle Bürger auf längere Einschränkungen im Alltagsleben vor. "Wir reden deutlich über mehrere Monate als über mehrere Wochen", sagte er. "Wir müssen den Ausbruch verlangsamen, damit unser Gesundheitssystem weiter funktionieren kann", hatte Spahn schon vor Bekanntwerden der Todesfälle betont. "Dazu brauchen wir die gesamte Gesellschaft. Wir brauchen jeden einzelnen Bürger und jede einzelne Bürgerin."

Es gehe um die gleichen Verhaltensweisen wie bei einer Erkältung oder Grippe. "Alles genauso machen, als würde man sich im Alltag vor Erkältung oder Grippe schützen wollen", sagte Spahn. Jeder solle jetzt zudem abschätzen und entscheiden, worauf er leichter und worauf er schwerer verzichten könne.

Der Minister appellierte an die Eigenverantwortung der Bürger, alle Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen - etwa weniger zu reisen oder wenn möglich von zu Hause zu arbeiten. Chronisch kranke Arbeitnehmer sollten Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber treffen, die sie und ihre Kollegen schützen. Firmen sollten bereit sein, dies zu ermöglichen. In grossen Städten könnten viele Menschen öfter zu Fuss gehen oder Rad fahren, statt den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Spahn wandte sich erneut gegen pauschale Schliessungen von Kitas und Schulen.

Grossveranstaltungen vor Absage

Er ermunterte dazu, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen. Kleinere Veranstaltungen müssten individuell auf das Infektionsrisiko hin betrachtet werden. Derartige Entscheidungen müssten jedoch die lokalen Gesundheitsbehörden treffen. Etliche grössere Messen wie etwa die Tourismusbörse ITB in Berlin oder die Hannover Messe wurden bereits abgesagt oder verschoben. Der Bundestag schliesst von Dienstag an die Reichstagskuppel für Besucher.

Vom bayerischen Verbot von Grossveranstaltungen mit über 1000 Gästen sind auch Fussball-, Basketball- oder Eishockeyspiele in den Bundesligen oder der Champions League betroffen. Nicht geklärt war zunächst, ob die Spiele abgesagt werden müssen. Möglich wäre, dass die Begegnungen ohne Publikum ausgetragen werden. Die Details sollen am Dienstag in einer Kabinettssitzung beschlossen werden. Das Italienische Olympische Komitee will angesichts der Coronavirus-Krise sämtliche Sportveranstaltungen im Land bis zum 3. April aussetzen.

"Wir sehen aber Licht am Endes des Tunnels"

Weltweit haben sich inzwischen mehr als 110.000 Menschen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert, die Dunkelziffer liegt Experten zufolge noch wesentlich höher. "Wir sind noch am Anfang oder in der Mitte dieses Verlaufs", sagte WHO-Nothilfekoordinator Michael Ryan. WHO-Expertin Maria van Kerkhove ergänzte jedoch: "Wir sehen aber Licht am Endes des Tunnels." China und Singapur, die den Anstieg der Fälle deutlich reduziert haben, seien ein Hoffnungszeichen. In Afrika steigt die Zahl der Infizierten langsam an. Das Virus wurde in mindestens neun Ländern nachgewiesen.

Es gibt weder eine schützende Impfung noch eine spezielle Therapie zur Behandlung der Erkrankung Covid-19. Die meisten Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen, die binnen weniger Tage verschwindet, oder gar keine Symptome. Etwa 15 von 100 Infizierten erkranken schwer.

Experten: Virus legt keine Sommerpause ein

Mit Blick auf Deutschland sei anzunehmen, "dass wir direkt in eine Epidemiewelle hineinlaufen", sagte der Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten in Berlin. "Das heisst, wir müssen damit rechnen, dass ein Maximum von Fällen in der Zeit von Juni bis August auftreten wird", ergänzte er in einem NDR-Podcast. Er verwies auf eine neue, verfeinerte Modellrechnung. Noch vor wenigen Tagen war er von einer Verminderung der Infektionen im Sommer ausgegangen.

Ressourcen müssten nun eingesetzt werden, wo sie am nötigsten seien. Besonders gefährdet vom Virus seien junge Menschen mit Grunderkrankungen und Menschen über 65 Jahren. Ältere Menschen könne man schützen, indem etwa Kinder für eine Zeit nicht bei Oma und Opa zur Betreuung kämen. Man sollte stattdessen für Oma und Opa einkaufen, damit die nicht in den Supermarkt müssten. Drosten verwies auf seinen 70-jährigen Vater und dessen Bekannte im ländlichen Umfeld. "Die haben noch nicht verstanden, dass sie die eigentlich Betroffenen sind." Das betreffe auch das Sozialleben.

Schwarzer Tag am Aktienmarkt

An den Börsen hat sich der dramatische Ausverkauf am Montag noch beschleunigt. Der Dax sackte erneut stark ab. Zu den Sorgen um die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie kommt dabei auch die Furcht vor einem Ölpreiskrieg. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht Deutschland mit dem Notfallpaket der Koalition zum Schutz der Wirtschaft gegen die Folgen des neuartigen Coronavirus gut gerüstet.

Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld, eine der zentralen Massnahmen der Koalition, seien bereits in der Finanzkrise erfolgreich gewesen, sagte Merkel. Auch Finanzhilfen für Unternehmen sind angedacht. Zudem soll es zusätzliche Milliardeninvestitionen geben. (dpa/sg)

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