Nach der Bluttat in der Polizeipräfektur von Paris könnte sich erneut bewahrheiten, was in Frankreich in den vergangenen Jahren immer wieder Realität war: ein terroristisch motivierter Angriff. Vor allem auf den Innenminister wächst der Druck.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Im Fall der Attacke im Pariser Polizeihauptquartier mit fünf Toten verdichten sich die Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund. Der 45 Jahre alte Angreifer sei Anhänger einer radikalen Interpretation des Islams gewesen, sagte Chefermittler Jean-François Ricard am Samstag bei einer Pressekonferenz in Paris. Der Mann sei vor rund zehn Jahren zum Islam konvertiert und habe ausserdem Kontakt zu mutmasslichen Anhängern der salafistischen Bewegung gehabt, einer ultrakonservativen Strömung innerhalb des Islams.

Zwei Tage nach der Attacke wurden auch weitere Details zum Ablauf bekannt: Der Angreifer habe vor der Tat per Mobiltelefon ausschliesslich religiöse Nachrichten mit seiner Ehefrau ausgetauscht. Diese tauche aber nicht in der Datei für islamistische Gefährder auf, sagte Ricard. Unmittelbar vor der Tat habe er zwei Messer gekauft, eines aus Metall und eines aus Keramik.

Mit extremer Gewalt vorgegangen

Seine Bluttat habe nur wenige Minuten gedauert, bis er von einem Polizisten erschossen worden sei. Der Angreifer war nach Angaben des Chefermittlers mit extremer Gewalt vorgegangen - das habe auch die Obduktion der Opfer gezeigt. Die ersten beiden Opfer habe er beim Mittagessen an ihrem Arbeitsplatz attackiert, dann sei er weiter ins Erdgeschoss des Pariser Polizeihauptquartiers gegangen.

Der Angreifer habe auch wegen seines Glaubens in letzter Zeit seine Kleidungsgewohnheiten umgestellt, den Kontakt zu Frauen geändert und gegenüber einem Kollegen Zustimmung zu dem islamistischen Attentat auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo» im Januar 2015 geäussert, sagte der Chefermittler der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft. Das Strafregister des aus dem französischen Überseegebiet Martinique stammenden Mannes sei sauber. Allerdings habe er in einem Fall von häuslicher Gewalt einen Verweis erhalten.

Der Todesschütze war neu im Dienst

Die Messerattacke hat in Frankreich Entsetzen und Trauer ausgelöst. Der Angreifer hatte am Donnerstagnachmittag in der Polizeipräfektur auf der Seine-Insel Île de la Cité vier seiner Kollegen getötet. Anschliessend wurde er von einem Polizisten erschossen, der selbst erst wenige Tage im Einsatz war. «Die Ermittlungen werden nun fortgesetzt, um die Gründe für diese Tat und die Persönlichkeit des Täters genauer zu bestimmen», kündigte der Chefermittler an.

Frankreich wird seit Jahren von einer islamistischen Terrorwelle erschüttert. Dabei sind bislang mehr als 250 Menschen ums Leben gekommen. Vor wenigen Monaten hatte ein 24-Jähriger in Lyon einen selbstgebauten Sprengsatz vor der Filiale einer Bäckereikette in einer Einkaufsstrasse der südostfranzöschen Metropole platziert. Mehr als ein Dutzend Menschen wurden verletzt.

Der Angreifer hatte seit 2003 als Informatiker bei der Polizei gearbeitet. Er war in einer als sensibel geltenden Abteilung der Polizeibehörde eingesetzt, die sich auch mit geheimdienstlichen Themen und Terrorabwehr befasst.

Angeblich keine Hinweise auf Radikalisierung

Bereits vor Bekanntwerden der Details wuchs der Druck auf Innenminister Christophe Castaner. Zunächst hiess es in den Medien, das Motiv der Tat könne ein interner Konflikt gewesen sein. Castaner gab in Pressestatements nach der Tat keinen Hinweis darauf, dass der Angreifer sich vor der Tat möglicherweise radikalisiert haben könnte. Erst am Freitagabend hatten die Anti-Terror-Ermittler der Staatsanwaltschaft die Untersuchungen übernommen.

Oppositionspolitiker fordern nun einen Untersuchungsausschuss zu der Messerattacke. Ihrer Ansicht nach hielt der Innenminister Informationen über den mutmasslichen Täter zurück, als er erklärte, der Mann sei zuvor nicht negativ aufgefallen. Der konservative Abgeordnete Éric Ciotti verlangte eine parlamentarische Untersuchung. Weitere konservative Abgeordnete und Politiker der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National um Marine Le Pen forderten den Rücktritt Castaners. (best/dpa)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.