• Der Bundespräsident will Trost spenden. Denjenigen, die durch die Überflutungen geliebte Menschen, Haus, Hof und Geschäft verloren haben.
  • Während Steinmeier Betroffenheit ausdrückt, lacht Laschet, der hinter ihm steht.
  • Was sagt das über den Kanzlerkandidaten der Union?

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Patzige Interview-Antworten, eine verrutschte Maske - es gibt Pannen im Leben eines Kanzlerkandidaten, die einen Tag lang für Aufregung sorgen und dann wieder vergessen sind. Der Ausrutscher vom Samstag, als Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet bei einem Besuch in Erftstadt im unpassenden Moment lacht, könnte so ein Fall sein. Vielleicht wird dem CDU-Vorsitzenden die dadurch ausgelöste Diskussion darüber, ob er das Format hat, die nächste Bundesregierung zu führen, aber auch langfristig schaden. Sie trifft ihn in einem ungünstigen Moment. Denn in den Wählerumfragen ging es für die Union zuletzt wieder etwas bergauf.

Was ist eigentlich passiert? Am vergangenen Donnerstag telefoniert der NRW-Regierungschef mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Sie sprechen über die schwierige Lage im Katastrophengebiet im Westen Deutschlands, wo zu diesem Zeitpunkt schon Dutzende Menschen tot aus den Wassermassen geborgen worden sind. Laschet lädt Steinmeier ein, die Region zu besuchen. Ein Termin am Samstag in Erftstadt wird vereinbart.

Im Ortsteil Blessem ist es zu gewaltigen Erdrutschen gekommen. Drei Wohnhäuser und ein Teil der historischen Burg sind eingestürzt. Das Ausmass der Verwüstung ist schockierend. Menschen sind in schrecklicher Ungewissheit über das Schicksal vermisster Verwandter oder müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Laschet und Steinmeier sprechen mit Einsatzkräften.

Dann tritt der Bundespräsident vor die Mikrofone der wartenden Journalisten. Er spricht den Betroffenen sein Mitgefühl aus. Im Hintergrund ertönen immer wieder Martinshörner. Fahrzeuge der Feuerwehr rauschen vorbei. Steinmeier sagt: "Wir trauern mit denen, die ihre Freunde, Bekannten, Familienangehörige verloren haben - ihr Schicksal zerreisst uns das Herz". Kurz darauf sieht man Laschet, der etwa zehn Meter hinter Steinmeier mit einem Landrat und anderen in einer kleinen Gruppe zusammensteht. Er lacht.

Klingbeil: "Wer ohne Gespür in solch schwierigen Situationen herumfeixt, disqualifiziert sich"

Kameraleute fangen den Moment ein. Als das Video auch in sozialen Medien verbreitet wird, reagieren viele Menschen empört. "Eine Frage des Charakters", ätzt SPD-Vize Kevin Kühnert bei Twitter. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagt der "Bild am Sonntag": "In Krisenzeiten zeigt sich der Charakter, heisst es. Wer ohne Gespür in solch schwierigen Situationen herumfeixt, der disqualifiziert sich selbst." Der Pianist Igor Levit schreibt, ihm fielen zwei Kanzlerkandidaten ein, "denen solch würdeloses Verhalten nicht passiert wäre".

Der SPD-Kanzlerkandidat, Bundesfinanzminister Olaf Scholz, hat am Donnerstag mit seiner Parteikollegin Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, mit Betroffenen in Bad Neuenahr über die Folgen der Überflutungskatastrophe gesprochen. Am Sonntag reist er zu einem Termin mit Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) ins Berchtesgadener Land, wo nach Starkregen ebenfalls der Katastrophenfall ausgerufen worden ist. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat ihr Mitgefühl zuerst nur schriftlich ausgedrückt. Sie ist später als andere Spitzenpolitiker und ohne Pressebegleitung in betroffene Regionen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gefahren.

Laschet: "Dies war unpassend und es tut mir leid"

Laschet teilt später mit, er bedauere "den Eindruck, der durch eine Gesprächssituation entstanden sei". Und räumt ein: "Dies war unpassend und es tut mir leid." Am Sonntag erklärt er im WDR-Fernsehen: "Ich war den ganzen Tag unterwegs, es gab emotionale Begegnungen, die mich auch wirklich erschüttert haben. Und deshalb ärgere ich mich umso mehr über diese wenigen Sekunden." Tatsächlich geht Laschet, nachdem Steinmeier abgereist ist, noch in eine Notunterkunft. Mit ernster Miene hört er den Menschen zu, die von den Schrecken der vergangenen Tage erzählen.

Später meldet sich aus der Gruppe, die mit Laschet gelacht hat, der Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Frank Rock. Er spricht von einer anstrengenden, emotional aufgeladenen Situation und erklärt: "Sollte ich damit die Gefühle von Menschen verletzt haben, entschuldige ich mich dafür ausdrücklich. Auch der Landrat ist nur ein Mensch und macht Fehler."

Es gibt auch Menschen, die Laschet, der als Wahlkämpfer und Chef der Landesregierung im Katastrophengebiet unter enormem Druck steht, gegen Kritik verteidigen. Einer von ihnen ist der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz. Er schreibt bei Twitter: "Laschet hat einen Fehler gemacht. Er hat sich entschuldigt. Jetzt wird kritisiert, er entschuldige sich nur für ‚den Eindruck‘. Der Eindruck, der entstanden ist: Laschet lacht über das Leid (so in zig Kommentaren zu lesen). Dieser Eindruck konnte entstehen - er war aber falsch." Andere finden, ein Lachverbot dürfe es nirgendwo geben, auch nicht bei traurigen Anlässen.

Misstöne gibt es am Sonntag auch beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Adenau. Als eine Reporterin eine Bürgerin, die eine Frage gestellt hat, zur Seite zieht - noch während Dreyer ihr antwortet - schreitet die Kanzlerin ein. Sie sagt: "Hallo, könnten Sie vielleicht die Dame noch zuhören lassen, was die Ministerpräsidentin sagt und hinterher Ihr Interview machen, das wäre doch super."

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Fingerspitzengefühl statt Wahlkampfambitionen

Als Fazit bleibt: Rettungseinsätze, Mitgefühl und praktische Hilfe für die Menschen im Katastrophengebiet haben die vergangenen Tage bestimmt. Wer als Spitzenpolitiker in solchen Momenten von Schock, Wut und Trauer vor Ort ist, muss viel Fingerspitzengefühl haben. Denn in gut zwei Monaten wird ein neuer Bundestag gewählt. Da sollte sich niemand dem Verdacht aussetzen, er missbrauche zerstörte Dörfer mit weinenden Menschen als Wahlkampfkulisse.

Wohl auch deshalb haben sich die Grünen, die seit Jahren vehementer als jede andere deutsche Partei vor den fatalen Auswirkungen des Klimawandels warnen, erst einmal zurückgehalten. Denn anders als Landesvater Laschet hat Baerbock im Katastrophengebiet keine konkrete Aufgabe zu erfüllen. Zudem kommt Rechthaberei nie gut an und würde angesichts von so vielen Todesopfern wohl auch pietätlos wirken. (Anne-Beatrice Clasmann/dpa/ash)

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