• Es ist das erste wirklich grosse Massenfest in Israel seit Beginn der Corona-Pandemie.
  • Umso ausgelassener feiern Zehntausende tiefreligiöse Juden das Fest Lag Baomer auf dem Meron-Berg.
  • Doch tief in der Nacht bricht Panik aus - Dutzende kommen im Gedränge zu Tode.
  • Die Rettungskräfte sind erschüttert vom Anblick, der sich ihnen bietet.

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Mitarbeiter von Rettungsdiensten sind normalerweise hartgesotten. Doch die dramatischen Ereignisse auf dem Meron-Berg im Norden Israels bringen selbst Profis an die Grenzen des Ertragbaren. "Wir haben es gerade mit einem der schlimmsten Unglücke Israels zu tun gehabt", sagt Dov Meisel von der Organisation United Hatzalah am frühen Freitagmorgen in einem Interview.

Die Helfer seien grauenhaften Anblicken ausgesetzt gewesen, die es seit den blutigsten Tagen der Terrorwellen zu Beginn der 2000er Jahre nicht mehr gegeben habe. "Mir fehlen die Worte, mir fehlen wirklich die Worte." Der Grund seines Entsetzens: Rund 40 Menschen sind bei einer Massenpanik während des jüdischen Festes Lag Baomer gestorben. Rund 150 weitere wurden nach Angaben der Rettungskräfte verletzt, zahlreiche von ihnen schwer.

Israel: Erst ist die Stimmung ausgelassen - dann bricht Panik aus

Die Behörden hatten die Teilnehmerzahl zwar auf 10.000 begrenzt. Dennoch reisten Zehntausende am Donnerstag in den Norden des Landes, um an dem Fest im Wallfahrtsort Meron teilzunehmen. Während sich diesmal sehr viele Ultraorthodoxe auf den Weg machen, war das im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie so nicht möglich. Doch inzwischen sind die Infektionszahlen drastisch gesunken.

Umso ausgelassener ist nun die Stimmung. In sozialen Netzwerken war vor dem Unglück in Videos zu sehen, wie die Menschen dicht gedrängt und ausgelassen sangen, tanzten und hüpften. Augenzeugen berichteten von gefährlichem Gedränge.

Doch tief in der Nacht bricht plötzlich Panik aus. Nach ersten Erkenntnissen begann die Panik, als Menschen auf einer abschüssigen Rampe mit Metallboden und Wellblech-Trennwänden auf beiden Seiten ins Rutschen kamen. Die dicht gedrängten Feiernden fielen dann übereinander, die Situation gerät völlig ausser Kontrolle. Hinzu kommt: Notfalltüren lassen sich offenbar nicht öffnen.

Ein Verletzter im Rambam-Krankenhaus in Haifa erzählt später, etwa 500 Menschen seien in einem Abschnitt eingepfercht gewesen, in dem normalerweise Platz für etwa 50 Menschen sei. "Unten in der ersten Reihe sind Menschen gefallen, und oben haben die Menschen dies nicht gesehen und sich weiter nach vorne gedrängt", erzählt der bärtige Mann. "Eine Reihe fiel auf die andere."

Rettungssanitäter: "Als wir ankamen, herrschte dort grosse Aufruhr"

Der Rettungssanitäter Omri Hochman ist einer der ersten am Unglücksort. "Als wir ankamen, herrschte dort grosse Aufruhr, viele Menschen rannten in unsere Richtung", schildert er im Fernsehen. "Der Anblick war sehr schlimm, Dutzende Verletzte lagen nahe der Tribüne und auf der Rampe." In sozialen Medien kursieren in der Nacht Bilder, auf denen Reihen von Leichensäcken zu sehen sind.

Ein Fernsehreporter zeigt später Aufnahmen vom Ort des Unglücks. Zahlreiche Schuhe, Hüte, verbogene Brillen und Wasserflaschen liegen dort auf dem Boden und zeugen von den schrecklichen Ereignissen. Ein Sicherheitsgeländer ist im Gedränge aus dem Boden gerissen worden. Der Reporter demonstriert, wie rutschig der Metallboden auf der Rampe ist.

Ein Zaka-Sprecher sagte am frühen Morgen im Fernsehen, vor Ort herrsche Chaos, viele Kinder seien von ihren Eltern getrennt worden. Man bemühe sich, sie wieder zusammenzuführen. "Ich bin seit mehr als 20 Jahren beim Rettungsdienst, so etwas habe ich noch nie gesehen", sagte der Sprecher. "Das sind unfassbare Zahlen."

Polizei bricht die Feiern nach Unglück ab

Die Polizei bricht nach dem Unglück die Feiern ab, Zehntausende versuchen anschliessend verzweifelt, den Ort zu verlassen. Kinder werden im Gewirr von ihren Eltern getrennt, besorgte Angehörige können ihre Liebsten nicht erreichen, weil das überlastete Handynetz zusammenbricht. Der Rettungseinsatz ist so schwierig, dass auch die Eliteeinheit 669 der israelischen Armee zu Hilfe gerufen wird. Berichten zufolge weigerten sich am frühen Morgen Hunderte Gläubige zu gehen, weil sie beten wollten. Es sei auch zu Konfrontationen gekommen.

Am Freitag wurden erste Vorwürfe gegen die Polizei laut. Sie habe Leute in das abgesperrte Areal gelassen, obwohl es schon extrem voll gewesen sei. Nach Beginn der Panik habe die Polizei dann nicht schnell genug Ausgänge auf der anderen Seite geöffnet, so die Kritik. Insgesamt waren rund 5.000 Sicherheitskräfte im Einsatz.

Lag Baomer ist traditionell ein jüdisches Freudenfest, das die Trauerzeit zwischen Pessach und Schawuot unterbricht. Doch in diesem Jahr verwandelt sich die Freude in Schrecken und Trauer. Im Morgengrauen beginnt die Polizei mit der Spurensicherung. Die Aufarbeitung einer der schlimmsten Katastrophen der israelischen Geschichte dürfte aber noch lange dauern.

Aussenminister Heiko Maas äussert sein Mitgefühl

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zeigte sich bestürzt über das "schwere Unglück". Aussenminister Heiko Maas (SPD) äusserte sein Mitgefühl. "Die Nachrichten, die uns heute Morgen von der Tragödie beim Lag B'Omer Fest am Meron Berg in Israel erreichen, sind erschütternd. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen", schrieb er auf Twitter.

Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell wünschte den Verletzten eine rasche Genesung. (Sara Lemel/Sebastian Engel/dpa/mgb/ff)

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