Ein Containerschiff brachte Ende März die "Francis Scott Key"-Brücke im US-amerikanischen Baltimore zum Einsturz. Prorussische Webseiten behaupten mit einem Eintrag auf einer Schifffahrt-Webseite, der Kapitän sei Ukrainer. Doch der Eintrag belegt das überhaupt nicht.
In der Nacht zum 26. März rammte das Containerschiff "Dali" einen Stützpfeiler der "Francis Scott Key"-Brücke in Baltimore, im US-Bundesstaat Maryland. Kurz darauf stürzte die Autobahnbrücke ein. Drei Menschen wurden bisher tot geborgen, die Rettungskräfte gehen von weiteren Opfern aus (Stand: 8. April 2024).
Noch am Tag des Unglücks berichteten prorussische Medien, darunter die Webseite Pravda, der Kapitän des Schiffes sei ukrainischer Staatsbürger. Das berichtete auch die Webseite Voice of Europe. Dort heisst es, er sei "vermutlich" Ukrainer. Hinter Voice of Europe steckt nach Angaben der tschechischen Regierung ein russisches Propaganda-Netzwerk, inzwischen ist die Webseite nicht mehr erreichbar.
Beide Webseiten berufen sich auf einen Eintrag auf einer Recruiting-Website für die Schiffsindustrie. Zahlreiche Accounts verbreiten die Behauptung auf Telegram, X und Facebook in unterschiedlichen Sprachen, darunter Deutsch, Englisch, Spanisch und Italienisch.
Schiffsverwalter: Keine ukrainischen Staatsangehörigen an Bord
Das Informationszentrum, das Anfragen zum Einsturz der Brücke beantwortet, vermittelte CORRECTIV.Faktencheck an die Synergy Marine Group, die das Containerschiff Dali verwaltet.
Auf die Frage, ob der Kapitän der Dali ukrainischer Staatsbürger sei, antwortete Unternehmenssprecher William Marks am 4. April: "Weder während noch nach dem Vorfall befanden sich ukrainische Staatsangehörige an Bord. Zum Zeitpunkt des Vorfalls waren 21 Besatzungsmitglieder (20 indische, 1 sri-lankisches) und zwei einheimische Schiffslotsen (US-Amerikaner) an Bord." Die Zahl der Besatzungsmitglieder stimmt mit den Angaben der Nationalen US-Behörde für Transportsicherheit überein.
Baltic-Shipping-Website: Eintrag zeigt nicht Kapitän des Containerschiffs zum Zeitpunkt des Unglücks
Darüber hinaus hat CORRECTIV.Faktencheck den vermeintlichen Beleg geprüft, den prorussische Webseiten und Beiträge online für ihre Behauptung anführen. Der Screenshot zeigt einen Eintrag auf balticshipping.com, eine Website, über die Unternehmen Seeleute anstellen können. Zu sehen ist das Foto eines Mannes, der ukrainischer Staatsbürger sein soll und sich als "Master", also Kapitän, für das Containerschiff beworben habe.
Ein Nutzer weist in der Kommentarfunktion der Webseite darauf hin, dass der Mann laut einer auf der Seite veröffentlichten Tabelle zuletzt 2016 auf der Dali gearbeitet habe. Der Eintrag des mutmasslichen Ukrainers auf "Baltic-shipping" ist seit dem 26. März nicht mehr abrufbar.
Über den Quellcode einer archivierten Version der Webseite konnte CORRECTIV.Faktencheck jedoch die dort gelisteten Arbeitseinsätze mit der ID des Seemannes ("33401") abgleichen. Die Informationen decken sich mit denen in der Tabelle. Zu diesem Ergebnis kam auch die Faktencheck-Organisation Lead Stories bei ihrer Überprüfung des Quellcodes.
Demnach war der Mann das letzte Mal zwischen März und Juli 2016 auf dem Containerschiff Dali tätig. Der Screenshot ist somit kein Beleg dafür, dass der Mann Kapitän der Dali zum Zeitpunkt des Unglücks war.
Zudem soll das Containerschiff in dem angegebenen Zeitraum 2016 unter der Flagge der Marshallinseln gefahren sein, zum Zeitpunkt des Unglücks in Baltimore hingegen unter der Flagge von Singapur, wie die Schiffstracking-Seite "Marinetraffic" angibt. Planmässig sollte die Dali nach Angaben dieser Webseite am 22. April 2024 in Sri Lanka ankommen.
Schiff soll vor Brückeneinsturz in Baltimore Stromausfall gehabt haben
Wie die New York Times berichtete, hatte das Schiff laut der Amerikanischen "American Pilots' Association" wenige Minuten vor dem Aufprall einen "kompletten Stromausfall", die Ursache dafür ist noch unklar. Laut dem FBI gibt es keine glaubwürdigen Hinweise auf einen Terroranschlag. Marylands Gouverneur Wes Moore berichtete, das Schiff habe den Mayday-Notruf abgesetzt und der Verkehr sei auf der Brücke gestoppt worden. Nach Angaben der Nationalen Behörde für Transportsicherheit zeigen die Aufnahmen des Datenschreibers der Dali, dass Hilfs- und Notmassnahmen vor dem Aufprall eingeleitet wurden.
Zum Brückeneinsturz in Baltimore kursiert auch falsches Bildmaterial. Wie CORRECTIV.Faktencheck berichtete, zeigt ein Video einer Explosion nicht die Francis Scott Key Bridge, sondern die Krim-Brücke am 8. Oktober 2022.
Verwendete Quellen
- zdf.de: Tschechien: Erfolg gegen russische Propaganda
- Informationszentrum keybridgeresponse2024.com
- The New York Times: Alarms and Order to Drop Anchor Recorded Before Ship Hit Bridge
- balticshipping.com: Personaleintrag des mutmasslichen ukrainischen Kapitäns
- leadstories.com: Fact Check: Captain Of Ship That Hit Francis Scott Key Bridge In Baltimore Was NOT Ukrainian
- evernote.com: Screenshot der Marinetraffic-Webseite vom 8. April 2024
- New York Times: The vessel had a ‘complete blackout’ and could not restore engine power
- fbi.gov: FBI Baltimore Statement on Francis Scott Key Bridge Collapse
- youtube.com: March 26, 2024 | Governor Moore Morning Press Conference on the Collapse of the Key Bridge
- correctiv.org: Falscher Kontext: Video zeigt nicht Brücke in Baltimore, sondern Explosion auf der Krim-Brücke
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