In Russlands Rüstungsbetrieben kommt es immer wieder zu folgenreichen Explosionen. Diesmal erwischt es die Stadt Dserschinsk mit rund 200 000 Einwohnern. Die Behörden verhängen den Ausnahmezustand - und müssen die Zahl der Verletzten immer wieder erhöhen.

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Bei mehreren Sprengstoff-Explosionen in einem Munitionsbetrieb der russischen Stadt Dserschinsk sind mindestens 85 Menschen verletzt worden. 39 Werksmitarbeiter und 46 Bewohner benachbarter Häuser hätten medizinische Hilfe gebraucht, teilte das Gesundheitsministerium mit. Insgesamt mussten demnach auch am Sonntag noch 16 Menschen im Krankenhaus behandelt werden.

Der Angaben zur Zahl der Verletzten waren nach dem Unglück am Samstag immer wieder erhöht worden. Vor allem Glassplitter zerborstener Fensterscheiben verursachten die Verletzungen. Todesopfer gab es demnach nicht. Die Behörden riefen aber den Ausnahmezustand in der Stadt mit mehr als 200 000 Einwohnern aus. Dserschinsk liegt rund 400 Kilometer östlich von Moskau.

Die Ursache für die Explosion war zunächst unklar. Allerdings hat das nationale Ermittlungskomitee ein Verfahren wegen Verstosses gegen die Sicherheitsvorschriften im Produktionsbetrieb eingeleitet. Die Moskauer Ermittler schickten erfahrene Kriminalisten zum Unglücksort. Am Vortag sei der Werksdirektor wegen ständiger Probleme mit der Sicherheit bei der Produktion entlassen worden, hiess es.

Bilder des russischen Fernsehens zeigten eine riesige Rauchwolke über der Stadt sowie Feuer. Hunderte Fensterscheiben gingen durch die Druckwelle zu Bruch. 185 Gebäude waren nach Behördenangaben betroffen. «Es gibt keine Gefahr eines weiteren Ausbreitens von Feuer, von möglichen Detonationen oder Folgeexplosionen», sagte Gebietsgouverneur Gleb Nikitin in der Nacht zum Sonntag. «Sie können ruhig schlafen.» Nikitin hatte einen Sonderstab einrichten lassen. Er kritisierte, dass in sozialen Netzwerken Falschnachrichten und damit Panik verbreitet worden sei. Die Behörden kündigten an, die von den Explosionen Betroffenen mit jeweils 150 000 Rubel (rund 2000 Euro) zu entschädigen.

Die Detonationen geschahen am Samstagvormittag bei der Firma Kristall - in einer Zeche, in der der Sprengstoff TNT produziert wird. Die Fabrik stellt für das Militär unter anderem Bomben her. Sprengstoff wird dort ausserdem für die industrielle Nutzung - etwa in Bergwerken - hergestellt. Fünf Gebäude des Werks seien zerstört worden, hiess es.

Anwohner der Stadt wurden zeitweilig aufgerufen, die Fenster geschlossen zu halten. Allerdings betonten die Behörden, dass es zu keiner Zeit Gefahr etwa durch eine chemische Rauchwolke gegeben habe. Die Einsatzkräfte verzichteten demnach auch darauf, Häuser zu evakuieren.

Nach Darstellung des Zivilschutzministeriums brannte zeitweilig eine Fläche von 800 Quadratmetern auf dem Werksgelände. Das Feuer hatte sich den Angaben zufolge zudem auf 400 Quadratmeter benachbarte Waldfläche ausgebreitet. Reporter berichteten aus der Stadt, dass die Zufahrt zu dem Rüstungsbetrieb gesperrt sei. Solche für die Sicherheit des Landes bedeutenden Betriebe stehen unter besonderer Kontrolle der russischen Sicherheitsorgane.

In Russland kommt es immer wieder zu verheerenden Unglücken mit vielen Verletzten und Toten. Ursache dabei ist oft, dass elementarste Sicherheitsvorkehrungen nicht eingehalten werden. Allein seit 2014 habe es in Russland in Werken für Sprengstoffherstellung fast ein Dutzend ähnlicher Explosionen gegeben, listete die Staatsagentur Tass in einem Dossier auf.

Auch im Rüstungsbetrieb Kristall, der seit den 1950er Jahren produziert, kam es demnach erst vor zwei Monaten zu einer Explosion. In einem anderen Rüstungsbetrieb der Stadt Dserschinsk starben Ende August 2018 bei einer Explosion fünf Menschen, sechs weitere Mitarbeiter wurden verletzt. Auch damals sollen bei der Herstellung von Munition Sicherheitsregeln nicht einhalten worden sein.  © dpa

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