In den letzten Wochen kam es in der französischsprachigen Westschweiz zu vier Verhaftungen im Zusammenhang mit islamistischem Terrorismus. Zwar bestätigt die Bundesanwaltschaft, dass es keine Verbindung zwischen den Fällen gebe, doch ein Experte warnt vor der Entstehung eines Nährbodens für Dschihadisten in der Schweiz.
Am letzten Wochenende wurden im Kanton Waadt drei mutmassliche Terroristen verhaftet. Zwei von ihnen, ein Mann und eine Frau, wurden am Samstagnachmittag nach einer heftigen Auseinandersetzung auf dem vollbesetzten Parkplatz eines Einkaufszentrums in Aubonne verhaftet.
Laut dem französischsprachigen Schweizer Fernsehen RTS wurden dabei Sprengkörper sichergestellt. Diese Personen seien im Stande gewesen "relativ schnell zur Tat zu schreiten", sagte der Waadtländer Staatsanwalt Eric Cottier gegenüber RTS.
"Kriegerischer Salafist"
Die drei Verhaftungen in der Waadt stünden nicht in Zusammenhang mit jener von vergangener Woche im Genfer Vorort Meyrin, sagte André Marty, Mediensprecher der Bundesanwaltschaft, gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.
Marty nahm damit Bezug auf die Verhaftung eines französisch-tunesischen Familienvaters in diesem Vorort von Genf am 14. Juni. Ihm wird vorgeworfen, die Terror-Organisation Islamischer Staat zu unterstützen und Dschihadisten für Syrien angeworben und dorthin geschickt zu haben.
Diese Verdächtigungen wurden durch die Aussage von Mohamed Bouziz, einem Taxifahrer und Arbeitskollegen des Mannes, in der Tageszeitung Le Temps bekräftigt: "Er sprach oft von der Religion. Er war ein Salafist mit kriegerischer Tendenz. Er pries das Kalifat des Islamischen Staats und bezeichnete normale Muslime als Ungläubige", so Bouziz.
Er habe sich gewundert, wie ein den französischen und tunesischen Geheimdiensten bekannter Mann sich in Meyrin niederlassen und während dreier Jahre unbehelligt ein Taxi fahren konnte. "Er schickte Bekannte von mir nach Syrien. Meine Kollegen und ich dachten, er erhalte Geld für jede Person, die er in den Dschihad schickte."
Schweiz ist keine Insel mehr
Auch wenn die beiden Fälle nichts miteinander zu tun haben, schätzt der Genfer Terrorexperte Jean-Paul Rouiller, dass sich in der Schweiz langsam ein Nährboden für den Dschihad zu entwickeln beginnt. Dies erklärte er in einem Interview mit der Tageszeitung Tribune de Genève.
Das Neue daran sei, dass die Gefahr nicht mehr "importiert", sondern von innen her entstanden sei, sagte Rouiller. Die dschihadistischen Milieus bestünden aus Menschen, die in der Schweiz aufgewachsen seien.
Junge verurteilte Menschen würden nicht zwanzig Jahre im Gefängnis bleiben – und einige von ihnen sähen keine Perspektive. Wenn diese Menschen aus dem Gefängnis entlassen würden, werde die Schweiz in eine Dynamik geraten, wie sie andere Länder Europas bereits erlebt hätten, warnt Rouiller.
© swissinfo.ch
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