- Der Erfurter Arzt Mark S. ist wegen Dopings verurteilt worden.
- Der Prozess war in Deutschland das erste grosse Dopingverfahren im Spitzensport seit Einführung des Anti-Doping-Gesetzes.
Der Erfurter Arzt Mark S. ist wegen jahrelangen Blutdopings zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Zusätzlich bekam er ein Berufsverbot von drei Jahren auferlegt.
Das verkündete das Landgericht München II am Freitag. Neben dem Mediziner wurden auch dessen vier Helfer in dem ersten grossen Strafprozess in Deutschland seit Einführung des Anti-Doping-Gesetzes 2015 schuldig gesprochen.
Mark S. behandelte mehrere Winter- und Radsportler über Jahre mit Blutdoping
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Mark S. über mehrere Jahre bei Sportlern Blutdoping durchführte, diese aktiv anwarb und mit dem Betrug auch Geld verdienen wollte.
Der Thüringer hatte während der 23 Tage Beweisaufnahme zwar die Taten umfangreich gestanden, aber stets behauptet, dass er die Athleten aus Liebe zum Sport behandelte. "Man kann den Sport mögen und trotzdem gewerbsmässig arbeiten", entgegnete Richterin Marion Tischler in der zweistündigen Urteilsbegründung.
Mitentscheidend dafür, dass der Mediziner auch nach fast zwei Jahren Untersuchungshaft weiter nicht frei kommt, dürfte der zweite zentrale Punkte der Anklage gewesen sein.
"Menschenexperiment" an einer Mountainbikerin
Das Gericht verurteilte Mark S. auch wegen gefährlicher Körperverletzung. Er hatte im Jahr 2017 einer Mountainbikerin eine nicht für den Gebrauch am Menschen zugelassene Laborchemikalie injiziert - weil er die Substanz verwechselte. Die Österreicherin trug zwar keine bleibenden Schäden davon. Richterin Tischler sprach dennoch von einem "Menschenexperiment" und verbot dem Erfurter, in den nächsten drei Jahren wieder als Arzt zu arbeiten.
Eigentlich hatte er sich als Arzt präsentieren wollen, der dopenden Sportlern zwar hilft, dabei aber stets die medizinisches Sorgfalt im Fokus behalte. Dem entgegnete die Richterin, dass bei der Razzia im Rahmen der "Operation Aderlass" im Februar bei ihm ein Maschine sichergestellt wurde, die eigentlich dem Transfusionszentrum in Ljubljana gehöre.
"Offensichtlich waren die eigenen Dopinginteressen wichtiger als die Interessen von Patienten einer Klinik, die auf Transfusionen angewiesen sind", sagte Tischler und sprach von einer "Skrupellosigkeit" und einem "grellen Schlaglicht" auf die Causa.
Auch Helfer von Mark S. werden bestraft
Weil Mark S. der alleinige Kopf der Gruppe war - und das auch selbst mehrfach einräumte - wertete das Gericht die Vergehen nicht als bandenmässig.
Die anderen Angeklagten waren keine Mittäter, sondern nur Helfer. Der Handwerker Dirk Q. erhielt als wichtigster Adjutant eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten - er muss nach fast zwei Jahren Untersuchungshaft aber nicht mehr ins Gefängnis. Die Krankenschwester Diana S. wurde zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Für den Notfallsanitäter Sven M. und Ansgard S., einen Anwalt im Ruhestand, sprangen Geldstrafen heraus.
Lesen Sie auch: Claudia Pechstein zu Doping-Skandal: "Habe nie gedopt"
Hörmann prognostiziert "Auswirkungen auf den gesamten Weltsport"
Das Netzwerk war Anfang 2019 aufgeflogen. Bei Razzien in Erfurt und während der Nordischen Ski-WM in Seefeld wurden im Rahmen der "Operation Aderlass" vier der fünf Angeklagten verhaftet. In dem Prozess legten alle fünf - teils umfassende - Geständnisse ab.
Deutsche Sportfunktionäre und Anti-Doping-Kämpfer hoffen, dass von dem Verfahren ein abschreckendes Signal an Betrüger ausgeht. Nachdem Doping Ende 2015 in Deutschland als Straftat eingestuft worden war, war dieses Verfahren das erste aus dem Spitzensport. "Endlich erleben wir ein Urteil, das für die Betrüger im Sport drakonische Strafen beinhaltet", kommentierte DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Der 60-Jährige hatte zuletzt prognostiziert, dass der Prozess und das Urteil "Auswirkungen auf den gesamten Weltsport" haben werde.
Das Urteil habe gezeigt, dass das Gesetz "nicht nur bei den Ermittlungen der Täter wertvoll" sei, sondern auch bei deren Verurteilung "angemessen umgesetzt" werde, meinte Hörmann. "Kurzum: Der heutige Tag wird als sehr positiver in die Sportgeschichte eingehen und diese künftig an manchen Stellen prägen."
Kampf dem Doping: Auch Hintermänner sind nicht mehr sicher
Für die Vereinigung Athleten Deutschland sind die Urteile ein Beleg dafür, dass sich zukünftig die Hintermänner nicht mehr in Sicherheit wähnen können. "Den Athleten beweist das Strafmass, dass es die Justiz mit der Verfolgung der Hinterleute von Doping absolut ernst meint", sagte Geschäftsführer Johannes Herber.
Auch das Internationale Olympische Komitee begrüsste die Urteile. "Die Bestrafung der Entourage ist ein entscheidender und lange Zeit nicht genug beachteter Bestandteil des Kampfes gegen Doping", sagte ein IOC-Sprecher.
Allerdings waren in dem Prozess keine weiteren Sportler und auch keine wichtigen und noch unbekannten Hintermänner enttarnt worden, weil Mark S. dazu auch auf Nachfragen beharrlich schwieg. Einige involvierte Athleten wurden in ihren Heimatländern separat angeklagt und verurteilt. Zumeist sprangen dabei Bewährungsstrafen heraus.
In dieser Woche erhielt der österreichische Radprofi Georg Preidler als Folge der Zusammenarbeit mit Mark S. eine Haftstrafe. Deutsche Sportler waren nicht Teil der Anklage in München. (msc/dpa)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.