(sal) - Adolf Hitler war ein Kriegsverbrecher und Massenmörder. Oder etwa nicht? In einigen asiatischen Ländern ist man da ganz anderer Meinung. Eine Spurensuche.

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Erst vor kurzem hat ein indisches Kleidergeschäft mit seinem Namen für Empörung gesorgt. "Hitler" nannten die beiden Eigentümer ihren neu eröffneten Laden in Ahmedabad, der westindischen Metropole, inklusive Hakenkreuz im "i". Als der Fall bekannt wurde, hagelte es Proteste aus der ganzen Welt – zum Unverständnis der beiden Besitzer. Sie hätten den Laden nach dem Grossvater seines Geschäftspartners benannt, sagte einer der Eigentümer "Spiegel Online". Dieser sei Hitler genannt worden, weil er ein sehr strenger Mann gewesen sei. Von den Verbrechen des Namensvorbilds habe er nichts gewusst. Das Geschäft wolle er nun aber umbenennen.

Der unbedarfte Umgang mit Hitler und dem Dritten Reich ist in asiatischen Ländern keine Seltenheit. In Indien gab es zuvor schon ein Hitler-Restaurant, einen Hitler-Bollywood-Film und Nazi-Bettwäsche, und ein Schulbuch feierte den Diktator als grossartigen Staatslenker. Im südkoreanischen Busan konnten Nachtschwärmer in der "Hitler Techno Bar" feiern, in Seoul gibt es aktuell noch die "Fifth Reich"-Bar.

Auf der Khao San Road in Bangkok, der wohl berüchtigtsten Backpacker-Meile der Welt, verkaufen Strassenstände Hitler-T-Shirts. In China, so berichten mehrere Blogger, tragen Geschäftsmänner das Eiserne Kreuz als Anstecknadel zum Anzug. Auch iPhone-Hüllen mit Hakenkreuz-Aufdruck oder Hitler-Actionfiguren werden angeboten.

Von den unmenschlichen Verbrechen Hitlers wissen viele Inder, Thai oder Chinesen nichts. Der Schriftsteller David S. Wills schreibt: "Die Leiden Europas sind weit entfernt, und sie scheinen Hitler so zu sehen wie wir Darth Vader." Das weiss auch die Journalistin Marie Bollrich, die seit drei Jahren in Peking lebt: "Die einfachen Landbewohner Chinas sagen, dass ‚Xitele‘ ein starker Führer war." Einer deutschen Kollegin sei im Zug schon einmal der Hitlergruss gezeigt worden – aus reiner Freundlichkeit.

Unwissen ist eindeutig der Hauptgrund für den unbedarften Umgang mit Hitler. Doch so unterschiedlich wie die Kulturen Asiens sind auch mögliche tieferliegenden Ursachen. "Gebildetere Leute wissen schon, dass Hitler schlecht war. Aber sie vergleichen das immer mit den Japanern", sagt Bollrich. "Viele denken: Die Deutschen haben sich entschuldigt und erkennen ihre Fehler an. Die Japaner tun das nicht." Japan hat auch 75 Jahre nach der Invasion einen sehr schlechten Stand in China.

In Indien ziehen die Menschen ebenfalls Parallelen zu ihrer eigenen Geschichte. "Es geht gar nicht so sehr um Hitler", sagt der Asienwissenschaftler und Journalist André Sarin. "Sondern darum, dass das kleine Deutschland es gewagt hatte, den grossen Kolonialmächten die Stirn zu bieten – darunter auch den Briten, den Besatzern Indiens." Dennoch betont auch er, dass die meisten Inder noch nie im Detail vom Holocaust gehört hätten. In Neu-Delhi hat Sarin einmal einen Strassenhändler angesprochen, der Nazi-Aufnäher verkaufte. Der Mann habe ihm gesagt, die Symbole seien doch lediglich hinduistische Symbole aus Deutschland. Dass sich die Nazis die Swastika, ein uraltes hinduistisches Symbol, zu Eigen gemacht hatten und sie seitdem unter dem Namen "Hakenkreuz" für etwas ganz anderes steht, wusste der Verkäufer nicht.

Solche Anekdoten kann auch Dietmar Rothermund erzählen. Der emeritierte Professor für die Geschichte Südasiens verweist zwar darauf, dass Hitler generell kein grosses Thema in Indien sei und Antisemitismus nicht existiere. Auf seinen Reisen sei es ihm dennoch öfters passiert, dass ihm Menschen vom "Freiheitskämpfer Hitler" vorgeschwärmt oder auch einmal einen "Hitler für Indien" gefordert haben.

Zum Glück gibt es aber Dinge, die interessanter sind als der vermeintlich grosse Feldherr Adolf Hitler. Und so kommt es, dass Asien-Reisende die "Where you from"-Frage beruhigt mit "Germany" beantworten können. Denn viel öfter als ein freudig-interessiertes "Oh, Hitler!" fallen dann zwei Begriffe: Bayern München und Mercedes.

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