Seit Wochen hält Geheimnisträger Edward Snowden die Welt in Atem. Der IT-Techniker, der für amerikanischen Geheimdienste arbeitete, gibt auf seiner Reise über den Globus häppchenweise sein Wissen preis. Wir zeichnen die bisherigen Stationen seiner spektakulären Enthüllungen und Flucht nach.
Das Hin und Her mit
Mit einer Insider-Botschaft meldete sich Wikileaks-Gründer, der dem Amerikaner offensichtlich hilft, zu Wort: Der Whistleblower sei "gesund und in Sicherheit". Die Spur eines der aktuell meistgesuchten Personen hat sich vorerst verloren. Die russische Nachrichtenagentur Interfax hatte zudem vermeldet, dass Snowden "wahrscheinlich bereits Russland verlassen habe".
Die USA wollen den IT-Experten unbedingt festsetzen, denn der ehemalige Mitarbeiter von CIA und NSA hat tiefe Einblick in die digitalen Schnüffelaktivitäten der US-Geheimdienste. Einiges hat der 30-Jährige schon ausgeplaudert, dem noch einige andere schwerwiegende Enthüllungen folgen sollen.
Snowden macht in Hongkong Station
Wir blicken zurück auf den bisherigen Fluchtweg des Whistleblowers: Bevor Snowden Moskau mit dem Flugzeug erreichte, hielt er sich in Hongkong auf. Von dort wollten die Amerikaner ihr Sicherheitsrisiko per Auslieferungsantrag zurückholen. Unmissverständlich wiesen die chinesischen Behörden das Gesuch jedoch als fehlerhaft ab und liessen den IT-Fachmann nach Moskau ziehen. Dieser Unterstützung war sich der flüchtige Edward Snowden trotzdem nicht gewiss. Er soll ständig das Hotel gewechselt haben. Ausserdem habe er bei seinen Interviews offenbar zusätzlich zu den üblichen Sicherungen die Türritzen nach aussen mit Kissen zugestopft, um nicht abgehört zu werden.
Der Amerikaner hat allen Grund für seine Angst, denn seit dem 22. Juni liegt ein Haftbefehl der US-Justiz vor, wie der "Spiegel" berichtet. Die US-Ankläger werfen dem "Robin Hood der Datenwelt" Spionage, Diebstahl und Weitergabe von Regierungseigentum vor. Die US-Behörden forderten damals ihre Kollegen in Hongkong auf, den Haftbefehl zu vollstrecken.
Da hatte Snowden dem britischen "Guardian" gerade gesteckt, dass die britische Regierung mit dem Projekt Tempora Glasfaserkabel für die Datenübertragung direkt im Meer anzapft und eine gigantische Menge an privaten Daten ohne konkreten Verdacht abfischt. Dabei ginge es um Telefongespräche, E-Mails sowie um die kompletten Daten, die die Internetuser im Web hinterlassen.
In Hongkong hatte der Amerikaner auch der lokalen "Sunday Morning Post" ein Interview gegeben. Darin bezichtigte der IT-Experte den Geheimdienst NSA eines gigantischen Spionageangriffs auf China. Die NSA soll demnach 2009 den Hongkonger Internetbetreiber Pacnet angegriffen haben. Weitere Ziele der US-Hacker: Die Netzwerke der renommierten Tshinghua-Universität in Peking sowie die Uni Hongkong. Daraufhin bezeichnete China die USA offiziell als "grössten Schurken unserer Zeit".
In Hongkong machte sich Snowden immer wieder Gedanken, wie es weitergehen sollte. Zwischenzeitlich hatte Snowden wohl überlegt, Island um politisches Asyl zu bitten. Schon damals soll er bei seinen Bemühungen von Assanges Wikileaks unterstützt worden sein. Diesem Gedankenspiel hatte aber die isländische Innenministerin Hanna Birna Kristjánsdóttir schon bald eine Absage erteilt.
Snowden flüchtet aus den USA
Aber warum musste Snowden überhaupt fliehen? Als die ersten Enthüllungen über das amerikanische Schnüffelprogramm Prism über die US-Zeitung "Washington Post" und dem britischen "Guardian" Anfang Juni an die Öffentlichkeit gelangten, war die Quelle anonym. Damals hiess es, den Blättern läge eine interne Präsentation vor, ohne die Herkunft zu nennen. Der Aufschrei war gross, als bekannt wurde, dass die NSA direkten Zugang zu den Daten von Google, Apple und Microsoft habe.
Damals gab es also keinen Grund zu fliehen. Doch nur drei Tage nach den Berichten aus anonymer Quelle präsentierte der "Guardian" den Urheber, der sich da offenbar schon in Hongkong aufhielt. "Ich muss mich nicht verstecken, weil ich nichts Falsches getan habe", sagte Snowden am 10. Juni dem "Guardian". Dennoch war er sich im Klaren, was das bedeutet: "Ich glaube nicht, dass ich mein Zuhause jemals wiedersehen werde."
Snowden ist offenbar daran gelegen, sich als Aktivist und als Mann mit Prinzipien darzustellen. "Mein einziges Motiv ist, die Öffentlichkeit zu informieren, was in ihrem Namen und gegen sie geschieht", sagte er dem "Guardian". Bereits zwei Jahre nach dem Einstieg bei einem US-Geheimdienst hatte der heute 30-Jährige seine ersten Bedenken.
Snowden: Der Weg zum Whistleblower
2005 heuerte Edward Snowden nach einem abgebrochenen Informatikstudium beim US-Geheimdienst CIA als Techniker für IT-Sicherheit an, wo er schnell Fuss fasste und Karriere machte. Bereits 2007 hatte er aber Zweifel an der Rechtmässigkeit seiner Arbeit, weil er mit einer massiven Fülle von eigentlich privaten Daten konfrontiert war. Der britischen Zeitung "Guardian" sagte er dazu: "Ich erkannte, dass ich Teil von etwas geworden war, dass viel mehr Schaden anrichtete als Nutzen brachte."
Mit der Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten 2008 keimte in Snowden jedoch die Hoffnung, dass die digitale Schnüffelei bald ein Ende haben könnte. 2009 wechselte der Spezialist zur Firma Booz Allen Hamilton, die die NSA in IT-Sicherheitsfragen berät. So kam der Amerikaner in direkten Kontakt mit geheimen Daten von Prism und Boundless Informant, einem weiteren Überwachungsprojekt.
Im Januar und Februar 2013 kontaktierte der von Obama enttäuschte Whistleblower zum ersten Mal die Dokumentarfilmerin Laura Poitras und den Journalisten Glenn Greenwald. Danach soll er im grossen Stil Belege für die Spähprogramme kopiert haben. Unter dem Vorwand, seine gerade aufgetretene Epilepsie behandeln zu müssen, nahm er bei seinem Vorgesetzten laut "Guardian" "für ein paar Wochen" eine Auszeit. Am 20. Mai sass er dann im Flieger nach Hongkong.
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